02.07.2016

DER BESUCH MARIAS BEI ELISABETH

nach Maria Valtorta

Ankunft im Haus des Zacharias

Ich befinde mich in einer bergigen Gegend. Es sind keine hohen Berge, aber auch nicht mehr Hügel. Es gibt da Gipfel und Schluchten,

wie im echten Gebirge, wie in unserem toskanisch-umbrischen Apennin. Die Vegetation ist üppig und prachtvoll, und es ist reichlich frisches Wasser vorhanden, dass die Weiden und die gepflegten Obstgärten grün erhält. In der Nähe der Häuser gibt es auch Reben.

Es muss Frühling sein, denn die Trauben sind schon groß wie Wickenkörner. Die Äpfel haben schon die Blüten verloren und grüne Kügelchen angesetzt, und an den Spitzen der Feigenäste werden schon die ersten kleinen Früchte sichtbar. Die Wiesen gleichen einem weichen, tausendfarbigen Teppich. Auf ihnen weiden die Herden, weiße Flecken auf dem grünen Smaragd des Grases.

Maria reitet auf ihrem Eselchen auf einem ziemlich guten Weg, der wohl die Hauptstraße des Ortes ist; die Ortschaft, die ganz ansehnlich zu sein scheint, liegt auf einer Anhöhe. Meine übliche innere Stimme sagt mir, dass dieser Ort Hebron sei. An einer Kreuzung steht auf einem Stein geschrieben: Hebron. Man sprach mir von „Montana“. Aber ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll.

Mir wird dieser Name angegeben. Ich weiß nicht, ob Hebron die ganze Gegend bedeutet oder nur der Name der Ortschaft ist.

Jetzt kommt Maria in das Dorf. Frauen unter den Türen – es ist gegen Abend – bemerken die Ankunft der Fremden und machen sich gegenseitig darauf aufmerksam. Sie folgen ihr mit den Blicken und haben keine Ruhe, bis sie sehen, dass sie vor einem der schönsten Häuser mitten in der Ortschaft anhält. Vor dem Haus befindet sich ein Garten. Dahinter und ringsum sind gut gepflegte Obstbäume. Weiter hinten liegt eine weite Wiese, die, der Gebirgsformation folgend, steigt und fällt; sie endet schließlich an einem Wald mit hohen Bäumen, die den weiteren Blick versperren. Der ganze Bereich ist eingezäunt von Maulbeerbäumen und wilden Rosensträuchern.

Ich kann nicht gut unterscheiden, was sie tragen; da die Blüten und Blätter der dornigen Sträucher sich sehr ähnlich sehen, kann man sich, solange keine Früchte auf den Zweigen sichtbar sind, leicht täuschen. Vor dem Haus, also auf der dem Dorf zugewandten Seite, ist der Platz mit einem weißen Gemäuer umgeben, auf dem sich echte Rosenstöcke befinden, zwar ohne Blüten, aber voller Knospen.

In der Mitte ein geschlossenes Eisengitter. Man sieht sofort, dass dieses Haus einem Vornehmen des Ortes oder jedenfalls wohlhabenden Leuten gehört, denn alles zeugt, wenn nicht von ausgesprochenem Reichtum, so doch von einer gewissen Wohlhabenheit. Alles ist in guter Ordnung.

Maria steigt vom Esel und nähert sich dem Gitter. Sie schaut durch die Eisenstangen, sieht aber niemanden. So sucht sie, sich bemerkbar zu machen. Ein Frauchen, neugieriger als alle übrigen, ist ihr gefolgt und weist sie hin auf einen eigenartigen Gegenstand, der als Glocke dient. Es sind zwei Metallstücke an einer Achse. Wenn man die Achse mittels einer Kordel bewegt, schlagen sie aneinander und erzeugen einen Klang wie den einer Glocke oder eines Gongs.

Maria zieht an der Kordel, aber so sanft, dass niemand auf das zarte Klingeln aufmerksam wird. Da kommt die kleine Alte mit ihrer großen Nase, dem vorstehenden Kinn und dazwischen einem Mundwerk für zehn, greift nach der Kordel und zieht und zieht. Sie läutet, als wolle sie einen Toten erwecken. »So muss man ziehen! Wie wollen Sie sich sonst bemerkbar machen? Wissen Sie, Elisabet ist alt, ebenso Zacharias. Dazu ist er auch noch stumm und taub. Auch die beiden Diener sind alt; das müssen Sie wissen. Sind Sie niemals hier gewesen? Kennen Sie Zacharias? Sind Sie . . . «

Vor einem Redeschwall und einer Flut von Fragen wird Maria durch einen herbeihinkenden Alten gerettet, der wohl Gärtner oder Bauer ist, denn er hält ein Rebenmesser in der Hand und trägt an der Seite eine Hippe. Er öffnet, und Maria tritt ein, dankt dem Frauchen, aber . . . oh weh, sie beantwortet die Frage nicht. Welch eine Enttäuschung für die Neugierige!

