18.08.2016

Das Gleichnis vom König, der seinem Sohn die Hochzeit bereitet

nach Maria Valtorta

Jesus ist wirklich unermüdlich. Während die Sonne mit letztem rötlichen Schein verschwindet und vereinzelt, noch unsicher, die ersten Grillen zirpen, begibt sich Jesus auf ein erst vor kurzem gemähtes Feld, auf dem das trocknende Gras einen dichten, weichen, duftenden Teppich bildet. Ihm folgen die Apostel, die Marien, Marta und Lazarus mit der Hausgemeinschaft, Isaak mit den Jüngern und, könnte man sagen, ganz Betanien. Unter den Bediensteten befinden sich auch der Greis und die Frau, die beiden, die auf dem Berg der Seligkeiten Trost für ihre Tage gefunden haben. Jesus bleibt stehen, um den Patriarchen zu segnen, der ihm weinend die Hand küßt und das Kind streichelt, dass an der Seite Jesu geht, und ihm sagt: »Glücklich bist du, der du ihm folgen darfst! Sei brav und sei aufmerksam, Sohn! Du hast ein großes Glück, ein großes Glück! Über deinem Haupt schwebt eine Krone. Oh, du Glücklicher!« Als alle Platz genommen haben, beginnt Jesus zu reden: »Die armen Freunde sind abgereist. Sie hatten es so nötig, in der Hoffnung, ja in der Gewissheit bestärkt zu werden; ein kleines Wissen genügt, um in das Reich aufgenommen zu werden; es genügt ein Mindestmaß an Wahrheit, auf welcher der gute Wille aufbauen kann. Nun spreche ich zu euch, die ihr viel weniger unglücklich seid, da es euch materiell besser geht und ihr eine größere Hilfe vom Wort erhaltet. Meine Liebe erreicht sie nur in Gedanken. Euch erreicht meine Liebe auch mit dem Wort. Daher werdet ihr im Himmel und auf Erden mit größerer Strenge behandelt; denn, wem viel gegeben wurde, von dem wird auch viel verlangt. Sie, die armen Freunde, die in ihre Galeere zurückkehren, können nur ein Minimum Gutes haben; und sie haben dagegen ein Maximum an Leid. Ihnen gilt daher nur das Versprechen des Wohlwollens, denn alles andere wäre überflüssig. Wahrlich, ich sage euch, ihr Leben ist Buße und Heiligkeit, und mehr darf ihnen nicht zugemutet werden. Und in Wahrheit sage ich euch, dass sie wie die klugen Jungfrauen ihre Lampen bis zur Stunde der Abberufung nicht erlöschen lassen. Erlöschen lassen? Nein! Ihr ganzes Gut ist dieses Licht. Sie können es nicht erlöschen lassen. Wahrlich, ich sage euch, so wie ich im Vater bin, so sind die Armen in Gott, und darum wollte ich, dass Wort des Vaters, arm geboren werden und arm bleiben. Denn unter den Armen fühle ich mich dem Vater näher, der die Armen liebt und von diesen mit ihrer ganzen Kraft geliebt wird. Die Reichen haben viele Dinge. Die Armen haben nur Gott. Die Reichen haben Freunde. Die Armen sind allein. Die Reichen haben vielen Trost. Die Armen haben keinen Trost. Die Reichen haben Vergnügen. Die Armen haben nur ihre Arbeit. Für die Reichen wird alles durch das Geld erleichtert. Die Armen haben das Kreuz der Angst vor Krankheit und Mißernten; denn diese bedeuten für sie Hunger und Tod. Aber die Armen haben Gott als ihren Freund und Tröster. Er ist es, der sie ablenkt von ihrer betrüblichen Gegenwart durch himmlische Hoffnungen. Er ist es, zu dem sie sagen können, und sie tun es auch, weil sie arm, demütig und allein sind: „Vater, steh uns mit deiner Barmherzigkeit bei.“  Was ich hier auf dem Besitz des Lazarus, meines und des Freundes Gottes sage, kann eigenartig klingen, da Lazarus sehr reich ist. Doch Lazarus ist eine Ausnahme unter den Reichen; denn Lazarus hat die Tugend erreicht, die am seltensten auf Erden zu finden ist und noch seltener nach Anweisung anderer ausgeübt werden kann: die Tugend der Freiheit vom Reichtum. Lazarus ist gerecht. Er fühlt sich jetzt nicht beleidigt. Man kann ihn nicht beleidigen, denn er weiß, dass er der Reiche-Arme ist und mein verdeckter rügender Vorwurf nicht ihm gilt. Lazarus ist gerecht. Er anerkennt, dass es in der Welt der Großen so ist, wie ich sage. Daher spreche ich und sage: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, leichter gelangt ein Armer zu Gott als ein Reicher, und im Himmel meines und eures Vaters werden viele Sitze von denen besetzt sein, die auf Erden verachtet wurden, weil sie geringer als der Staub waren, der zertreten wird. Die Armen bewahren in ihren Herzen die Perlen der Worte Gottes. Sie sind ihr einziger Schatz. Wer nur einen Schatz hat, der wacht darüber. Wer viele hat, langweilt sich und ist zerstreut, ist hochmütig und sinnlich. Daher bewundert er nicht mit demütigen und verliebten Augen den Schatz, den Gott ihm gegeben hat. Er mischt ihn unter andere Dinge, die nur scheinbar wertvoll sind, Schätze, die den Reichtum der Erde bilden, und denkt dabei: „Es ist eine Herablassung meinerseits, wenn ich die Worte von einem annehme, der mir dem Fleische nach gleich ist.