02.04.2016

DIE RÜCKKEHR DES THOMAS

nach Maria Valtorta

Die zehn Apostel sind im Innenhof des Abendmahlhauses. Sie reden miteinander, beten gemeinsam und reden dann wieder.

Simon der Zelote sagt: «Ich bin wirklich bekümmert über das Verschwinden des Thomas. Ich weiß nicht mehr, wo ich ihn suchen soll.»

«Ich auch nicht», sagt Johannes.

«Bei den Verwandten ist er nicht. Und auch sonst hat ihn niemand gesehen. Ob sie ihn gefangengenommen haben?»

«Wenn dem so wäre, hätte der Meister nicht gesagt: „Das übrige werde ich euch sagen, wenn der Fehlende da ist.“»

«Das ist wahr. Ich will aber noch nach Bethanien gehen. Vielleicht irrt er in den Bergen umher und wagt nicht, sich sehen zu lassen.»

«Geh, geh, Simon. Du hast uns alle zusammengeführt und... dadurch gerettet, denn du hast uns zu Lazarus gebracht. Habt ihr gehört, was der Herr über Lazarus gesagt hat? Er hat gesagt: „Der erste, der in meinem Namen verziehen und den Weg gewiesen hat.“ Warum setzt er ihn nicht an die Stelle des Iskariot?» fragt Matthäus.

«Weil er dem vollkommenen Freund sicher nicht den Platz des Verräters geben will», antwortet Philippus.

«Ich habe vor kurzem, als ich über den Markt gegangen bin und mit den Fischhändlern gesprochen habe, erfahren, daß... – ja, ich kann mich auf sie verlassen – dass die im Tempel nicht wissen, was sie mit dem Leichnam des Judas anfangen sollen. Ich weiß nicht, wer es gewesen ist, aber heute morgen, bei Sonnenaufgang, haben die Tempelwachen im heiligen, abgegrenzten Bereich den stinkenden Körper gefunden, noch mit dem Strick um den Hals. Ich denke, es waren Heiden, die ihn abgenommen und dann, wer weiß wie, dort hineingeworfen haben», sagt Petrus.

«Mir dagegen hat man gestern abend am Brunnen gesagt, dass heißt, ich habe gehört, dass sie die Eingeweide des Verräters am Abend an die Haustür des Annas geworfen haben. gewiss waren es Heiden, denn kein Hebräer hätte nach mehr als fünf Tagen diesen Leichnam angerührt. Wer weiß, wie verfault er schon war!» sagt Jakobus des Alphäus.

«Oh, er war schon am Sabbat schrecklich!» Johannes wird blaß, als er daran denkt.

«Aber wie ist er denn an diesen Ort gekommen? Gehörte er zu seinem Besitz?»

«Wer hat je etwas Genaues von Judas Iskariot erfahren? Erinnert ihr euch nicht, wie kompliziert und verschlossen er war ...?»

«Du kannst ruhig sagen: verlogen, Bartholomäus. Er war nie aufrichtig. Drei Jahre lang war er bei uns, und wir, die wir alles gemeinsam hatten, hatten ihm gegenüber immer das Gefühl, vor der hohen Mauer einer Festung zu stehen.»

«Einer Festung? Oh, Simon! Eines Irrgartens!» ruft Judas des Alphäus aus.

«Oh! Hört! Wir wollen nicht von ihm sprechen. Ich habe das Gefühl, wir beschwören dadurch vielleicht seinen Geist und er könnte kommen und unseren Frieden stören. Ich möchte die Erinnerung an ihn in mir und in allen Herzen auslöschen, seien sie hebräisch oder heidnisch. In den hebräischen, um nicht erröten zu müssen bei dem Gedanken, dass unsere Rasse ein solches Ungeheuer hervorgebracht hat. In den heidnischen, damit nicht einer von ihnen uns eines Tages sagen kann: „Einer aus Israel war sein Verräter.“ Ich bin noch ein Jüngling und dürfte nicht vor euch als erster reden. Ich bin der Letzte, und du, Petrus, bist der Erste. Und hier sind der Zelote und Bartholomäus, beide gelehrt, und die Brüder des Herrn. Aber, nun ja, ich würde gerne den zwölften Platz möglichst bald neu besetzen, mit einem, der heilig ist. Denn solange dieser Platz in unserer Gruppe leer ist, werde ich den Rachen der Hölle mit seinem Gestank unter uns sehen. Und ich habe Angst, dass er uns verdirbt...»

