24.06.2016

DIE BESCHNEIDUNG DES TÄUFERS

nach Maria Valtorta

Ich sehe das Haus im Festschmuck. Es ist der Tag der Beschneidung.

Maria hat dafür gesorgt, dass alles schön und in Ordnung sei. Die Räume erstrahlen im Licht, wie auch die schönsten Stoffe und die schönsten Einrichtungsgegenstände. Viel Volk ist da.

Maria bewegt sich flink unter den einzelnen Gruppen; sie ist schön in ihrem schönsten weißen Gewand.

Elisabet wird wie eine Matrone verehrt und freut sich ihres Festes.

Ihr Kind ruht auf ihrem Schoß, gesättigt mit Milch.

Es kommt die Stunde der Beschneidung.

»Wir wollen ihn Zacharias heißen. Du bist alt. Es ist gut, wenn dein Name dem Kind gegeben wird«, sagen die Männer.

»Nein, nein!« ruft die Mutter. »Sein Name ist Johannes. Sein Name muss Zeugnis geben von der Allmacht Gottes.«

»Aber hat es denn je in unserer Verwandtschaft einen Johannes gegeben?«

»Das tut nichts zur Sache. Er muss Johannes heißen.«

»Was sagst du, Zacharias? Du willst ihm doch deinen Namen geben, nicht wahr?«

Zacharias gibt Zeichen der Verneinung! Er nimmt das Täfelchen und schreibt: »Sein Name ist Johannes«, und kaum hat er zu schreiben geendet, da fügte er schon mit nun befreiter Zunge hinzu: »Denn Gott hat große Gnade an mir, seinem Vater, und an seiner Mutter geübt und auch an diesem seinem neuen Knecht, der sein Leben verzehren wird zur Ehre des Herrn; und groß wird er in den Jahrhunderten und vor den Augen Gottes genannt werden, denn er wird kommen, die Herzen zum Herrn, dem Allerhöchsten, zu bekehren.

Der Engel hat es gesagt, und ich habe es nicht glauben wollen.

Aber jetzt glaube ich, und ein Licht leuchtet in mir. Dieses Licht ist unter euch, und ihr seht es nicht. Sein Schicksal wird sein, nicht gesehen zu werden, denn der Geist der Menschen ist umnachtet und träge. Aber mein Sohn wird es sehen und von ihm reden, und er wird die Gerechten Israels auf Ihn hinweisen. Oh! Selig, die glauben werden, die immer glauben an das Wort des Herrn! Und Du sei gebenedeit, o ewiger Herr, Gott Israels, denn Du hast uns heimgesucht und Deinem Volk Erlösung gebracht; Du hast einen mächtigen Erlöser im Haus seines Knechtes David erweckt, wie Du es versprochen hast durch den Mund der heiligen Propheten seit den ältesten Zeiten [Jer 23,5–6; 33,14–26], um uns zu befreien von unserem Feind und aus den Händen derer, die uns hassen; um Dein Erbarmen an unseren Vätern zu üben und Dich deines heiligen Bundes eingedenk zu zeigen. Dies ist der Schwur, den Du Abraham, unserem Vater, getan: uns zu gewähren, dass wir ohne Furcht, befreit von den Händen unserer Feinde, Dir dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor Deinem Angesicht das ganze Leben hindurch bis ans Ende.« [Gen 22,15–18].

Die Anwesenden staunen; sie staunen über den Namen, über das Wunder und über die Wort des Zacharias.

Elisabet ist beim ersten Worte des Zacharias in einen Freudenschrei ausgebrochen und weint nun in den Armen Marias, die sie glücklich liebkost.

Der Neugeborene wird zur Beschneidung in einen anderen Raum getragen. Als man ihn zurückbringt, schreit der kleine Johannes aus vollem Hals. Nicht einmal die Muttermilch beruhigt ihn. Er schlägt aus wie ein junges Füllen. Aber Maria nimmt und wiegt ihn; da schweigt er und beruhigt sich.

