1963.

07.11.2013

 

(Quelle: www.katholisches.info)

Der Rücktritt Benedikts XVI., die „Lobby“ und ihr zersetzendes Unwesen – Gespräch mit Ariel Levi di Gualdo

5. November 2013 14:06 | Mitteilung an die Redaktion

(Paris) Die französische Zeitschrift Catholica führte ein Gespräch mit dem Priester Ariel Stefano Levi di Gualdo, einem jüdischen Konvertiten, der katholischer Priester wurde. Das Gespräch wurde bereits am vergangenen 28. Juni in der Nummer 120 der Zeitschrift veröffentlicht. Dennoch lohnt ein Blick auf das, was Levi di Gualdo zu sagen hat, der bekannt für seine ungeschminkte Analyse ist. In dem Gespräch geht es um eine innerkirchliche Lobby, die während des Pontifikats von Papst Benedikt XVI., so Levi di Gualdo, oft aggressive und bedrückende Medienkampagnen gegen den Papst auslöste. Seit dem Amtsverzicht des deutschen Papstes herrsche hingegen völliges Stillschweigen. Die Lobby scheint ihr Ziel erreicht zu haben und könne, so der Priester der Diözese Rom, ungestört ihr zersetzendes Unwesen fortsetzen. In den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil habe, so Levi di Gualdo, eine Rückkehr zu einer Situation stattgefunden, wie sie vor dem Konzil von Trient herrschte. Eine Situation, die durch Verfall und besorgniserregende interne Machtkämpfe gekennzeichnet ist. Der Amtsverzicht von Benedikt XVI. stellt ein nie dagewesenes Ereignis dar, am Höhepunkt einer Krise und zeitgleich mit den 50-Jahrfeiern des Konzils. Kein Zufall, wie der Priester meint. Vor allem, wenn man bedenkt, daß dieses Konzil die kirchlichen Institutionen eigentlich verjüngen und ihnen neuen gläubigen Elan geben wollte. Der Rücktritt Benedikts XVI. bleibe schwer entzifferbar. Viele hätten in diesem Zusammenhang von Unregierbarkeit gesprochen in einem Augenblick, da zahlreiche Spannungen und Machtkämpfe schrittweise sichtbar geworden seien, so Catholica. Unter den Autoren, die zur Lage der Kirche Stellung nehmen, fiel der Zeitschrift der römische Priester Ariel Levi di Gualdo „wegen seiner klaren Sprache“ auf. Er ist Autor mehrerer Bücher. Darunter ein Buch über das „zionistische Jahrhundert“ und die 2012 erschienene Abhandlung „Und Satan machte sich dreieinig“ gegen die „satanische Trinität“ Relativismus, Individualismus und Ungehorsam (siehe eigenen Bericht Vom „egomenischen“ Konzil zur Homosexualisierung der Kirche – Ariel Levi di Gualdos neue Streitschrift). 2013 erschien vom ihm währen der Zeit der Sedisvakanz zwischen dem Amtsverzicht Benedikts XVI. und der Wahl von Papst Franziskus die Kleinschrift „Quanta cura in cordibus nostris. Eine Enzyklika in der Form eines Motu proprio“. In der „Enzyklika“ eines fiktiven Papstes namens Beenedikt XVII. skizzierte Ariel Levi di Gualdo die Grundsätze, die seiner Ansicht nach für eine grundlegende Erneuerung der Kirche notwendig wären.

Catholica: In Ihrem jüngsten Buch schreiben Sie über die Rolle bestimmter römischer Dikasterien hinter vielen schwerwiegenden Skandalen. Könnten Sie diese Situation genauer erklären und vor allem darlegen, worin der Mangel einiger kurialer Dienste besteht und worin die beunruhigenden Kompromittierungen?