«Aber nein, Johannes! Du bist beeindruckt von der Abscheulichkeit seines Verbrechens und seines hängenden Körpers ...»

«Nein, nein. Auch die Mutter hat gesagt: „Ich habe Satan gesehen, als ich Judas Iskariot sah.“ Oh, laßt uns bald einen Heiligen suchen, der diesen Platz einnehmen kann!»

«Höre, ich wähle keinen. Wenn er, der Gott war, einen Iskariot gewählt hat, was würde dann wohl der arme Petrus aussuchen?»

«Und doch wirst du es tun müssen ...»

«Nein, mein Lieber. Ich wähle keinen. Ich werde den Herrn bitten. Petrus hat genug Fehler gemacht!»

«Um so vieles müssen wir ihn bitten. Neulich am Abend ist uns nichts eingefallen. Aber wir müssen uns unterweisen lassen. Denn... Wie sollen wir wissen, ob etwas Sünde ist oder nicht? Seht ihr, wie der Herr über die Heiden so ganz anders spricht als wir es tun? Seht ihr, wie er eher eine Feigheit und eine Verleugnung entschuldigt als den Zweifel an der Möglichkeit seiner Vergebung? Oh, ich fürchte, große Fehler zu begehen», sagt Jakobus des Alphäus untröstlich.

«Er hat uns wirklich vieles gesagt. Und doch habe ich das Gefühl, nichts zu wissen. Seit einer Woche komme ich mir vor wie ein Dummkopf», bekennt der andere Jakobus verzweifelt.

«Ich auch.»

«Ich auch.»

«Und ich auch.»

Alle empfinden dasselbe und schauen einander erstaunt an. Sie treffen die nun schon zur Gewohnheit gewordene Entscheidung: «Wir gehen zu Lazarus. Vielleicht finden wir dort den Herrn... und Lazarus wird uns helfen.»

Man klopft ans Tor. Alle schweigen und horchen. Dann folgt ein überraschtes «Oh!», als sie Elias zusammen mit Thomas die Vorhalle betreten sehen. Es ist ein so veränderter Thomas, dass er nicht mehr er selbst zu sein scheint.

Die Gefährten umringen ihn und rufen ihm freudig zu: «Weißt du, dass er auferstanden und zu uns gekommen ist? Er wartet nur auf dich, um wiederzukommen.»

«Ja, auch Elias hat es mir gesagt. Aber ich glaube es nicht. Ich glaube nur, was ich sehe. Und ich sehe, dass für uns alles zu Ende ist. Ich sehe, dass wir alle zerstreut sind. Ich sehe, dass es nicht einmal mehr ein Grab gibt, an dem man ihn beweinen kann. Ich sehe, dass das Synedrium sich sowohl der Anhänger des Nazareners entledigen will als auch seines Komplizen, den es wie ein unreines Tier am Fuß des Ölbaums, an dem er sich erhängt hat, begraben läßt. Ich bin am Freitag am Tor angehalten worden, und man hat mir gesagt: „Warst nicht auch du einer von den Seinen? Er ist nun tot. Geh und werde wieder Goldschmied.“ Da bin ich weggelaufen...»

«Aber wohin denn? Wir haben dich überall gesucht!»

«Wohin? Ich bin zum Haus meiner Schwester nach Rama gegangen.

Dann habe ich nicht den Mut gehabt, es zu betreten... weil ich nicht von einer Frau getadelt werden wollte. So bin ich in den Bergen von Judäa herumgeirrt und gestern zur Geburtsgrotte in Bethlehem gekommen. Oh, wie habe ich geweint... Ich bin dort zwischen dem Schutt eingeschlafen, und dann hat mich Elias gefunden, der gekommen war... ich weiß nicht, warum.»

