27.08.2016

DAS GLEICHNIS VOM ANVERTRAUTEN GELD 

nach Maria Valtorta

Jesus fährt in Ruhe fort, in einem Gleichnis seine Gedanken darzulegen:

»Ein Mann, der die Absicht hatte, eine weite Reise zu unternehmen, die eine längere Abwesenheit erforderte, rief alle seine Diener zusammen und übergab ihnen alle seine Güter. Dem einen gab er

fünf Silbertalente, dem anderen zwei Silbertalente und einem dritten ein Goldtalent, einem jeden nach seinem Rang und seiner Tüchtigkeit. Dann reiste er ab.

Der Diener, der fünf Talente Silber erhalten hatte, handelte geschickt, und nach einiger Zeit brachten sie ihm fünf weitere Talente ein. Der Diener mit den zwei Silbertalenten tat dasselbe und verdoppelte die erhaltene Summe. Der aber, dem der Herr am meisten gegeben hatte, ein Talent aus echtem Gold, nahm es und machte aus Furcht vor seiner eigenen Unfähigkeit, vor Dieben und vor tausend anderen eingebildeten Dingen und vor allem aus Trägheit eine große Grube in die Erde und verbarg darin das Geld seines Herrn.

Viele, viele Monate gingen vorüber, und schließlich kehrte der Herr zurück. Er rief sofort seine Diener zu sich, damit sie Rechenschaft über das ihnen übergebene Geld ablegten. Es kam der, der

die fünf Silbertalente erhalten hatte, und sagte: „Hier, mein Herr. Du hast mir fünf Talente gegeben. Es schien mir nicht recht, das von dir erhaltene Geld einfach liegen zu lassen. Ich habe mich um-

getan und dir weitere fünf Talente dazuverdient. Mehr vermochte ich nicht . . . „

„Gut, sehr gut, du guter und getreuer Knecht. Du bist im kleinen treu, willig und ehrlich gewesen. Ich will dich über viele meiner Güter setzen. Nimm teil an der Freude deines Herrn!“

Dann kam der andere, der zwei Talente erhalten hatte, und sagte: „Ich habe mir erlaubt, dein Geld zu deinem Nutzen zu gebrauchen. Hier sind die Abrechnungen, die dir zeigen, wie ich dein Geld ver-

wendet habe. Siehst du? Es waren zwei Silbertalente. Nun sind es vier. Bist du zufrieden, mein Herr?“ Und der Herr gab diesem guten Knecht die gleiche Antwort, die er dem ersten gegeben hatte.

Zuletzt kam auch der, der das größte Vertrauen des Herrn genossen und von ihm ein Goldtalent erhalten hatte. Er nahm es aus seinem Kästchen und sagte: „Du hast mir am meisten anvertraut, denn du weißt, dass ich klug und treu bin, so wie ich weiß, dass du anspruchsvoll und streng bist und keine Verluste duldest und, wenn dir Unglück zustößt, dich an dem rächst, der dir am nächsten steht. Du erntest, wo du nicht gesät hast, sammelst in Wahrheit ein, wo du nicht ausgestreut hast. Du läßt deinem Bankier oder deinem Verwalter keinen Pfennig nach, in keinem Fall. Du willst das Geld, das du geforderst hast. So habe ich aus Furcht, deinen Besitz zu vermindern, das Geld genommen und es versteckt. Niemandem habe ich vertraut, nicht einmal mir selbst. Jetzt habe ich es ausgegraben und gebe es dir zurück! Hier ist dein Talent.“

„Oh, du schlechter, fauler Knecht! Du hast mich wahrlich nicht geliebt, denn du hast mich nicht gekannt und hast nicht danach getrachtet, einen Gewinn mit dem dir anvertrauten Geld zu machen.

Du hast das Vertrauen, das ich dir geschenkt habe, verraten und dich selbst Lügen gestraft, dich selbst angeklagt und verurteilt. Du hast gewußt, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, dass ich sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Warum hast du nicht dafür gesorgt, dass ich einsammeln und ernten kann? So antwortest du auf mein Vertrauen? So wenig kennst du mich? Warum hast du das Geld nicht einem Bankier gebracht? Dann hätte ich es bei meiner Rückkehr wenigstens mit Zinsen abheben können. Ich selbst hatte dich mit besonderer Sorgfalt darin unterwiesen, und du, törichter Müßiggänger, hast nichts getan. Es seien dir daher das Talent und alle deine anderen Güter genommen. Sie sollen dem gegeben werden, der die zehn Talente hat.“

„Aber er hat doch schon zehn, während dem anderen nichts mehr bleibt . . . „ entgegnete man ihm.

„So ist es recht. Wer ein Kapital hat und es arbeiten läßt, demwird noch mehr gegeben werden, im Überfluß. Aber wer nichts hat, eil er nichts haben wollte, dem wird auch das noch genommen,

was ihm gegeben wurde. Der unnütze Knecht, der mein Vertrauen mißbraucht und die ihm verliehenen Gaben nicht benützt, soll aus meinem Besitztum entfernt werden und weinend und sich in seinem Herzen anklagend seines Weges ziehen.“

Dies ist das Gleichnis. Wie du siehst, o Rabbi, ist dem, der am meisten hatte, am wenigsten geblieben, weil er die Gabe Gottes nicht zu benützen verstand. Es ist nicht gesagt, dass nicht einer von denen, die nur dem Namen nach Jünger sind oder mir nur zufällig zuhören und die als einzige Münze ihre Seele haben, das Goldtalent und auch die Zinsen dafür erhalten kann, die einem der am meisten Begünstigten weggenommen werden. Zahllos sind die Überraschungen des Herrn, denn unberechenbar sind die Reaktionen der Menschen. Ihr werdet sehen, dass Heiden zum ewigen Leben gelangen und Samariter den Himmel besitzen; und ihr werdet sehen, wie reine Israeliten und selbst einige meiner Nachfolger den Himmel und das ewige Leben verlieren.«