Kaum eingetreten, sagt Maria: »Ich bin Maria, die Tochter des Joachim und der Anna aus Nazaret, eine Nichte eurer Herren.«

Der Alte verneigt sich, grüßt und ruft alsdann: »Sara! Sara!« Dann öffnet er das Gitter, um das Eselchen hereinzulassen, dass draußen geblieben war; denn Maria war, um sich von der aufdringlichen Frau zu befreien, schnell eingetreten, und der Gärtner hatte ebenso schnell das Gitter vor der Nase der Alten geschlossen. Und während er den Esel hereinführt, sagt er: »Ah! Ein großes Glück und ein großes Unglück sind über dieses Haus gekommen. Der Himmel hat der Unfruchtbaren einen Sohn geschenkt, und der Allerhöchste sei dafür gebenedeit! Aber Zacharias ist vor sieben Monaten ungefähr stumm von Jerusalem zurückgekehrt. Er macht sich verständlich durch Zeichen oder schriftlich. Habt ihr das vielleicht schon gewußt? Meine Herrin hat sich so sehr nach dir gesehnt in dieser Freude und in dieser Mühsal. Immer wieder hat sie mit Sara von euch gesprochen und gesagt: „Hätte ich doch meine kleine Maria bei mir! Wäre sie doch noch im Tempel! Ich hätte Zacharias geschickt, um sie holen zu lassen. Aber nun hat der Herr gewollt, dass sie die Braut Josefs von Nazaret werde. Sie allein könnte mir in dieser Mühsal Trost sein und mir helfen, zu Gott zu beten; denn sie ist so gut.

Und im Tempel wird sie vermißt. Als ich am vergangenen Festtag mit Zacharias nach Jerusalem ging, um Gott dafür zu danken, dass er mir einen Sohn gegeben hat, hörte ich ihre Lehrerin sagen: ‚Der Tempel scheint die Kerubim der Herrlichkeit Gottes verloren zu haben, seit die Stimme Marias nicht mehr in seinen Mauern erklingt‘.“

Sara! Sara! Meine Frau ist etwas schwerhörig. Aber komm, komm, ich werde dich führen.«

Anstelle Saras erscheint oben an der Treppe an der Hausseite eine sehr betagte Frau voller Runzeln und mit sehr ergrautem Haar, dass früher wohl tiefschwarz gewesen sein muss; denn sie hat noch schwarze Wimpern und Augenbrauen. Einen eigenartigen Kontrast zu ihrem offenbaren Alter bildet die trotz des weiten Gewandes sichtbare Schwangerschaft. Sie blickt nach unten, indem sie die Hand zum Schutz gegen die Sonne vor die Augen hält. Da erkennt sie Maria, hebt ihre Arme mit einem freudigen und erstaunten Ausruf zum Himmel und eilt, so gut sie kann, Maria entgegen. Auch Maria, die sonst in ihren Bewegungen immer ruhig ist, läuft nun schnell wie ein junges Reh und erreicht den Treppenabsatz gleichzeitig mit Elisabet. Maria umarmt mit lebhafter Herzlichkeit ihre Base, die bei ihrem Anblick Freudentränen weint.

Sie bleiben einen Augenblick umschlungen, dann löst sich Elisabet von der Umarmung mit einem: »Ah!«, einem Gemisch von Schmerz und Freude, und legt die Hände auf ihren schwangeren Mutterschoß. Sie neigt ihr Antlitz, dass abwechselnd erbleicht und errötet. Maria und der Diener strecken ihre Hände aus, um sie zu stützen, denn sie wankt, als fühle sie sich übel. Aber nachdem sie eine Weile wie in sich gesammelt geblieben ist, erhebt sie ihr Gesicht so strahlend, dass sie ganz verjüngt erscheint; lächelnd und mit einer Ehrfurcht, als erblicke sie einen Engel, verneigt sie sich tief und sagt: »Du bist gebenedeit unter den Frauen! Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes! Wie habe ich es verdient, dass zu mir, deiner Dienerin, die Mutter meines Herrn kommt? Sieh: beim Ton deiner Stimme jubelte das Knäblein in meinem Schoß, und als ich dich umarmte, hat der Geist des Herrn erhabene Wahrheiten zu meinem Herzen gesprochen.

Selig bist du, weil du geglaubt hast, dass bei Gott auch das möglich sei, was dem menschlichen Verstand unmöglich erscheint!

Gebenedeit bist du, denn durch deinen Glauben läßt du die Verheißungen in Erfüllung gehen, die der Herr dir gegeben und die von den Propheten für diese Zeit vorausgesagt worden sind! Gebenedeit bist du, weil du den Nachkommen Jakobs das Heil gebären wirst!