«Warum? Nun, in den Stunden übergroßer Freude und Schmerzen geht man dorthin, wo man Gott am stärksten fühlt. Sehr oft in diesen Jahren bin ich nachts wie ein Dieb dorthin gegangen, damit meine Seele die Liebkosung der Erinnerung an sein erstes Wimmern spürt. Und dann bin ich im ersten Morgengrauen geflohen, um nicht gesteinigt zu werden. Aber ich war getröstet. Nun bin ich hingegangen, um an diesem Ort zu sagen: „Ich bin glücklich“ und um von dort mitzunehmen, was ich konnte. So haben wir es beschlossen. Wir wollen seinen Glauben verkünden, und ein Stein aus dieser Mauer, eine Handvoll dieser Erde oder ein Splitter von dem Gebälk wird uns die Kraft dazu geben. Wir sind keine Heiligen, dass wir uns erlauben könnten, Erde vom Kalvarienberg zu nehmen ...»

«Du hast recht, Elias. Wir sollten dasselbe tun. Und wir werden es tun. Aber Thomas ...?»

«Thomas weinte im Schlaf. Ich habe zu ihm gesagt: „Wach auf und weine nicht mehr. Er ist auferstanden.“ Er wollte mir nicht glauben. Aber ich habe so lange auf ihn eingeredet, bis ich ihn überzeugt habe. Hier ist er also. Nun ist er bei euch, und ich ziehe mich zurück. Ich will die Gefährten einholen, die schon auf dem Weg nach Galiläa sind. Der Friede sei mit euch.» Elias entfernt sich.

«Thomas, er ist auferstanden! Ich sage es dir. Er war hier bei uns. Er hat gegessen. Er hat gesprochen. Er hat uns gesegnet. Er hat uns verziehen. Er hat uns die Vollmacht gegeben zu verzeihen. Oh, warum bist du nicht früher gekommen?»

Thomas kann seine Niedergeschlagenheit nicht überwinden. Er schüttelt eigensinnig den Kopf. «Ich glaube nicht. Ihr habt ein Gespenst gesehen. Ihr seid alle von Sinnen. Die Frauen als erste. Ein toter Mensch kann nicht aus eigener Kraft auferstehen.»

«Ein Mensch nicht. Aber er ist Gott. Glaubst du das nicht?»

«Ja, ich glaube, dass er Gott ist. Aber gerade weil ich das glaube, denke und sage ich, dass selbst seine große Güte nicht so weit gehen kann, dass er zu jemandem kommt, der ihn so wenig geliebt hat. Und ich sage, dass er trotz seiner großen Demut genug davon haben muss, sich in unserem elenden Fleisch zu verdemütigen. Nein. Er ist ganz gewiss triumphierend im Himmel und wird vielleicht als Geist erscheinen. Ich sage: vielleicht. Denn wir verdienen nicht einmal das! Aber mit Fleisch und Blut auferstanden, nein, dass glaube ich nicht.»

«Aber wir haben ihn doch geküßt und gesehen, wie er gegessen hat; wir haben doch seine Stimme gehört, seine Hand gefühlt und die Wunden gesehen!»

«Nein. Ich glaube es nicht. Ich kann es nicht glauben. Ich müßte sehen, um glauben zu können. Wenn ich nicht an seinen Händen das Mal der Nägel sehe und meine Finger hineinlege, wenn ich nicht die Wunden der Füße berühre und meine Hand nicht dorthin lege, wo die Lanze die Seite geöffnet hat, glaube ich nicht. Ich bin kein Kind und kein Weib. Ich will gewissheit. Was mein Verstand nicht begreifen kann, dass lehne ich ab. Und ich kann euren Worten nicht glauben!»

«Aber Thomas! Glaubst du, wir wollen dich belügen?»

«Nein, ihr Armen. Im Gegenteil! Selig seid ihr, die ihr euch bemüht, mich den Frieden finden zu lassen, den ihr durch eure Einbildungskraft erlangt habt. Aber... Ich glaube nicht an seine Auferstehung!»

«Fürchtest du nicht, von ihm bestraft zu werden? Er sieht und hört alles, weißt du?»

«Ich bitte ihn, mich zu überzeugen. Ich habe einen Verstand und gebrauche ihn. Er, der Herr des menschlichen Verstandes, soll meinen zurechtrücken, wenn er entgleist ist.»

«Aber er hat gesagt, der Verstand ist frei.»

«Ein Grund mehr, ihn nicht zum Sklaven einer gemeinsamen Einbildung zu machen. Ich liebe euch, und ich liebe auch den Herrn. Ich werde ihm dienen, so gut ich kann, und ich werde bei euch bleiben, um euch zu helfen, ihm zu dienen. Ich werde seine Lehre predigen. Aber ich kann nicht glauben, was ich nicht sehe.» Und der eigensinnige Thomas läßt nichts anderes als sich selbst gelten.

