21.02.2016

DIE VERKLÄRUNG UND DIE HEILUNG DES EPILEPTIKERS

nach Maria Valtorta

Welcher Mensch hat noch nie einen heiteren Märzmorgen gesehen? Wenigstens einmal? Wenn es einen solchen Menschen gäbe, dann wäre er ein armer Mensch, denn er hätte keine Ahnung von den Schönheiten in der vom Frühling erweckten Natur, die wieder rein und kindlich erscheint, wie sie es am ersten Tage gewesen sein muss.

In dieser anmutigen Schönheit, die in allem rein ist, gehen Jesus, die Apostel und die Jünger dahin. Es sind da die jungen, taubedeckten Gräser, Blumen, die sich wie Kinder beim ersten Tageslicht öffnen, Vögel, die erwachen mit einem Flügelschlag und ihrem ersten fragenden „Zip“ ' als Vorspiel zu allen Liedern, die sie während des Tages singen; und schließlich die Düfte in der Luft, die sich in der Frühe durch das Taubad und die Abwesenheit des Menschen gereinigt hat von Staub, Rauch und Ausdünstungen menschlicher Körper. Auch Simon des Alphäus ist unter den Jünger des Herrn. Sie gehen in Richtung Südosten, lassen die Hügel, die eine Kette um Nazareth bilden, hinter sich, überschreiten einen Bach und überqueren eine Ebene, die zwischen die Hügel von Nazareth und eine Berggruppe im Osten eingezwängt ist. Diese Berge werden eingeleitet vom stumpfen Kegel des Tabor, der mich eigenartigerweise mit seinem Scheitel an den Hut unserer Karabinieri, von der Seite gesehen, erinnert.

Sie sind angekommen. Jesus bleibt stehen und sagt:

«Petrus, Johannes und Jakobus des Zebedäus werden mit mir auf den Berg steigen. Die anderen verteilen sich am Fuße des Berges und verkünden auf den Wegen und Straßen den Herrn. Gegen Abend möchte ich wieder in Nazareth sein. Entfernt euch also nicht zu sehr. Der Friede sei mit euch!» Indem er sich den drei Ersteren zuwendet, sagt er: «Laßt uns gehen.» Jesus beginnt den Aufstieg ohne sich umzuschauen und mit so eiligen Schritten, dass es Petrus nur mit Mühe schafft, ihm nachzukommen.

Während eines Augenblickes der Rast fragt Petrus, der rot und schweißgebadet ist, keuchend: «Aber wohin gehen wir denn? Auf dem Berg gibt es doch keine Häuser. Auf dem Gipfel steht nur die alte Festung. Willst du dort predigen?»

«Dann hätte ich den Weg auf der anderen Seite des Berges eingeschlagen. Aber du siehst, dass ich ihm den Rücken zuwende. Wir werden nicht zur Festung gehen, und die Leute in ihr werden uns nicht einmal bemerken. Ich gehe, mich mit meinem Vater zu vereinigen, und ich habe euch mitnehmen wollen, weil ich euch liebe. Auf also!»

«O mein Herr! Können wir nicht etwas langsamer gehen und über das sprechen, was wir gestern gehört und gesehen haben und was uns die ganze Nacht wachgehalten hat?»

«Zu Begegnungen mit Gott begibt man sich immer eilenden Schrittes. Nimm dich zusammen, Simon Petrus! Wenn wir oben sind, lasse ich euch dann ausruhen.» Und er geht weiter bergauf...

Jesus sagt: «Hier setzt ihr die Vision der Verklärung vom 5. August 1944 ein, aber ohne das damit verbundene Diktat. Wenn die Abschrift der Vision der Verklärung vom letzten Jahr beendet ist, dann soll P. Migliorini abschreiben, was ich dir jetzt zeige.»

Ich bin mit meinem Jesus auf einem hohen Berg. Mit Jesus sind Petrus, Jakobus und Johannes. Sie steigen noch höher hinauf, und dem Blick öffnen sich immer weitere Horizonte, wo man an diesem schönen, heiteren Tag auch die entferntesten Einzelheiten ganz klar erkennen kann.