“ Er stumpft seine Fähigkeit, dass zu kosten, was übernatürlich ist, mit dem starken Geruch der Sinnlichkeit ab. Starke Gerüche! Ja, sehr gewürzte; um den Gestank und Verwesungsgeruch zu überdecken. Aber hört, und ihr werdet besser verstehen, warum Reichtümer und Schwelgereien den Eintritt ins Himmelreich versperren. Ein König bereitete die Hochzeit seines Sohnes vor. Ihr könnt euch vorstellen, was das für ein Fest im Königreich war. Er war sein einziger Sohn, und da er das richtige Alter erreicht hatte, heiratete er seine Auserwählte. Der Vater und König wollte, dass die Freude seines Sohnes, der endlich Bräutigam seiner Vielgeliebten war, nur von Freude umgeben sei. Zu den vielen Feiern gehörte auch ein großes Festmahl. Er ließ es gut vorbereiten und überwachte selbst alle Einzelheiten, damit es herrlich und des Königssohnes würdig werde. Er sandte auch rechtzeitig seine Diener aus, um Freunde, Verbündete und auch die Vornehmen seines Reiches zu unterrichten, dass die Hochzeit an einem festgelegten Tag stattfinde; dass sie eingeladen seien und kommen sollten, um einen würdigen Hof für den Sohn zu bilden. Aber die Freunde, die Verbündeten und die Vornehmen des Reiches nahmen die Einladung nicht an. Der König, der im Zweifel darüber war, dass die ersten Diener bestimmt genug gesprochen hatten, sandte noch andere aus, die sagen sollten: „Aber kommt doch! Wir bitten euch! Alles ist vorbereitet! Die Tafel ist gedeckt, kostbare Weine sind von überall her gebracht worden; in der Küche ist schon das Fleisch der Rinder und gemästeten Tiere aufgehäuft, um gebraten zu werden; Sklaven kneten den Teig für Süßwaren, andere zerstoßen in den Mörsern die Mandeln, um daraus feinste Leckereien zu backen, in die sie auserlesenste Aromen mischen. Die besten Tänzerinnen und Musiker sind für das Fest bestellt. Kommt also, damit all dieser Aufwand nicht vergeblich sei.“ Aber die Freunde, die Verbündeten und die Großen im Reich lehnten entweder ab oder sagten: „Wir haben anderes zu tun.“ Einige taten so, als ob sie die Einladung annähmen, gingen dann aber ihren Geschäften nach, die einen auf dem Feld, die anderen im Handel, wieder andere auf weniger edlen Gebieten. Verärgerte nahmen sogar wegen des vielen Drängens den Diener fest und töteten ihn, um ihn zum Schweigen zu bringen, da er erklärt hatte: „Verweigere dem König diese Bitte nicht, denn es könnte dir zum Schaden gereichen!“ Die Diener kehrten zum König zurück und berichteten ihm alles. Der König wurde von Zorn erfüllt und sandte seine Soldaten aus, um die Mörder seiner Diener zu bestrafen und auch jene, die seine Einladung abgeschlagen hatten; und er nahm sich vor, jene zu belohnen, die zu kommen versprochen hatten. Aber am Abend des Festes, zur festgelegten Stunde, erschien kein einziger von allen. Der erzürnte König rief seine Diener und sagte: „Es darf nicht geschehen, dass mein Sohn an diesem Hochzeitsabend von niemand gefeiert wird. Das Hochzeitsmahl ist bereit, aber die Eingeladenen sind dessen nicht wert. Das Hochzeitsmahl meines Sohnes muss jedoch stattfinden. Geht daher auf die Straßen, stellt euch an die Wegkreuzungen, haltet die Vorübergehenden auf, versammelt die Rastenden und bringt sie hierher, damit der Saal voll werde mit feiernden Menschen.“ Die Diener gingen hinaus auf die Straßen, verstreuten sich auf die Plätze, stellten sich an die Wegkreuzungen und versammelten alle, die sie finden konnten, Gute und Böse, Reiche und Arme. Sie brachten sie zum königlichen Palast und gaben ihnen das Nötige, um würdig im Saale des Hochzeitsmahles erscheinen zu können. Dann führten sie alle hin, und der Saal füllte sich, wie der König es gewünscht hatte, mit fröhlichen Menschen. Doch als der König den Saal betrat, um nachzusehen, ob das Fest beginnen könne, sah er einen, der, ungeachtet der von den Dienern geleisteten Hilfe, kein Festkleid trug. Er fragte ihn: „Warum bist du ohne Festkleid hereingekommen?