Gebenedeit bist du, weil du meinem Sohn die Heiligkeit gebracht hast; denn ich fühle, dass er aufhüpft wie ein fröhliches Zicklein in meinem Schoß; denn er fühlt sich befreit von der Last der Schuld und dazu berufen, der Vorläufer zu sein, der geheiligt ist vor der Erlösung durch den Heiligen, der in dir heranwächst!«

Maria ruft nun unter Tränen, die wie Perlen aus den Augen zum lächelnden Mund herabfließen, und mit zum Himmel erhobenem Blick und Händen, in einer Körperhaltung, die später so oft ihr Jesus annehmen wird: »Hochpreise meine Seele den Herrn«, und fährt fort mit dem Lobgesang, so wie er uns überliefert ist. Zum Schluß, beim Vers: »Er hat sich Israels, seines Knechtes angenommen usw.«, kreuzt sie die Hände über der Brust und verneigt sich bis zu Erde, in die Anbetung Gottes versunken.

Der Diener, der sich klugerweise entfernt hatte, als er sah, dass Elisabet keine Übelkeit befallen hatte, sondern dass sie ihre Gedanken Maria anvertrauen wollte, kehrt nun aus dem Baumgarten zurück mit einem ehrwürdigen Alten mit schneeweißem Bart und weißen Haaren, der mit großen Gesten und stammelnden Kehllauten von weitem Maria begrüßt.

»Zacharias kommt«, sagt Elisabet und berührt die ins Gebet versunkene Jungfrau an der Schulter. »Mein Zacharias ist stumm. Gott hat ihn gestraft, weil er nicht geglaubt hat. Ich werde dir später davon erzählen. Aber nun hoffe ich, dass Gott ihm verzeihen wird, da du gekommen bist, du Gnadenvolle!«

Maria erhebt sich, geht Zacharias entgegen, verbeugt sich tief vor ihm und küßt den Saum seines weißen Gewandes, dass bis zum Boden reicht. Es ist sehr weit, dieses Gewand, und wird von einem gestickten Band an den Hüften zusammengehalten.

Zacharias äußert mit Zeichen seinen Willkommensgruß, und gemeinsam mit Elisabet treten sie in ein schön eingerichtetes Gemach ein. Dort laden sie Maria ein, sich niederzusetzen, und lassen ihr eine Tasse frisch gemolkener, noch schäumender Milch und kleines Backwerk reichen.

Elisabet gibt der Dienerin, die schließlich gekommen ist, Anordnungen.

Diese hat Mehl an den Händen und in den Haaren, die ohnehin schon weiß sind und so noch weißer erscheinen. Sie ist wohl mit dem Backen beschäftigt. Den Diener, den sie Samuel nennt, beauftragt sie, dass Gepäck Marias in eine bestimmte Kammer zu tragen: alles Pflichten einer Hausherrin ihrem Gast gegenüber.

Inzwischen beantwortet Maria die Frage, die Zacharias mit einem Stift auf eine Wachstafel geschrieben hat. Aus den Antworten entnehme ich, dass er sich über Josef erkundigt und über die Verlobung mit ihm. Es wird mir auch klar, dass Zacharias kein übernatürliches Licht über den Zustand Marias und ihre Würde als Mutter des Messias erhalten hat. Erst Elisabet, die sich ihrem Mann nähert und ihm liebevoll eine Hand auf die Schulter legt, klärt ihn mit den Worten auf: »Auch Maria ist Mutter geworden. Freue dich über ihr Glück!«

Mehr sagt sie nicht. Sie schaut auf Maria, und Maria auf sie, ohne sie aufzufordern, mehr zu sagen; und so schweigt sie.

Eine schöne, überaus liebliche Vision! Sie nimmt mir die Bitterkeit, die mir geblieben war von Judas Selbstmord.

Gestern abend sah ich vor dem Einschlafen das Wehklagen Marias, die sich über den entseelten Leichnam des Erlösers auf dem Salbungsstein neigt. Sie war auf seiner rechten Seite mit dem Rücken gegen den Eingang der Grabesgrotte. Das Licht der Fackeln erhellte ihr Antlitz und ließ mich ihr armes, vom Schmerz verstörtes Antlitz sehen, dass in Tränen gebadet war. Sie nahm Jesu Hand, streichelte sie, erwärmte sie an ihren Wangen, küßte sie und streckte seine Finger . . . einen nach dem anderen küßte sie diese leblosen Finger. Dann liebkoste sie sein Antlitz und beugte sich, um den geöffneten Mund, die geschlossenen Augen und die verwundete Stirn zu küssen. Das rötliche Licht der Fackeln ließ die Wunden des gemarterten Körpers noch frischer, die Grausamkeit der erlittenen Qualen und die Wirklichkeit des Todes noch deutlicher erscheinen.

Und so blieb ich in Betrachtung, so lange mein Geist noch klar und wach war. Sodann, aufgewacht aus diesem Schlummerzustand, habe ich gebetet, mich beruhigt und zum Schlafen niedergelegt. Dann begann die oben beschriebene Vision. Aber die Mutter hat mir gesagt: »Bewege dich nicht, schau nur! Morgen kannst du schreiben.