Sie berichten ihm von allen, die den Auferstandenen gesehen haben und wie sie ihn gesehen haben. Doch er schüttelt den Kopf, setzt sich auf eine steinerne Bank, und sein Kopf ist härter als der Stein. Eigensinnig wie ein Kind wiederholt er: «Ich werde glauben, wenn ich sehe...»

Das große Wort der Unglücklichen, die leugnen, was so gut und heilig zu glauben ist: dass Gott alles vermag.

Jesus sagt:

«Kleiner Johannes, der Zyklus ist beendet. Danach werdet ihr die Erscheinung vor dem ungläubigen Thomas vom 9. April 1944 einfügen. Aber wenn das ganze Evangelium geschrieben ist, wird noch viel einzufügen sein über den Palmsonntag, den Montag, den Dienstag, den Mittwoch und den Vormittag des Donnerstags der Karwoche, wie ich euch von Anfang an gesagt habe. Die einzufügenden Teile aus dem, was du voriges Jahr gesehen hast, habe ich dir schon genannt. Wenn Pater M. meint, kann er die Diktate des vergangenen Jahres einfügen, die ich dir jetzt nenne.

Da ich die Einwände der vielen Thomasse und der vielen Schriftgelehrten von heute voraussehe, einen Satz des Diktates betreffend, der im Widerspruch steht zu dem von Longinus gereichten Schluck Wasser – oh, wie würden sich die Leugner des Übernatürlichen, die Rationalisten der verkehrten Vollkommenheit freuen, wenn sie eine Lücke entdecken könnten im herrlichen Komplex dieses Werkes der Güte Gottes und deines Opfers, kleiner Johannes; wie sie den Pickel ihres mörderischen Rationalismus dort ansetzen würden, um alles zum Einsturz zu bringen! – um diesen zuvorzukommen, sage und erkläre ich dir:

Dieser arme Schluck Wasser: ein Tropfen nur in das Feuer des Fiebers und auf die Trockenheit der blutleeren Adern, aus Liebe zu einer Seele angenommen, die von der Liebe überzeugt werden musste, um zur Wahrheit zu gelangen; dieses Wasser, dass ich nur mit größter Mühe schlucken konnte – denn so sehr hatten mich die furchtbaren Geißelhiebe zerrissen, dass ich weder richtig atmen noch schlucken konnte – gewährte mir nur eine übernatürliche Erquickung. Für den Körper war es nichts, um nicht zu sagen eine Qual... Ströme waren nötig gewesen für meinen damaligen Durst... Und ich konnte nicht trinken wegen der großen Herzschmerzen. Du kennst diese Art von Schmerz... Ströme wären nötig gewesen... und man hat sie mir nicht gegeben. Ich hätte sie auch gar nicht annehmen können wegen der wachsenden Erstickung. Doch welcher Trost wäre es für mein Herz gewesen, wenn man sie mir angeboten hätte. Ich bin an Liebe gestorben. An verweigerter Liebe. Mitleid ist Liebe. Und in Israel hatte niemand Mitleid.

Wenn ihr Guten also diesen „Schluck“ betrachtet, wenn ihr Skeptiker ihn analysiert, dann gebt ihm den richtigen Namen: „Mitleid“, nicht Getränk. Man kann also sagen ohne zu lügen, dass „ich vom Abendmahl an keinerlei Trost mehr gehabt habe“ ' Von dem ganzen Volk, dass mich umgab, hat kein einziger mir Trost gespendet, da ich den betäubenden Wein nicht angenommen habe. Nur Essig und Spott, Verrat und Schläge erhielt ich, sonst nichts.

Du hast gesagt: „Warum ist mir letztes Jahr diese Tat des Longinus nicht aufgefallen?“ Weil die plötzliche Schau meiner Marter dich so sehr erschreckt hatte. Du warst noch nicht imstande, zu schreiben und zu beobachten. Ich habe die Zeiten abgekürzt, um dir einen Trost in deiner kurz bevorstehenden Passion zu geben. Doch du siehst, ich habe dich noch einmal auf meinen Weg mitnehmen müssen, damit du mein ganzes Leiden mit größerer Ruhe und Genauigkeit erleben kannst. Ist es nun vollkommen dargestellt? O nein! Das Geschöpf, auch wenn ich es in meine Arme nehme und es ganz mit mir verschmelze, bleibt immer ein Geschöpf, und seine Reaktionen und Fähigkeiten sind immer menschlich begrenzt. Da es ein Geschöpf ist, kann es niemals absolut wahrheitsgetreu und absolut vollkommen die Gefühle und Leiden des Gottmenschen verstehen und beschreiben.