Levi di Gualdo: In diesem Buch erkläre ich, daß wir zwar das Zweite Vatikanische Konzil gemacht haben, aber in der Praxis in den Jahren danach in die Epoche vor dem Konzil von Trient zurückgekehrt sind mit all ihren korrupten Machenschaften, ihrem moralischen Verfall und ihren besorgniserregenden internen Machtkämpfen. Nachdem nun seit einem halben Jahrhundert bis zum Erbrechen über Dialog und Kollegialität geredet wurde, sind bisher unbekannte Formen von Klerikalismus und Autoritarismus aufgetreten. Die progressiven Meister des Dialogs und der Kollegialität setzen Aggressivität und Zwang gegen jeden ein, der nicht „religiös korrekt“ wie sie denkt. Man kann immer auf die Glaubensdogmen pfeifen, man kann sie immer gemäß einer anthropozentrischen Logik dekonstruieren, aber wehe dem, der den „heiligen“ und „unfehlbaren“ Charakter des Lehramtes einiger Theologen kritisiert, das mit Hegelianismus und der Theologie von Karl Rahner durchtränkt ist, ein Denken, das sie an die Seite des Modernismus und von Heterodoxien jeglicher Art führt: derjenige wird von dieser geeinten und sowohl an der Römischen Kurie als auch an den päpstlichen Universitäten mächtigen Camarilla geächtet. Dem ist hinzuzufügen, daß seit 1970 homosexuelle Geistliche zugelassen wurden, deren Zahl durch Kooptierungen im Lauf der Jahre beachtlich angewachsen ist. Heute bilden sie eine regelrechte Lobby mafiösen Stils, mächtig und bereit, jeden zu vernichten, der sich ihnen in den Weg stellt. Es werden Prozesse zur Umwertung von Werten erkennbar – das Gute wird zum Bösen, die Tugend verkehrt in Laster und umgekehrt –, die soweit fortgeschritten sind, daß die gesunde Lehre in Heterodoxie umgewandelt wird, wenn einer dieser Geistlichen bei der zuständigen Autorität mit Beweisen und Belastungszeugen zur Anzeige gebracht wird; denn die Verurteilung eines einzigen von ihnen würde genügen, um ihr ganzes System zu gefährden. So sah man in vielen Fällen Unschuldige, die bestraft und ausgegrenzt wurden, und Schuldige, die geschützt wurden, obwohl sie sich schwerer moralischer Verfehlungen schuldig gemacht hatten. Wenn es sich als opportun erwies, jemanden von der Römischen Kurie zu entfernen, wurden sie von den Bischöfen aufgenommen und geschützt, in deren Diözesen sie einflußreiche Zirkel bilden und sich vorwiegend mit Homosexuellen umgeben. Noch einmal: korrupt wie dieses System ist, ist es gar nicht möglich, anders zu handeln, denn wenn ein Schuldiger bestraft wird, würde er sich rächen und in seinen Sturz alle anderen Mitglieder dieser Mafia mitreißen. Man muß ihn daher schützen, koste es, was es wolle. Der Gesamteindruck ist der einer Widersprüchlichkeit in der Leitung der Kirche: das kommt in der Beförderung einiger Prälaten zum Ausdruck.

Catholica: Was sind Ihrer Ansicht nach die Gründe, die die Freiheit der kirchlichen Autorität durch solchen Zwang einschränken?

Levi di Gualdo: Es ist paradox, daß gerade während des Pontifikats des „Theologenpapstes“ die Ernennung von Personen in Schlüsselpositionen der Kirchenleitung zunahmen, die in völligem Widerspruch zu den theologischen Prämissen Benedikts XVI. stehen: Prälaten von zweifelhafter Theologie oder einem blassen Profil angesichts der aktuellen Herausforderungen wie der Neuevangelisierung. Ein gemeinsamer Zug charakterisiert sie: hinter einer äußerlichen Demut steckt eine Vorliebe, aber nicht für die Kirche, sondern für ihre eigene Person. Ich weiß nicht, wie man in einigen Jahrzehnten dieses Pontifikat mit seinem so leuchtenden Lehramt beurteilen wird, das durch die Präsenz dieser Personen widerlegt wird. Derzeit aber frage ich mich, wie der versteckte Einfluß einiger (im Stil von Strippenziehern) überhaupt so mächtig werden konnte, unseren Petrus so ohnmächtig werden zu lassen, zu einem Seefahrer ohne Besatzung in einem durch die Wellen und die stürmischen Winde leckgeschlagenen Schiff. Sicher ist jedoch, daß das Evangelium keinen Spielraum für Mißverständnisse läßt: Gott wird uns nicht nach unseren Worten beurteilen, sondern nach der Weisheit unserer Werke (Mt 11,19). Wir werden uns vor Gott zu verantworten haben für die Talente, die er uns geschenkt hat, und eventuell auch für das Talent, das wir aus Angst vor den Dieben vergraben haben (Mt. 25,14ff). Ich glaube, daß der Papst als Souverän von Gott ein Talent erhalten hat, das zugleich schwer, aber auch kostbar ist und das er fruchtbar einsetzen soll: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“. Ein Talent, das verlangt, daß derjenige, der es empfangen hat, sich vor allem dafür einzusetzen hat, daß „die Mächte der Unterwelt sie nicht überwältigen“ (Mt. 16,18). Ohne jeden Zweifel werden die Historiker, wenn sie dieses Pontifikat studieren, das in einer so schwierigen und schmerzlichen Epoche stattfand, in diesem Kontext tiefer Dekadenz, die auf der Kirche lastet, den Nachweis erbringen, daß Benedikt mit großer Anstrengung bemüht war, im besten Sinn für die Kirche Christi zu handeln, im Rahmen dessen, was ihm die Umstände zu tun erlaubten. Die Massen werden bei seinem Tod ohne Zweifel nicht „Santo subito“ rufen. Es ist aber wahrscheinlich, daß es in einigen Jahrzehnten „Santo sicuro“ heißen und er sicher heiliggesprochen werden wird […].

Text/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Fides et Forma