“ Doch jener wußte nichts zu antworten, denn es gab keine Entschuldigungsgründe. Da rief der König die Diener herbei und sagte zu ihnen: „Nehmt diesen, bindet ihn an Händen und Füßen und werft ihn hinaus aus meinem Haus in die Finsternis und den eisigen Schlamm. Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen, wie er es verdient hat aufgrund seines Undankes und der mir zugefügten Beleidigung. Mehr noch als mich hat er meinen Sohn beleidigt, da er in ärmlichen, schmutzigen Kleidern den Festsaal betreten hat, in den niemand eintreten darf, der dessen und meines Sohnes nicht würdig ist.“ Ihr seht also, dass die Interessen der Welt, der Geiz, die Sinnlichkeit und Grausamkeit den Zorn des Königs erwecken und den Menschen, die sich den Angelegenheiten der Welt widmen, den Eintritt in den königlichen Palast versperren. Und ihr seht, dass auch unter denen einer bestraft wird, die im Hinblick auf seinen Sohn gerufen worden sind. Wie vielen auf dieser Welt hat Gott bis zum heutigen Tag sein Wort gesandt! Die Verbündeten, die Freunde, die Großen seines Volkes hat Gott wirklich durch seine Diener eingeladen, und er wird sie immer dringender einladen, je näher die Stunde der Hochzeit rückt. Aber sie werden die Einladung nicht annehmen, denn sie sind falsche Verbündete, falsche Freunde und nur dem Namen nach Große; denn Niederträchtigkeit steckt in ihnen.« Jesus läßt seine Stimme immer mehr anschwellen; seine Augen sind wahre Lichtbündel im Schein des Feuers, das für ihn und seine Zuhörer angezündet worden ist, um den Abend zu erhellen, da der im letzten Viertel stehende Mond erst spät aufgeht. »Ja, Niederträchtigkeit steckt in ihnen, und daher verstehen sie nicht, dass es eine Pflicht und eine Ehre für sie ist, der Einladung des Königs zu folgen. Hochmut, Härte und Fleischeslust bilden ein Bollwerk in ihren Herzen. Und – Unglückliche, die sie sind! – sie hassen mich und wollen daher nicht zur Hochzeit kommen. Sie wollen nicht kommen. Sie ziehen der Hochzeit schmutzige Verbindungen mit der Politik, schmieriges Geld und schmutzigste Sinnenlust vor. Sie ziehen die schmählichen Berechnungen, Verschwörungen, heimtückischen Verschwörungen, die Täuschung und das Verbrechen vor. Dies alles verurteile ich im Namen Gottes. Und gerade deshalb haßt man die Stimme, die spricht, und die Feste, zu welchen sie einlädt. In diesem Volk werden Henker der Diener Gottes, der Propheten gesucht. Die Propheten waren die Diener Gottes bis jetzt; meine Jünger sind die Diener von jetzt an. In diesem Volk werden Spötter Gottes gesucht, die sagen: „Ja, wir kommen“, während sie im Innern denken: „Nie und nimmer.“ Das geschieht in Israel. Damit der Sohn eine würdige Hochzeitsfeier habe, schickt der König des Himmels seine Diener an die Wegkreuzungen, um jene einzuladen, die keine Freunde, keine Vornehmen und keine Verbündeten sind, sondern einfaches, vorüberziehendes Volk. Durch meine Hand, die Hand des Sohnes und Dieners Gottes, ist schon mit der Ernte begonnenworden.

Wer es auch sein mag, kann kommen . . . Es sind ihrer schon gekommen. Ich helfe ihnen, sich rein und schön für das Hochzeitsfest zu machen. Aber es sind Menschen darunter, die zu ihrem Unglück von der Hochherzigkeit Gottes Wohlgerüche und königliche Gewänder annehmen, um sich selbst erscheinen zu lassen, was sie nicht sind: als reich und würdig; sie mißbrauchen die Güte, um in unwürdiger Weise zu verführen und zu verdienen . . . Individuen mit niederträchtiger Seele in den Fängen des abstoßenden Polyps der Laster. Sie unterschlagen wohlriechende Essenzen und Gewänder, um unerlaubten Gewinn daraus zu ziehen und sie nicht für die Hochzeit des Königssohnes, sondern für ihre Hochzeit mit dem Satan zu verwenden. Dies alles wird geschehen, denn viele sind berufen, aber nur wenige, die in der Berufung auszuharren verstehen, auserwählt. Es wird aber auch geschehen, dass diese Hyänen, die das Aas der lebendigen Nahrung vorziehen, zur Strafe aus dem Festsaal in die Finsternis des ewigen Sumpfes geworfen werden, in welchem Satan bei jedem Sieg über eine Seele sein schreckliches Gelächter ausstößt, und in dem auf ewig das Klagen der Verzweiflung der Törichten ertönt, die dem Bösen folgten statt der Güte, die sie gerufen hatte. Erhebt euch und laßt uns zur Ruhe gehen. Ich segne euch alle, ihr Bewohner von Betanien, alle. Ich segne euch und schenke euch meinen Frieden.«