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11.11.2013

Portrait

Der heilige Pfarrer von Ars

Botschaft an uns (Von Urs Keusch)

Ein Pilger, der Ars besuchte und Pfarrer Jean-Marie Vianney zum ersten Mal gesehen hatte, sagte zu seinen Freunden: „Ich habe Gott in einem Menschen gesehen.“ Dieser Heilige ist vor 150 Jahren gestorben, am 4. August 1859. Zu diesem Anlass ruft Papst Benedikt XVI. ein „Jahr der Priester“ aus. Er hat es am 19. Juni dieses Jahres — am Hochfest des Herzens Jesus — feierlich eröffnet.

Die Priester, so der Wunsch und die Hoffnung des Papstes, sollen sich am Beispiel dieses heiligen Priesters neu entflammen und erbauen in der Treue und Liebe zu Christus und in der unermüdlichen Sorge um das Heil der Menschen. Aber nicht nur die Priester: Jeder Christ ist dazu eingeladen, weil jeder durch die Taufe und die Firmung zu einem königlich-priesterlichen Leben und zur Heiligkeit berufen ist. Darum ist das „Jahr der Priester“ auch ein Jahr aller priesterlichen Christen.

Der Pfarrer von Ars kam aus ärmlichsten bäuerlichen Verhältnissen. „Nachts schlief er mit seinem Bruder François zusammen in einem Bett in einer Stallecke“ (G. Rossé). Schon früh verspürte er die Sehnsucht, Priester zu werden: „Wenn ich das Glück hätte, Priester zu sein, würde ich viele Menschen zu Gott führen“. Von der Muttergottes sagte er: „Die heilige Jungfrau ist meine erste Liebe; ich habe sie geliebt, noch ehe ich sie kannte.“

Als er sich zum ersten Mal auf die Schulbank setzt, ist er 17 Jahre alt. Mit Ach und Krach kämpfte er sich durchs Studium, erst beim zweiten Mal bestand er „mehr oder weniger“ das Examen. Der Generalvikar von Lyon soll bei einer Gelegenheit gefragt haben: „Ist der junge Vianney fromm? Betet er den Rosenkranz gern? Verehrt er die Jungfrau Maria?“ Als diese Fragen bejaht werden konnten, sagte er: „Dann wird die Gnade das übrige tun!“ Und er hat Recht behalten, auch wenn ein Abbé Borjon Johannes Maria Vianney in einem Brief schreibt: „Wenn man so wenig von Theologie versteht wie Sie, dürfte man sich nie in einen Beichtstuhl setzen“.

Vianney selbst hatte von sich so ziemlich die geringste Meinung. Er sagte einmal: „Wenn ich mit den andern Priestern zusammen bin, bin ich wie Bordin, der Trottel aus unserem Dorf.“ Und wenn er sich der Aufgabe und der Berufung als Priester bewusst wird, gerät er in tiefste Selbstzweifel: „Mir fällt es schwer, mich vor der Versuchung der Verzweiflung zu bewahren. Ich habe Angst, von Gott als Heuchler gerichtet zu werden.“

Und aus diesem „Trottel“ wird der große heilige Pfarrer von Ars, zu dem jährlich Zehntausende pilgern, um ausgerechnet bei dem zu beichten, der „sich nie in einen Beichtstuhl setzen dürfte“ — und das bis zu 17 Stunden am Tag, bei drückendster Sommerhitze, wenn die Kirche voll von Pilgern ist. „Die Hitze im Beichtstuhl gibt mir eine Vorstellung von der Hölle“, vertraute er einmal einem ihm nahestehenden Menschen an...

Pfarrer Vianney erlebt sich wie ein Apostel Paulus. Er schreibt von sich: „Gott hat mir diese große Barmherzigkeit erwiesen, dass Er nichts in mich hineingelegt hat, auf das ich mich stützen könnte, kein Talent, kein Wissen, keine Weisheit, keine Kraft, keine Tugend.“ Oder mit den Worten des Apostels: „Alles, was ich bin, bin ich durch Gottes Gnade.“ (1 Kor 15,10). „Die Gnade Gottes wird das übrige tun!“

Ein Biograph schrieb über Johannes Vianney: „Darum bestand das erste Werk des Pfarrers von Ars, dass entscheidende Werk seines Lebens, darin, zu lieben, besser zu lieben als jene, die nicht oder mangelhaft liebten.“

Es ist immer die Liebe, die größere Liebe, die höhere Temperatur der Liebe, die die Heiligen ausmacht. Und diese Liebe entzündete sich beim Pfarrer von Ars in der täglichen Begegnung mit dem lebendigen Herrn im Gebet: „Noch in der Nacht erhob er sich, um in die Kirche zu gehen. Zu Beginn seines Dienstes ging er regelmäßig um vier Uhr morgens in die Kirche und verblieb in Anbetung zu Füßen des Altars bis zur Zeit der Messe, die er gegen sieben feierte. Er betete für seine Leute: Mein Gott, gewähre mir die Bekehrung meiner Pfarrei. Ich bin bereit, alles zu leiden, was du willst, mein ganzes Leben lang, wenn sie sich nur bekehren.“ Und Gott hat ihn erhört. Aus der verlotterten wurde eine Musterpfarrei. Und auch an Leiden hat es ihm nicht gefehlt. Pfarrer Vianney sagte selbst einmal: „Wenn ich bei der Ankunft in Ars gewusst hätte, was hier alles auf mich wartete, ich wäre auf der Stelle gestorben.“

Am 4. August 1859 verstarb der Heilige. Todesursache: physische Erschöpfung.