»Da schaut einmal!« sagt Sara. »Er beruhigt sich nur, wenn sie ihn auf ihren Arm nimmt!«

Das Volk entfernt sich langsam. Im Zimmer bleiben nur Maria mit dem Kleinen auf dem Arm und Elisabet, die Glückliche, zurück.

Zacharias tritt ein und schließt die Tür. Mit Tränen in den Augen schaut er Maria an. Er möchte reden. Aber er schweigt. Er geht auf Maria zu und wirft sich vor ihr auf die Knie. »Segne den elenden Diener des Herrn!« sagt er. »Segne ihn, denn du kannst es, du, die du Ihn in deinem Schoß trägst. Das Wort des Herrn sprach zu mir, als ich meinen Irrtum erkannte und alles glaubte, was mir gesagt worden war. Ich sehe dich und dein glückliches Los. In dir bete ich an den Gott Jakobs. Du mein erster Tempel, wo der bekehrte Priester in neuerWeise zum Ewigen beten kann. Du bist gesegnet, da du Gnade erlangt hast für dieWelt und jetzt den Erlöser trägst. Verzeihe deinem Knecht, wenn er so spät deine Erhabenheit erkannt hat. Alle Gnaden hast du uns durch dein Kommen gebracht, denn wohin immer du gehst, du Gnadenvolle, wirkt Gott seine Wundertaten; und heilig sind die Mauern, in die du einkehrst; geheiligt werden die Ohren, die deine Stimme hören, und das Fleisch, dass du berührst.

Geheiligt werden die Herzen, denn du erteilst Gnaden, du Mutter des Allerhöchsten, du prophezeite Jungfrau, die erwartet wurde, damit sie dem Volk Gottes den Erlöser schenken sollte.«

Maria lächelt, verlegen vor Demut, und spricht: »Lob sei dem Herrn, Ihm allein. Von Ihm, nicht von mir kommt jede Gnade. Und Er spendet sie dir, damit du Ihn liebst und Ihm in den noch übrigen Jahren in Vollkommenheit dienen wirst, um sein Reich zu verdienen, dass mein Sohn den Patriarchen, den Propheten und den Gerechten des Herrn öffnen wird. Und du, jetzt, da du vor dem Heiligen beten darfst, bete für die Magd des Allerhöchsten. Denn Mutter des Sohnes Gottes sein, ist ein seliges Los; Mutter der Erlösers aber muss ein Los bitteren Schmerzes sein. Bete für mich, denn von Stunde zu Stunde fühle ich in mir die Last des Schmerzes wachsen. Und ein ganzes Leben lang werde ich sie tragen müssen. Und wenn ich auch die Einzelheiten noch nicht kenne, so fühle ich doch, dass es eine größere Last werden wird, als wenn auf diese meine Frauenschultern die ganze Welt gelegt würde und ich sie dem Himmel darbieten müßte. Ich, ich allein, eine arme Frau! Mein Kind! Mein Sohn!

Ach! Der deine weint jetzt nicht mehr, weil ich ihn wiege; werde ich meinen eigenen wiegen können, um seinen Schmerz zu lindern? . . .

Bete für mich, Priester des Herrn! Mein Herz bebt wie die Blume im Sturmwind. Ich blicke auf die Menschen und liebe sie. Aber ich sehe hinter ihren Gesichtern den Widersacher erscheinen, der aus ihnen Feinde Gottes, meines Sohnes Jesu, machen will . . . «

Und die Vision endet mit dem Erbleichen Marias und den Tränen, die ihren Blick zum Leuchten bringen.

»MACHT EUREN GEIST EMPFÄNGLICH FÜR DAS LICHT!«

Maria spricht:

»Wer seinen Fehler einsieht und ihn in Demut und mit aufrichtigem Herzen bereut und bekennt, dem verzeiht Gott. Er verzeiht nicht nur: er belohnt auch. Oh! Wie gut ist mein Herr mit den Demütigen und den Aufrichtigen! Mit denen, die an Ihn glauben und auf Ihn vertrauen! Befreit euren Geist von all dem, was ihn umschattet und träge macht! Macht ihn bereit, dass Licht aufzunehmen, dass wie ein Leuchtturm in der Finsternis Führer und heiliger Trost ist!

