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20.05.2013

Zu dem momentan geführten Diskurs über Privatoffenbarung und Lehre der Kirche fand ich bei Karl Rahner eine — wie ich meine — treffliche Erklärung.

Im Herder Verlag, Freiburg, erschien 1958 die von Karl Rahner SJ herausgegebene Schrift »Quaestiones disputatae« (Diskutierte Fragen). Unter „Visionen und Prophezeiungen“, Band IV, Seite 27, findet sich von ihm folgende Stellungnahme zu Privatoffenbarungen:

„Privatoffenbarungen sind in ihrem Wesen ein Imperativ¹, wie in einer bestimmten geschichtlichen Situation von der Christenheit gehandelt werden soll. Sie sind wesentlich keine neue Behauptung, sondern ein neuer Befehl. In ihren Behauptungen sagen sie wirklich nur, was man immer schon aus Glaube und Theologie weiß. Und dennoch sind sie nicht überflüssig oder bloß ein himmlischer Repetitionskurs² der allgemeinen Offenbarung oder eine intellektuelle Mäeutik³ zur Erkenntnis von etwas, was man grundsätzlich auch ohne diese Hilfe finden könnte. Denn, was in einer bestimmten Situation als Wille Gottes zu tun ist, das lässt sich logisch in eindeutiger Weise nicht ableiten bloß aus den allgemeinen Prinzipien des Dogmas und der Moral, auch nicht unter Zuhilfenahme der Analyse der vorliegenden Situation.“

¹Befehl, ²Wiederholungskurs, ³Methode, durch geschicktes Fragen die im Partner schlummernden, ihm aber nicht bewussten richtigen Antworten und Einsichten heraufzuholen (Fremdwörterbuch).

(Rahner, 1904 – 1984, war beratender Konzilstheologe und Professor für Dogmatik.)