« Im Schlaf habe ich dann alles durchgeträumt. Als ich um 6.30 Uhr aufwachte, habe ich alles von neuem gesehen wie am Vorabend und im Traum. Während ich schaute, habe ich geschrieben. Dann sind Sie gekommen, und ich konnte Sie fragen, ob ich hinzusetzen solle, was folgt. Es sind einzelne kleine Bilder über das Verbleiben Marias im Haus des Zacharias (2. April 1944).

Maria enthüllt Elisabet den Namen

Ich schlage die Augen auf; es scheint Morgen zu sein, Maria näht. Sie sitzt im Saal des Erdgeschosses. Elisabet geht im Haus geschäftig hin und her. Wenn sie hereinkommt, unterläßt sie es nie, Marias blondes Haupt liebevoll zu streicheln; bei den etwas dunklen Wänden und unter den Strahlen der hellen Sonne, die durch die zum Garten hin geöffnete Türe hereinströmen, erscheinen sie besonders auffallend blond.

Elisabet beugt sich über Maria, um ihre Arbeit zu sehen – es ist die Näharbeit, die sie in Nazaret begonnen hat – und lobt deren Schönheit.

»Ich habe auch Flachs zu spinnen«, sagt Maria.

»Für dein Kind?«

»Nein, ich hatte es schon, als ich noch nicht daran dachte . . . «

mehr sagt Maria nicht. Aber ich vermute: ». . . Als ich noch nicht daran dachte, dass ich Mutter Gottes werden soll.«

»Aber jetzt musst du es für ihn verwenden. Ist es schön? Fein? Die Kindlein, weißt du, bedürfen ganz weicher Linnen.«

»Ich weiß es.«

»Ich hatte angefangen . . . spät, denn ich wollte sicher sein, dass es nicht eine Täuschung des Bösen war. Obwohl ich . . . in mir eine so große Freude empfand, dass es nicht vom Satan kommen konnte.

Dann . . . habe ich soviel gelitten. Ich bin alt, Maria, für einen solchen Zustand. Ich habe viel gelitten. Leidest du nicht? . . . «

»Nein. Ich habe mich nie so wohl gefühlt.«

»Ja, eben! Du . . . In dir ist kein Makel, wenn Gott dich zu seiner Mutter erwählt. Deshalb bist du nicht den Schmerzen Evas unterworfen.

Der, den du trägst, ist heilig!«

»Mir kommt es vor, als trüge ich Flügel im Herzen und keine Last. Es kommt mir vor, als hätte ich in mir alle Blumen und alle Vögelein, die im Frühling singen, und allen Honig und die ganze Sonne . . . Oh! Ich bin glücklich!«

»Gesegnet bist du! Auch ich, seit ich dich gesehen habe, fühle keine Last mehr, weder Müdigkeit noch Schmerz. Ich komme mir vor wie neu, jung, befreit vom Elend meines fraulichen Fleisches. Als mein Kind glücklich aufhüpfte beim Ton deiner Stimme, ist es in seiner Freude ruhig geworden. Und es scheint mir, als trüge ich es in mir wie in einer lebendigen Wiege und als sähe ich es schlafen, gestillt und selig, atmend wie ein glücklicher Vogel unter dem Schutz der Flügel seiner Mutter . . . Jetzt will ich mich wieder an die Arbeit machen. Sie wird mir nicht mehr schwer. Ich sehe schlecht, aber . . . «

»Laß das, Elisabet! Ich will für dich und dein Kind spinnen und weben. Ich bin flink und sehe gut.«

»Aber du solltest an deines denken . . . «

»Oh! Ich habe noch viel Zeit dazu! . . . Zuerst denke ich an dich, da du bald den Kleinen haben wirst; dann werde ich an meinen Jesus denken.« Wie süß sind doch der Ausdruck und die Stimme Marias, wie erstrahlt ihr Auge im sanften, glücklichen Tränenglanz, und wie wunderbar ist ihr Lächeln beim Aussprechen dieses Namens, während sie aufschaut zum strahlend blauen Himmel; das geht über alle menschliche Vorstellungskraft. Sie scheint verzückt, beim bloßen Aussprechen des Namens: »Jesus.«

Elisabet sagt: »Welch ein schöner Name! Der Name des Gottessohnes, unseres Erlösers!«

»Oh, Elisabet!« Maria wird traurig, traurig und ergreift die Hände, die ihre Base über ihrem aufgewölbten Schoß hält. »Sage mir, die du bei meiner Ankunft vom Geist des Herrn erfüllt wurdest und das prophezeit hast, was der Welt unbekannt ist; sage mir, was muss mein Geschöpf tun, um die Welt zu retten? Die Propheten . . . Oh!

