DER DIENER DES CENTURIO WIRD GEHEILT

nach Maria Valtorta

Von den Feldern kommend, betritt Jesus Kapharnaum. Es begleiten ihn nur die zwölf, besser die elf Apostel, denn Johannes ist nicht unter ihnen. Wie immer grüßen die Leute, und dies mit einem je nach der Person verschiedenen Ausdruck, von der Einfachheit der Kinder bis zur Schüchternheit der Frauen, von der Begeisterung der Geheilten bis zu den Neugierigen oder Ironischen. Von allen etwas.

Jesus erwidert jeden Gruß, je nachdem, wie er begrüßt wurde. Die Kinder begrüßt er mit Liebkosungen, die Frauen mit seinem Segen, die Geheilten mit einem Lächeln und die anderen in tiefer Ehrerbietung. Doch diesmal schließt sich auch der Centurio des Ortes, wie ich vermute, der Reihe der Grüßenden an mit seinem: «Salve, Meister!» worauf Jesus antwortet: «Gott komme zu dir!»

Der Römer geht auf Jesus zu, während die Leute sich neugierig nähern, um zu sehen, wie die Begegnung verläuft. «Seit mehreren Tagen warte ich auf dich. Du erkennst in mir nicht den Zuhörer auf dem Berg, denn ich war bürgerlich. Fragst du mich nicht, warum ich dort war?»

«Ich frage dich nicht. Was willst du von mir?»

«Der Befehl lautet, alle zu beobachten, die Ansammlungen verursachen, denn zu oft musste Rom sich später eingestehen, einen Fehler gemacht zu haben, indem es Versammlungen duldete, die nach außen harmlos erschienen. Doch während ich mich umgesehen und umgehört hatte, besann ich mich auf dich, wie auch auf... wie auch auf... Ich habe einen kranken Diener, Herr. Er liegt in meinem Haus auf seinem Lager, gelähmt infolge einer Knochenkrankheit, und leidet schreckliche Qualen. Unsere Ärzte können ihn nicht heilen, und eure Heilkundigen, die ich darum gebeten habe, weigern sich zu kommen. Es ist ein Leiden, dass man sich in der ungesunden Luft dieser Gegend zuzieht, und ihr könnt es heilen mit Kräutern von den seichten Flußufern, wo sich das Wasser staut, bevor es vom Meer aufgenommen wird. Es schmerzt mich sehr, denn es ist ein treuer Diener!»

«Ich werde kommen und ihn heilen.»

«Nein Herr, so viel verlange ich nicht. Ich bin ein Heide und somit unrein für euch. Wenn die hebräischen Ärzte fürchten, sich zu verunreinigen, wenn sie ihren Fuß in mein Haus setzen, so gilt das um so mehr für dich, der du göttlich bist. Ich bin nicht würdig, dass du unter mein Dach eingehst, doch wenn du von hier aus ein einziges Wort sprichst, dann wird mein Diener gesund, denn du gebietest allem was existiert. Wenn ich nun als Mensch, der vielen unterstellt ist, allen voran Caesar, und nach deren Wille sich mein Denken, Tun und Handeln zu richten hat, meinerseits den unter meinem Kommando stehenden Soldaten befehlen kann, indem ich einem sage „Geh“ dem anderen „Komm“ und dem Diener „Tu dies“ dann geht der eine: wohin ich ihn geschickt habe, der andere kommt, weil ich ihn rufe und der dritte führt meinen Befehl aus; dann wird die Krankheit dir, der du der Herrscher über alles bist, unverzüglich gehorchen und vom Menschen weichen.»

«Die Krankheit ist kein Mensch...», entgegnet Jesus.

«Auch du bist kein Mensch, sondern der Gott-Mensch. Du kannst daher auch den Elementen und dem Fieber gebieten, denn alles untersteht deiner Macht.»

Einige angesehene Bürger von Kapharnaum nehmen Jesus beiseite und sagen ihm: «Er ist zwar ein Römer, doch erhöre seine Bitte, denn er ist ein redlicher Mensch, der uns achtet und uns hilft. Bedenke, dass gerade er es war, der uns die Synagoge erbauen ließ, und er verlangt, dass seine Soldaten uns achten, dass sie uns an den Sabbattagen nicht verspotten. Erweise ihm daher deiner Stadt zuliebe die Gnade, damit Enttäuschung und Ärger seine Geneigtheit nicht in Haß verwandeln.»

Jesus, der nun diese und jenen angehört hat, wendet sich lächelnd an den Centurio und sagt: «Geh voraus, ich werde nachkommen.»

Doch der Centurio wiederholt noch einmal: «Nein, Herr! Ich habe es dir schon gesagt, es wäre eine große Ehre für mich, dich unter meinem Dach zu haben, doch ich bin dessen nicht würdig. Sprich nur ein Wort, und mein Knecht wird gesund!»

«So sei es denn. Geh und habe Vertrauen. In diesem Augenblick wird ihn das Fieber verlassen und das Leben in seine Glieder zurückkehren. Lebe so, dass auch in deine Seele das Leben einkehre. Geh nun.»

Der Centurio grüßt militärisch, verneigt sich und geht.

Jesus sieht ihm nach. Schließlich wendet er sich an die Anwesenden und sagt: «Wahrlich, ich sage euch, einen solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden. Oh, wie wahr ist es doch: „Das Volk, dass in der Finsternis wandelte, schaute ein großes Licht. Über den Bewohnern des Landes, dass in Todesschatten lag, ist das Licht aufgegangen“, und weiter: „Unter seinem aufgerichteten Banner wird der Messias die Völker vereinigen. Oh, mein Reich! Wahrlich, in ungeheurer Zahl werden sie zu dir strömen! Zahlreicher als alle Kamele und Dromedare von Madian und Epha und die Gold- und Weihrauchträger von Saba; zahlreicher als die Herden von Kedar und die Widder von Nebajot werden jene sein, die zu dir kommen werden, und mein Herz wird sich vor Freude weiten, wenn ich die Völker des Meeres und die Mächte der Nationen zu mir kommen sehe. Die Inseln warten darauf, mir zu huldigen, und die Söhne der Fremden werden die Mauern meiner Kirche errichten, deren Tore stets offen stehen werden, um die Könige und das Heer der Völker aufzunehmen und sie in mir zu heiligen. Was Jesaja gesehen hat, wird sich erfüllen. Ich sage euch, viele werden von Osten und Westen kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich wohnen, während die Kinder des Reiches in die äußerste Finsternis geworfen werden, wo Heulen und Zähneknirschen sein wird.»

«Du prophezeist also, dass die Heiden den Söhnen Abrahams ebenbürtig sein werden?»

«Nicht ebenbürtig: sie werden sie übertreffen. Das soll euch nicht missfallen, denn es ist eure eigene Schuld. Nicht ich, sondern die Propheten sagen es, und die Zeichen deuten schon darauf hin. Nun soll einer von euch zum Hause des Zenturio gehen, um festzustellen, ob sein Diener geheilt ist, wie es der Glaube des Römers verdient hat. Kommt, vielleicht sind im Hause Kranke, die auf mich warten.»

Jesus geht zum Hause, in dem er üblicherweise während seines Aufenthaltes in Kapharnaum wohnt. Die Apostel und einige andere folgen ihm; die meisten jedoch begeben sich neugierig und lärmend zum Hause des Centurio.