1955.

06.11.2013

Augsburger Zeitung, 05. November 2013

Die Kirche soll allen offen stehen

Vatikan Papst Franziskus geht bei den Themen Ehe und Familie neue Wege. Noch unklar ist, wohin diese führen werden

VON DANIEL WIRSCHING

Augsburg Der Papst hat in den vergangenen Tagen wieder einmal alle überrascht, insbesondere eine Römerin - und zahlreiche deutsche Gläubige. Spekuliert wird nun, was er bezweckt. Steht die katholische Kirche vor weitreichenden Reformen? Doch der Reihe nach:

Am Freitag klingelt das Handy von Anna Rosa Marino. Die 38-Jährige ist im Freien, es ist laut. „Ciao Anna Rosa, sono papa Francesco.“ Sie ist irritiert. Hat der Anrufer wirklich gesagt: „Hallo Anna Rosa, ich bin Papst Franziskus?“ So jedenfalls erzählte es die Katholikin der italienischen Zeitung Corriere della Sera, die am Montag darüber berichtete. Marino sagte: Der Papst habe ihr versichert, dass die Kirche für alle offen stehe, auch für jene, die sich ihr im Augenblick fern fühlten, weil ihre Ehe gescheitert sei. Marinos atheistischer Mann hatte ihr nach der kirchlichen Eheschließung eröffnet, dass er keine Kinder haben wolle. Das oberste Ehegericht der Kirche erklärte die Ehe schließlich für nichtig, Marino will einen anderen Mann heiraten - und der Papst habe ihr dazu seinen Segen gegeben. Stimmt die Geschichte, bedeutet das vielleicht, dass Ehen künftig leichter annulliert werden können. So würde zumindest einem Teil der wiederverheirateten Geschiedenen die Wiederzulassung zu den Sakramenten ermöglicht. Der Telefonanruf des Papstes passt zudem zu einer Fragebogenaktion, die er initiiert haben soll und die unterschiedlich bewertet wird. Die einen sprechen von einer Öffnung hin zu mehr „Realismus“. Es hieß: Der Vatikan wolle von jedem Katholiken erfahren, was er über den kirchlichen Umgang mit Wiederverheirateten oder über gleichgeschlechtliche Partnerschaften denke. Ein historischer Schritt in Richtung Demokratie? Die anderen sehen in der Aktion, die zur Vorbereitung der Sonderbischofssynode über die Familienseelsorge im Oktober 2014 dienen soll, nichts Ungewöhnliches. Zutreffend ist, dass der Vatikan vor einer Synode Fragebögen zu einer Vielzahl von Themen verschickt. Den aktuellen Fragebogen haben alle nationalen Bischofskonferenzen erhalten. Dass auch Gläubige und nicht nur Bischöfe befragt werden sollen, wäre aber tatsächlich neu. Nach einem Bericht der US­Zeitschrift National Catholic Reporter soll der Fragebogen an die Diözesen weitergeleitet und dann „so weit wie möglich an Dekanate und Gemeinden“ weitergereicht werden. Dagegen bitte der Generalsekretär der US-amerikanischen Bischofskonferenz in einem Brief die US-Bischöfe, nur ihre eigenen Ansichten Rom mitzuteilen. Was das alles zu bedeuten hat, weiß man in deutschen Diözesen wie Augsburg oder Eichstätt nicht. Bernhard Löhlein von der Pressestelle des Bistums Eichstätt sagte unserer Zeitung: „Der Fragebogen hat uns alle überrascht. Wir kennen weder seinen Inhalt noch wissen wir etwas über die weitere Vorgehensweise.“ Ob Pfarrgemeinderäte den Fragebogen bekommen oder ob er online gestellt wird, sei unklar. Man müsse die Entscheidung der Deutschen Bischofskonferenz abwarten. Diese teilte mit, über den Fragebogen werde Ende November beraten. Damit ist klar: Nicht jeder einzelne der 1,2 Milliarden Katholiken wird seine Meinung äußern können. Wer auf welche Weise befragt wird, hängt von der jeweiligen Bischofskonferenz ab. Auf der Internetseite der Bischofskonferenz von England und Wales können Interessierte etwa seit dem 25. Oktober einen Onlinefragebogen ausfüllen. Ebenfalls klar ist, dass das Generalsekretariat der Bischofssynode die Befragung auswerten wird. Sowie: Der Vatikan will heute über den Stand der Planungen der Bischofssynode informieren. 

Anmerkung des Abschreibers: Ist das nicht alles in den Botschaften klar  vorausgesagt?