Was sagen die Propheten vom Erlöser? Jesaja . . . Erinnerst du dich an Jesaja? „Er ist der Mann der Schmerzen. Durch seine Wunden werden wir geheilt. Er ist durchbohrt und voller Wunden wegen unserer Sünden . . . Der Herr will ihn mit Leiden überhäufen . . . Nach seiner Verurteilung wird er erhöht“ [Jes 52,13–15; 53]. Von welcher Erhöhung spricht er? Sie nennen ihn Lamm, und ich denke . . . ich denke an das Osterlamm [Ex 12,1–28; Num 28,16–25; Dtn 16,1–8], an das mosaische Lamm; ich stelle es in Zusammenhang mit der von Mose am Kreuz erhöhten Schlange [Num 21,4–9; Weish 16,5–7; Joh 3,14–15]. Elisabet! . . . Elisabet! . . . Was werden sie meinem Sohn antun? Was wird er leiden müssen, um die Welt zu retten?« Maria weint.

Elisabet tröstet sie: »Maria, weine nicht! Er ist dein Sohn, aber er ist auch Sohn Gottes. Gott wird an seinen Sohn denken und auch an dich, die du seine Mutter bist. Und wenn auch noch so viele grausam mit ihm sind, so werden viele, viele ihn lieben. So viele! . . .

Durch alle Jahrhunderte hindurch! Die Welt wird hinschauen auf dein Kind und dich mit ihm lobpreisen. Dich, die Quelle, aus der die Erlösung kommt. Das Schicksal deines Sohnes! Erhöht zum König über die ganze Schöpfung! Bedenke dies, Maria! König: denn alles Erschaffene wird er erlösen, und daher wird er der König des Universums sein. Auch auf Erden, im Verlauf der Zeit, wird er geliebt werden. Mein Sohn wird dem deinigen vorausgehen, und er wird ihn lieben. Der Engel hat es dem Zacharias gesagt, und er hat es mir aufgeschrieben . . . Ach! Welch ein Schmerz, ihn stumm zu sehen, meinen Zacharias! Aber ich hoffe, dass bei der Geburt des Knaben auch der Vater befreit wird von seiner Züchtigung. Bete du, die du der Sitz der Macht Gottes und die Ursache der Freude der Welt bist! Um das zu erlangen, opfere ich, soweit es mir möglich ist, mein Kind dem Herrn: sein ist es wahrhaftig, denn er hat es seiner Dienerin geliehen, um ihr die Freude zu schenken, Mutter genannt zu werden. Das ist die Bezeugung dessen, was der Herr an mir getan.

Ich will ihn Johannes nennen (der Name Johannes bedeutet: Gott ist wohlgesinnt). Ist es vielleicht keine Gnade, mein Kind? Ist es nicht eine Gnade, die Gott mir zuteil hat werden lassen?«

»Und Gott, auch ich bin davon überzeugt, wird dir diese Gnade schenken. Ich werde darum beten . . . mit dir.«

»Es tut mir so weh, ihn stumm zu sehen! . . . « Elisabet weint.

»Wenn er schreibt, da er ja nicht mehr mit mir sprechen kann, dann scheint es mir, als seien Berge und Meere zwischen mir und meinem Zacharias. Nach vielen Jahren süßer Worte schweigt sein Mund nun.

Gerade jetzt, da es so schön wäre, über das zu sprechen, was kommen soll. Ich unterlasse es sogar zu reden, um nicht zusehen zu müssen, wie er sich abmüht, mir durch Zeichen zu antworten. Ich habe so viel geweint! Wie sehr habe ich mich nach dir gesehnt! Die Leute beobachten, reden, kritisieren. Die Welt ist nun einmal so. Und wenn man Sorgen oder Freuden hat, braucht man Verständnis, nicht Kritik. Jetzt scheint mir das Leben wieder ganz anders, viel besser; ich fühle die Freude in mir, seit du bei mir bist. Ich fühle, dass meine Prüfung vorübergeht; dass ich bald glücklich sein werde. So wird es sein, nicht wahr? Ich ergebe mich in alles. Aber wenn Gott doch meinem Gatten verzeihen möchte! Wenn ich ihn doch wieder beten hörte, wie früher!«

Maria streichelt und ermuntert sie, und um sie etwas abzulenken, lädt sie Elisabet ein, mit ihr in den sonnigen Garten zu gehen.

Sie gehen durch eine gut gepflegte Laube bis zu einem ländlichen, kleinen Wachtturm, in dessen Löchern Tauben nisten.

Maria streut lächelnd Körner; die Tauben stürzen sich mit viel Geflatter auf sie und kreisen gurrend um sie. Auf den Kopf, auf die Schulter, auf Arme und Hände lassen sie sich nieder, strecken ihre rosafarbenen Schnäbel vor, um die Körner aus ihrer hohlen Handfläche zu picken und mit Anmut selbst die rosigen Lippen und die in der Sonne glänzenden Zähne zu berühren. Maria nimmt aus einem Säckchen blonde Körner und lacht herzlich über diese aufdringliche Gier.

»Wie sie dich gern haben!« sagt Elisabet. »Kaum bist du einige Tage bei uns, und schon lieben sie dich mehr als mich, die ich sie immer gefüttert habe.«

Der Spaziergang wird fortgesetzt. Sie gelangen zu einem Zaun an der Grenze des Baumgartens, wo etwa zwanzig Ziegen mit ihren Zicklein grasen.