Stürzen Sie sich auf die Lebensbeschreibungen der Heiligen. Lesen Sie selbst eine Biographie über diesen wunderbaren Heiligen! Lassen Sie sich selbst von diesem Heiligen neu entflammen, zu einem wahrhaft apostolischen Leben begeistern, dass sich im Gebet und in der Anbetung des auferstandenen Herrn entzündet. „Stürzen Sie sich auf die Lebensbeschreibungen der Heiligen! Trinken Sie sich voll daran, berauschen Sie sich an diesem köstlichen Born! Verschlingen Sie vorzüglich das, was Ihnen dran am törichtesten, am ungereimtesten erscheinen mag! Alsdann werden Sie sehen!“ (Léon Bloy)

Ich empfehle Ihnen die leicht lesbare und überschaubare Biografie mit ausgewählten Gedanken und Predigten von: Gérard Rossé: Der Pfarrer von Ars an seine Gemeinde (Verlag Neue Stadt). Der erste Teil fasst auf 52 Seiten das Leben des Heiligen anschaulich zusammen. Der zweite Teil bringt auf 73 Seiten Gedanken und Auszüge aus Predigten des Pfarrers von Ars, aus denen ich hier gerne einige anfügen möchte:

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Worte des heiligen Pfarrers von Ars:

Wie schön ist es, wie groß ist es, Gott zu kennen, Ihn zu lieben und Ihm zu dienen! Es ist das einzige, was wir in der Welt zu tun haben. Alles andere ist verlorene Zeit.

Vor allem ist es das Vertrauen, dass Gott von uns erwartet. Nichts beleidigt Gott so sehr, als wenn man an Seiner Barmherzigkeit zweifelt.

Alle Heiligen haben eine große Verehrung für die heilige Jungfrau. Keine Gnade kommt vom Himmel, außer durch ihre Hände.

Wenn ihr an einer Kirche vorbeikommt, geht hinein, um unseren Herrn zu grüßen. Man kann nicht an der Tür eines guten Freundes vorbeigehen, ohne ihm Guten Tag zu sagen.

Es ist nicht nötig, viele Worte zu machen, um gut zu beten. Man weiß, dass der liebe Gott da ist, im heiligen Tabernakel: man öffnet Ihm das Herz, und man ist froh in Seiner heiligen Gegenwart. Ja, dass ist das beste Gebet.

Es ist ein großes Unglück, wenn man durch die Wüste dieses Lebens geht, ohne zu dieser göttlichen Speise zu eilen. Das ist so, als wenn einer vor Hunger stirbt neben einem wohlgedeckten Tisch.

Unsere ganze Frömmigkeit ist falsch, und alle unsere Tugenden sind nichts als Einbildung, und wir sind in den Augen Gottes nur Heuchler, wenn wir nicht eine umfassende Liebe zu allen haben, zu den Guten wie zu den Bösen, zu den Armen wie zu den Reichen, zu allen, die uns Böses antun, wie zu denen, die uns Gutes tun.

Ja, mit einem guten Gebet können wir Himmel und Erde befehlen. Alles wird uns gehorchen.

Wenn ich bete, stelle ich mir Jesus vor, wie er zu Seinem Vater betet.

Gott liebt es, belästigt zu werden.

Der liebe Gott braucht uns nicht. Wenn Er uns befiehlt zu beten, dann deswegen, weil Er unser Glück will, weil wir unser Glück nur so finden können.

Nicht alle, die die Sakramente empfangen, sind heilig, doch die Heiligen sind immer unter denen, die häufig die Sakramente empfangen.

Die Heiligen haben nicht alle gut angefangen, aber sie haben alle gut geendet.

Die Heiligen sind wie kleine Spiegel, in denen Jesus Christus sich selbst betrachtet.

Lasst uns mit dem Heiligen Pfarrer Vianney beten: „Ich liebe dich, mein Gott, und mein einziger Wunsch ist, dich bis zum letzten Atemzug meines Lebens zu lieben. Ich liebe dich, du unendlich liebeswürdiger Gott, und ich will lieber in dieser Liebe sterben, als auch nur einen einzigen Augenblick ohne sie leben.“ Amen.

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