30.05.2016

DAS GLEICHNIS VON DEN BÖSEN WINZERN

nach Maria Valtorta

Sie betreten die Stadt und gehen zum Tempel hinauf. Nachdem Jesus den Herrn angebetet hat, geht er in den Hof, in dem die Rabbis ihren Unterricht erteilen.

Die Leute umdrängen ihn, und eine Mutter, die aus Citium gekommen ist, zeigt ihm ein Kind, das, wie ich glaube, durch eine Krankheit erblindet sein muss. Seine Augen sind weiß wie bei einem grauen Star oder etwas Ähnlichem.

Jesus heilt das Kind, indem er ihm mit den Fingern über die Augen streicht. Dann beginnt er sofort zu reden:

«Ein Mann kaufte Land und legte einen Weinberg an. Er baute ein Haus für die Weingärtner, einen Turm für die Wächter, Keller und eine Kelter zum Pressen der Trauben und übergab alles den Pächtern, denen er vertraute. Dann reiste er weit fort.

Als die Zeit kam, da die Weingärten Frucht tragen sollten, da die Reben genügend gewachsen waren, sandte der Herr des Weinberges seine Diener zu den Weingärtnern, um den Ertrag der Ernte abzuholen. Aber die Winzer überfielen diese Diener, verprügelten die einen und steinigten die anderen mit großen Steinen. Viele wurden verletzt und einige sogar getötet. Jene, die lebend zu ihrem Herrn zurückkehren konnten, erzählten ihm, was geschehen war. Der Herr ließ ihre Wunden behandeln und tröstete sie. Dann schickte er noch einmal eine größere Anzahl. Und die Winzer machten es mit diesen genauso wie mit den ersten.

Darauf sagte der Herr des Weinberges: „Nun werde ich meinen Sohn zu ihnen senden. Vor meinem Erben werden sie doch Achtung haben.“

Aber als die Weingärtner ihn kommen sahen und erfuhren, dass er der Erbe war, riefen sie einander zu und sagten: „Kommt, wir wollen uns zusammentun, um viele zu sein. Schleppen wir ihn hinaus an einen weit entfernten Ort und töten wir ihn. Dann gehört sein Erbe uns.“ Sie empfingen ihn mit vorgetäuschten Ehren, umringten ihn, als ob sie ihn feiern wollten, fesselten ihn, nachdem sie ihn geküßt hatten, schlugen ihn und schleppten ihn spottend zur Richtstätte, wo sie ihn töteten.

Nun sagt mir: Was wird der Vater und Herr tun, wenn er eines Tages bemerkt, dass sein Sohn, der Erbe seines Besitzes, nicht zurückkehrt? Wenn er entdeckt, dass seine Winzer zu Mördern seines Sohnes geworden sind? Die Winzer, denen er sein fruchtbares Land überlassen hat, damit sie es in seinem Namen bestellen, in den Genuß seines Ertrages gelangen und ihrem Herrn den gerechten Anteil davon abgeben.» Jesus blitzt mit seinen wie Sonnen flammenden Saphiraugen die um ihn Versammelten an, und besonders die Gruppen der einflußreicheren Juden, der Pharisäer und der Schriftgelehrten in der Menge. Niemand spricht.

«Antwortet! Wenigstens ihr, Lehrer Israels, sagt ein Wort der Gerechtigkeit, damit sich das Volk von der Gerechtigkeit überzeugt. Ich würde eurer Meinung nach nicht das richtige Wort sagen. So redet also ihr, damit das Volk nicht im Irrtum bleibt.»

Die Schriftgelehrten antworten nun gezwungenermaßen so: «Er wird die Frevler schwer bestrafen, sie auf grausame Art töten und den Weinberg anderen Winzern geben, die ihn gewissenhaft verwalten und dem Eigentümer seinen Anteil abliefern.»

«Ihr habt gut gesprochen. So steht es in der Schrift: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Durch den Herrn ist dies geschehen: ein Wunder vor unseren Augen.“ Weil dies geschrieben steht und ihr es wißt und für gerecht haltet, dass die Mörder des Sohnes und Erben streng bestraft werden und der Weinberg anderen Winzern übergeben wird, die ihn gewissenhaft bebauen, sage ich euch: „Das Reich Gottes wird euch genommen und einem Volk gegeben werden, dass seine Früchte bringt. Und jeder, der gegen diesen Stein fällt, wird zerschmettert werden; auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen.“»

Die Oberen der Priester, die Pharisäer und die Schriftgelehrten reagieren mit heroischer Selbstbeherrschung. Soviel bringt der Wille, einen Zweck zu erreichen, fertig! Um geringer Dinge willen haben sie ihn oft angefeindet, und heute, da ihnen der Herr Jesus offen sagt, dass ihnen die Macht genommen werden wird, schmähen sie ihn nicht, greifen ihn nicht an, bedrohen ihn nicht, sondern spielen die geduldigen Lämmer und verbergen ihr unverbesserliches Wolfsherz scheinheilig unter dem Pelz der Sanftmut.