»Kommst du von derWeide?« fragt Maria einen Hirtenbuben und streichelt ihn.

»Ja, mein Vater hat mir gesagt: „Geh nach Hause! Bald wird es regnen und einige Tiere werden Junge bekommen. Sorge dafür, dass trockenes Heu und eine Bettstatt bereit sind!“ Dort kommt er!« und der Bub zeigt hin zum Wald, aus dem ein zittriges Gemecker ertönt.

Maria streichelt ein blondes Zicklein, dass sich wie ein Kind an sie schmiegt, und trinkt zusammen mit Elisabet von der eben gemolkenen Milch, die der Hirtenknabe ihnen anbietet.

Die Herde nähert sich mit einem Hirten, der wuchtig und struppig ist wie ein Bär. Er muss aber ein gutmütiger Mensch sein, denn er trägt auf seinen Schultern ein jammerndes Schaf. Nun legt er es sanft nieder und erklärt: »Es wird bald ein Lämmlein haben. Es konnte vor Schwäche und Müdigkeit kaum mehr gehen. Daher habe ich es auf die Schultern genommen und bin gelaufen, um rechtzeitig da zu sein.« Das Schaf, dass vor Schmerzen hinkt, wird von dem Knaben zum Schafstall geführt.

Maria hat sich auf einen Stein gesetzt und scherzt mit den Zicklein und Lämmlein. Sie bietet den rosigen Mäulchen Kleeblüten an.

Ein schwarzweißes Zicklein legt seine Pfoten auf ihre Schultern und beschnuppert ihre Haare. »Das ist kein Brot«, lacht Maria. »Morgen bringe ich dir eine Kruste. Sei nun lieb!«

Auch Elisabet ist wieder heiter und lacht dazu.

Maria spricht von ihrem Kind

Ich sehe, wie Maria mit großem Eifer in der Laube spinnt, wo die Trauben immer größer werden. Es muss schon eine gewisse Zeit verflossen sein, denn die Äpfel beginnen rot zu werden und die Bienen summen um die vollen Blüten des Feigenbaumes.

Elisabet ist rundlich geworden und geht sehr schwerfällig. Maria betrachtet sie mit Aufmerksamkeit und Liebe. Auch Maria erscheint, als sie sich erhebt, um die Spindel zu holen, die ihr weit davongerollt ist, stärker in den Hüften, und der Ausdruck ihres Gesichtes ist reifer geworden. Vorher war sie ein Kind, jetzt ist sie eine Frau.

Die beiden Frauen gehen in das Haus, denn der Abend bricht herein, und im Zimmer werden die Lampen angezündet. In Erwartung des Abendessens arbeitet Maria am Webstuhl.

»Aber macht dich das nicht müde?« fragt Elisabet, auf den Webstuhl hinweisend.

»Nein, gewiss nicht!«

»Diese Hitze entkräftet mich. Ich habe keine Schmerzen mehr gehabt, aber jetzt spüre ich die Last auf meinen alten Nieren.«

»Sei tapfer! Bald wirst du davon befreit sein. Wie glücklich wirst du dann sein! Ich kann die Stunde nicht erwarten, Mutter zu werden.

Mein Kind! Mein Jesus! Wie wird er aussehen?«

»Schön wie du, Maria.«

»O nein! Viel schöner! Er ist Gott. Ich bin seine Magd. Ich wollte sagen: wird er blond sein oder braun? Wird er Augen haben wie der blaue Himmel oder wie die Hirsche in den Bergen? Ich stelle ihn mir viel schöner vor als einen Kerub, mit goldenen Haaren, mit Augen in der Farbe des galiläischen Meeres, wenn die Sterne beginnen, am Himmel zu erscheinen, mit einem Mündlein klein und rot wie der Riß eines Granatapfels, der eben an der Sonne gereift und aufgesprungen ist; und mit Bäckchen wie die bleichen Rosen dieses Rosenstockes; und zwei Händchen, die in einem Lilienkelch Platz finden könnten, so klein und schön; und zwei Füßchen, die in die Höhlung meiner Hand passen würden, weich und zart wie Blütenblättlein.

Schau! Ich entnehme die Vorstellung, die ich mir von ihm mache, den schönen Dingen der Natur. Ich höre schon seine Stimme.

Er wird weinen, wenn er Hunger verspürt oder müde ist, mein Kleiner; zum großen Leid seiner Mutter, die ihn nicht weinen sehen kann . . . nein, sie kann ihn nicht weinen sehen, ohne dass es ihr das Herz zerreißt. Sein Schreien wird dem Blöken des eben geborenen Lämmchens gleichen, dass wir gerade hören; es sucht das Euter der Mutter und die Wärme ihres Felles.