Und im übrigen würden sie ja auch von den wenigsten verstanden werden. Schon diese Visionen werden nicht verstanden. Und anstatt niederzuknien und Gott zu danken, der ihnen diese Erkenntnisse geschenkt hat – das einzige, was zu tun wäre – nehmen die meisten dicke Bücher, schlagen nach, wägen ab, analysieren und hoffen, hoffen, hoffen... Worauf? Widersprüche mit anderen ähnlichen Werken zu finden! Und zu vernichten, vernichten, vernichten, im Namen der (menschlichen) Wissenschaft, der (menschlichen) Vernunft und der (menschlichen) Kritik, des dreimal menschlichen Hochmuts. Wie viele heilige Werke werden vom Menschen zerstört, um aus den Trümmern unheilige Bauten zu errichten! Ihr habt das reine Gold entfernt, ihr armen Menschen. Das einfache und kostbare Gold der Weisheit. Und ihr habt es durch Stuck und Gips ersetzt und mit Flitter nur schlecht vergoldet. Aber die Schläge des Lebens und der Menschen, die Unbilden des Daseins haben die dünne Goldschicht sofort angegriffen und ein Bild des Aussatzes zurückgelassen. Bald wird dieser Rest zu Staub zerfallen und von eurem armseligen Wissen wird nichts übrigbleiben.

Oh, ihr armen Thomasse, die ihr nur an das glaubt, was ihr versteht, was ihr prüft und wovon ihr innig überzeugt seid! Dankt Gott und bemüht euch aufzusteigen, denn ich reiche euch die Hand! Aufzusteigen im Glauben und in der Liebe. Ich habe die Demütigung der Apostel gewollt, um sie zu befähigen, „Väter der Seelen“ zu sein. Ich bitte euch, und ich spreche besonders zu euch, meine Priester: Nehmt die Demütigung an, einem Laien hintangestellt zu werden, damit ihr „Väter der Seelen“ werdet. Dieses Werk ist für alle. Doch es ist ganz besonders euch gewidmet, dieses Evangelium, in dem der Meister seine Priester an die Hand nimmt und sie mit sich in die Reihen der Schüler führt, damit sie, die Priester und Lehrer, fähig werden, die Schüler zu führen; in dem er sie als Arzt unter die Kranken führt, da jeder Mensch seine geistige Krankheit hat, und ihnen die Symptome und die Heilmittel zeigt.

Auf also! Kommt und betrachtet. Kommt und eßt. Kommt und trinkt. Und lehnt nicht ab. Haßt den kleinen Johannes nicht. Die Guten unter euch werden an diesem Werk eine heilige Freude haben. Die ehrlich Studierenden eine Erleuchtung. Die Gedankenlosen, aber nicht Bösen, ein Vergnügen. Die Bösen etwas, woran sie sich mit ihrer falschen Wissenschaft austoben können. Aber der kleine Johannes hat nur Schmerz und Mühe damit gehabt, deretwegen er nun bei Beendigung des Werkes ein krankes, schwaches Geschöpf ist.

Was soll ich also zu meinen und seinen Freunden sagen, zu Maria von Magdala, Johannes, Martha, Lazarus, Simon und den Engeln, die über seine Mühen gewacht haben? Ich werde sagen: „Der kleine Johannes, unser Freund, ist krank und schwach. Wir wollen hingehen und ihm das Wasser der ewigen Ströme bringen und ihm sagen: Komm, kleiner Johannes, betrachte deine Sonne und stehe auf. Denn viele möchten sehen, was du siehst. Aber nur den Auserwählten ist es gewährt, vor der Zeit den ewigen Herrn und seine Tage auf Erden zu schauen. Komm. Der Erlöser kommt mit seinen Freunden in deine Wohnung in Erwartung des Augenblickes, da du mit ihm und ihnen in seine Wohnung eingehen wirst.“

Geh in Frieden. Ich bin mit dir.»

(7. April 1945, 17 Uhr)