O Freundschaft mit Gott, Seligkeit seiner Getreuen, unvergleichlicher Reichtum! Wer dich besitzt, ist nie allein, noch fühlt er die Bitterkeit der Verzweiflung. Du nimmst nicht den Schmerz weg, o heilige Freundschaft, denn der Schmerz war das Los eines menschgewordenen Gottes und kann auch das Los des Menschen sein. Aber mache diesen Schmerz süß in seiner Bitterkeit, und vermische ihn mit Licht und Liebe, die wie eine himmlische Berührung das Kreuz erleichtern.

Und wenn die göttliche Güte euch eine Gnade gibt, dann benützt das Empfangene gut zur Ehre Gottes! Seid nicht wie die Wahnsinnigen, die sich aus einem guten Gegenstand eine schädliche Waffe schmieden, oder wie die Verschwender, die sich aus dem Reichtum ein Elend machen.

Zu großen Schmerz bereitet ihr mir, meine Kinder, wenn ich hinter eurem Antlitz den Feind erscheinen sehe, der sich auf meinen Jesus stürzt. Allzu großen Schmerz! Ich möchte allen die Quelle der Gnaden sein. Aber zu viele unter euch wollen die Gnade nicht. Ihr bittet um Gnaden, aber mit einer Seele, in der die Gnade fehlt. Und wie kann die Gnade euch helfen, wenn ihr ihre Feinde seid?

Das große Geheimnis des heiligen Karfreitags nähert sich. Alles in den Kirchen erinnert an dieses und feiert es. Aber ihr müßt es in euren Herzen feiern und seiner gedenken; ihr müßt euch an die Brust schlagen, wie jene, die von Golgota herabstiegen, und sagen: „Er ist wahrhaftig der Sohn Gottes, der Erlöser“ [Mt 27,54; Mk 15,39], und sagen: „Jesus, um deines Namens willen rette uns!“, und sagen: „Vater, verzeihe uns!“, und schließlich: „Herr, ich bin nicht würdig.

Aber wenn Du mir verzeihst und zu mir kommst, wird meine Seele gesund [Mt 8,8; Lk 7,6–7]. Ich will wirklich nicht mehr sündigen, um nicht wieder krank zu werden und ein Abscheu für Dich zu sein.“

Betet, meine Kinder, mit den Worten meines Sohnes! Sagt zum Vater für eure Feinde: „Herr, verzeihe ihnen!“ [Lk 23,34]. Ruft den Vater an, wenn er sich zurückgezogen hat infolge eurer Verfehlungen: „Vater, Vater, warum hast Du mich verlassen? [Mt 27,46; Mk 15,34; Ps 21,2]. Ich bin ein Sünder; wenn Du mich verläßt, gehe ich zugrunde.

Kehre zurück, Heiliger Vater, damit ich gerettet werde!“ Vertraut euer ewiges Heil und euren Geist dem Einzigen an, der sie vor dem Dämon unverletzt bewahren kann: „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist“ [Lk 23,46].

Oh, wenn ihr doch demütig und liebevoll euren Geist Gott anempfehlen wolltet. Er leitet euch, wie ein Vater seinen kleinen Sohn, und erlaubt nicht, dass eurem Geist etwas Böses zustoße. Jesus hat in seiner Todesangst gebetet, um euch beten zu lehren.

Ich erinnere euch daran, in diesen Tagen der Passionszeit. Und du, Maria, die du meine Mutterfreude siehst und darüber in Entzückung gerätst, bedenke und erinnere dich daran, dass ich Gott durch einen stets wachsenden Schmerz besessen habe. Er ist in mich eingetreten mit dem Keim Gottes und wie ein gewaltiger Baum gewachsen, bis er mit dem Gipfel den Himmel, mit seinen Wurzeln aber die Hölle berührte, als ich das entseelte Fleisch meines Fleisches auf meinen Schoß nahm, die klaffenden Wunden sah, dass durchbohrte Herz berührte und meinen Schmerz bis zum letzten Tropfen auskostete.«