In seinem Lächeln wird er mir mein Herz, dass verliebt ist in mein Kind, zum Himmel machen; ich darf ja in ihn verliebt sein, denn er ist mein Gott, und ihn als Verliebte lieben, widerspricht nicht meiner gottgeweihten Jungfrauschaft. Sein Lachen wird dem fröhlichen Gurren eines glücklichen, gesättigten Täubchens gleichen, dass zufrieden in seinem Nestchen liegt. Ich sehe schon seine ersten Schritte . . .

Ein hüpfendes Vögelein auf der blühenden Wiese. Die Au wird das Herz seiner Mutter sein, dass seinen rosigen Füßchen ein liebevoller Teppich sein wird, damit er sich an nichts verletze. Oh, wie werde ich es lieben, mein Kind! Meinen Sohn! Auch Josef wird ihn lieben!«

»Aber du musst es endlich Josef sagen!«

Maria wird traurig und seufzt. »Ich werde es ihm sagen müssen . . .

Ich hätte lieber, wenn der Himmel es ihm offenbaren würde; denn es ist sehr schwer, es zu sagen.«

»Willst du, dass ich es ihm sage? Wir lassen ihn für die Beschneidung des Johannes kommen . . . «

»Nein. Ich habe Gott die Aufgabe überlassen, ihn über sein glückliches Los aufzuklären, der Nährvater des Sohnes Gottes zu sein.

Und er wird mich nicht im Stich lassen. Der Geist hat mir an jenem Abend gesagt: „Schweige, vertraue mir die Aufgabe der Rechtfertigung an!“ Er wird es tun. Gott lügt nicht. Es ist eine große Prüfung, aber mit Hilfe des Ewigen werde ich sie bestehen. Aus meinem Mund darf niemand – außer dir, der der Geist es schon enthüllt hat – erfahren, was die Güte des Herrn an seiner Dienerin gewirkt hat.«

»Ich habe immer geschwiegen; auch Zacharias gegenüber, der doch gejubelt hätte. Er hält dich für eine Mutter wie alle anderen.«

»Ich weiß. Und so wollte ich es auch, aus Klugheit. Die Geheimnisse Gottes sind heilig. Der Engel des Herrn hat Zacharias meine göttliche Mutterschaft nicht geoffenbart. Er hätte es tun können, wenn Gott es gewollt hätte. Denn Gott wußte, dass die Zeit der Fleischwerdung seines Wortes bevorsteht; aber Gott hat dieses Licht der Freude vor Zacharias verborgen, da er deine späte Mutterschaft als unmöglich zurückgewiesen hatte. Ich habe mich dem Willen Gottes unterworfen. Und nun, du siehst es: du hast das in mir lebendige Geheimnis gespürt. Er hat nichts bemerkt. Solange der Schleier seiner Ungläubigkeit gegenüber der Allmacht Gottes nicht fällt, bleibt ihm das übernatürliche Licht verborgen.«

Elisabet seufzt und schweigt. Zacharias tritt ein. Er übergibt Maria Gebetsrollen. Es ist Zeit für das abendliche Tischgebet. Maria betet mit lauter Stimme anstelle des Zacharias; dann setzen sie sich zu Tisch.

»Wie werden wir es bedauern, wenn du nicht mehr hier bist, dass niemand mit uns betet«, sagt Elisabet mit einem Blick auf ihren stummen Gemahl.

»Dann wirst du beten, Zacharias«, erwidert Maria.

Er schüttelt den Kopf und schreibt: »Ich werde nie mehr für die anderen beten können. Ich bin dessen unwürdig geworden, seit ich an Gott gezweifelt habe.«

»Zacharias, du wirst beten; Gott verzeiht.«

Der Alte wischt sich eine Träne ab und seufzt.

Nach dem Abendbrot kehrt Maria zum Webstuhl zurück. »Es ist genug«, sagt Elisabet, »du ermüdest dich zu sehr.«

»Die Zeit ist kurz, Elisabet, und ich will deinem Kind eine Aussteuer bereiten, die dem Vorläufer des Königs aus dem Stamm Davids würdig ist.«

Zacharias schreibt: »Von wem wird er geboren werden? Und wo?«

Maria antwortet: »Die Propheten haben den Ort gesagt; der Ewige wird die Mutter auswählen« [Mi 5,2–5; Mt 2,2–6; Joh 7,41–42].

Zacharias schreibt: »Also in Betlehem! In Judäa. Wir werden hingehen, ihn zu verehren, Frau. Dann wirst auch du mit Josef nach Betlehem kommen.«

Maria neigt ihr Haupt über den Webstuhl und sagt: »Ich werde kommen.«

Und so endet die Vision.

»Das Gnadengeschenk Gottes muss uns immer besser machen«

Maria spricht:

»Die Nächstenliebe muss sich in erster Linie dem Nächsten gegenüber äußern. Das soll dir nicht als Wortspiel erscheinen.

Es gibt eine Liebe zu Gott und eine Liebe zum Nächsten. In der Liebe zum Nächsten ist auch die Liebe zu uns selbst einbegriffen.

Aber wenn wir uns mehr als die anderen lieben, sind wir schon nicht mehr liebevoll. Wir sind dann Egoisten.

Auch bei den erlaubten Dingen muss man immer so heilig sein, dass man den Bedürfnissen des Nächsten den Vorrang gibt. Seid versichert, meine Kinder, dass Gott den Hochherzigen mit den Mitteln seiner Macht und Güte zu Hilfe kommt. Diese gewissheit hat mich nach Hebron geführt, um meiner Base im gegenwärtigen Zustand behilflich zu sein. Und zu meiner Hilfe auf menschlicher Ebene fügte Gott wie üblich eine unverhoffte Gabe übernatürlicher Art hinzu.

Ich mache mich auf, um materielle Hilfe zu leisten, und Gott heiligt meine gute Absicht durch die Heiligung der Leibesfrucht Elisabets.

Und durch diese Heiligung, die den Täufer schon vor der Geburt heiligte, hat er das physische Leiden der reifen Tochter Evas, die noch in ungewöhnlichem Alter empfangen hatte, gelindert.

Elisabet, eine Frau mit unerschrockenem Glauben und voller Hingabe an den Willen Gottes, verdiente es, dass Geheimnis zu kennen, dass in mir eingeschlossen war. Der Geist sprach zu ihr durch das Aufhüpfen des Kindes in ihrem Schoß. Der Täufer hatte seine erste Botschaft als Verkünder des Wortes durch die Schleier und Wände von Fleisch und Blut gegeben, die ihn trennten und zugleich vereinten mit seiner heiligen Gebärerin. Auch ich verschweige ihr – die dessen würdig ist und der sich das Licht enthüllte – meine Berufung zur Mutter des Herrn nicht. Es ihr versagen, wäre ein Versagen Gott gegenüber gewesen; ein Vorenthalten des Lobes, dass ihm gebührte, des Lobes, dass ich in mir trug und das ich, da ich es niemandem sagen durfte, den Pflanzen, den Blumen, den Sternen, der Sonne, den singenden Vögeln, den geduldigen Lämmern, dem sprudelnden Wasser und dem goldenen Licht, dass mich, herabsteigend vom Himmel, küßte, sang. Aber zu zweit beten ist viel schöner als allein.

Ich hätte mein Glück am liebsten der ganzen Welt verkünden wollen, nicht um meinetwillen, sondern um sie in meinen Lobgesang einstimmen zu lassen.

Die Klugheit hat mir verboten, Zacharias die Wahrheit zu enthüllen.

Es wäre eine Vorwegnahme des Wirkens Gottes gewesen, und wenn ich auch seine Braut und Mutter bin, so bleibe ich doch immer seine Magd, und wenn er mich auch im Übermaß liebt, so darf ich mir dennoch nicht erlauben, an seine Stelle zu treten und einen Entschluß vorwegzunehmen. Elisabet in ihrer Heiligkeit versteht und schweigt. Denn wer heilig ist, ist auch immer bescheiden und demütig.

Die Gaben Gottes müssen uns immer besser machen. Je mehr wir von ihm empfangen, um so mehr müssen wir ihm geben. Denn je mehr wir von ihm empfangen, desto deutlicher ist das Zeichen, dass er in uns und mit uns ist; und je mehr er in und mit uns ist, um so mehr müssen wir uns bemühen, seiner Vollkommenheit näherzukommen.

Das ist der Grund, weshalb ich meine Arbeit hintanstelle und für Elisabet arbeite.

Ich lasse mich nicht von der Befürchtung leiten, keine Zeit zu haben.

Gott ist auch Herr der Zeit. Wer auf ihn hofft, auch in den gewöhnlichen Dingen, für den sorgt er. Der Egoismus ist kein Zeitgewinn, eher ein Zeitverlust. Die Liebe zögert nicht; sie beeilt sich.

Haltet euch das stets vor Augen!

Welch ein Friede im Haus Elisabets! Hätte ich mich nicht um Josef gesorgt und um mein Kind, den Erlöser der Welt, ich wäre glücklich gewesen. Aber schon warf das Kreuz seinen Schatten in mein Leben, und wie ein Trauergesang ertönten die Stimmen der Propheten in mir . . . Man nannte mich Maria. Bitterkeit war immer in die süßen Freuden gemischt, die Gott in mein Herz ergoß. Und sie vermehrte sich ohne Unterlaß bis zum Tod meines Sohnes; Maria war Miterlöserin – daher auch Opfer.

Aber wenn Gott uns aufruft, Maria Valtorta, zu seiner Ehre Opfer zu sein, dann ist es süß, zermahlen zu werden wie das Korn unter dem Mühlstein, um unseren Schmerz zu Brot werden zu lassen, dass die Schwachen stärkt und sie befähigt, in den Himmel zu kommen. Doch jetzt Schluß. Du bist müde und glücklich. Ruhe aus mit meinem Segen!«