Der Berg gehört nicht zu einer Bergkette wie die von Judäa, sondern erhebt sich völlig einsam in der Ebene und hat von dem Ort aus gesehen, an dem wir uns befinden, den Osten vor sich, den Norden links und den Süden rechts, und weiter hinten, gegen Westen, den Gipfel, der noch etwa hundert Meter höher liegt.

Er ist sehr hoch, und man hat von hier aus einen weiten Rundblick. Der See von Genesareth scheint ein Stück Himmel zu sein, dass in das Grün der Erde eingebettet liegt; ein türkisblaues Oval, umringt von Smaragden bunter Schattierungen; ein zitternder Spiegel, der sich im leichten Wind kräuselt und auf dem Boote mit gesetzten Segeln behende wie Möven dahingleiten, leicht geneigt gegen die blauen Wellen und mit der Anmut eines Eisvogels, der auf der Suche nach Beute über die Wellen streicht.

Nun sieht man aus dem ausgedehnten Türkis einen Fluß herauskommen. Er ist dort, wo sich das Flußbett verbreitert, hellblau, und wird allmählich dunkler, wo die Ufer sich verengen und das Wasser tiefer und von Bäumen beschattet ist, die dank der Feuchtigkeit des Erdreichs besonders üppig wachsen. Der Jordan gleicht einem geraden Pinselstrich in der grünen Ebene, mit kleinen Ortschaften auf beiden Seiten des Flusses über die ganze Ebene verstreut. Einige bestehen nur aus einzelnen Häusern, andere sind ausgedehnter und gleichen Städtchen. Die Hauptstraßen ziehen sich wie gelbliche Linien durch die grüne Landschaft. Aber hier, auf der Seite des Berges, ist die Ebene fruchtbarer und dichter bebaut, sehr schön. Man sieht die verschiedenen Kulturen in ihrer Farbenpracht in der Sonne, die von einem heiteren Himmel herabscheint.

Es muss Frühling sein, vielleicht März, wenn ich den Breitengrad von Palästina in Betracht ziehe, denn ich sehe schon hohes, aber noch grünes Getreide. Es wogt wie ein blaugrünes Meer, und die ersten weißen und rosaroten Kronen der Obstbäume zeichnen sich auf diesem kleinen Meer von Pflanzen ab. Ferner sehe ich Wiesen mit unzähligen Blumen im hohen Gras, in dem die Schafe aussehen wie Schnee, der sich da und dort im Grün angehäuft hat.

Ganz nahe am Berg, auf den niedrigen Hügeln, die sein Fundament bilden, liegen zwei Städtchen, eines gegen Süden, dass andere gegen Norden. Die sehr fruchtbare Ebene dehnt sich, besonders in Richtung Süden, immer weiter aus.

Nach einer kurzen Rast im Schatten einer Baumgruppe, sicher wegen Petrus, den der Aufstieg sichtlich ermüdet hat, beginnt Jesus weiter aufzusteigen. Er geht fast bis zum Gipfel, dorthin, wo sich ein mit Gras bewachsenes Plateau befindet, dass im Halbkreis von einigen Bäumen begrenzt wird.

«Ruht euch aus, Freunde. Ich will dorthin gehen, um zu beten», sagt Jesus, indem er auf einen großen Felsblock zeigt, der nicht gegen den Abhang, sondern nach innen, dem Gipfel zu, emporragt.

Jesus kniet auf der Wiese nieder und lehnt Hände und Haupt an den Felsblock, dieselbe Haltung, die er später beim Gebet in Gethsemane einnehmen wird. Die Sonne bescheint ihn nicht, da der Gipfel ihn vor ihr schützt, doch der übrige Rasenplatz ist sehr sonnig, außer dem schattigen Rand mit den Bäumen, unter welchen sich die Apostel niedergelassen haben.

Petrus löst seine Sandalen, schüttelt Staub und Steinchen ab und bleibt barfuß, mit seinen müden Füßen im frischen Gras, halb ausgestreckt liegen, wobei er den Kopf auf einem grünen Büschel ruhen läßt, dass etwas höher aus dem Gras ragt und eine Art Polster bildet.

Jakobus tut es ihm nach. Doch, um es sich bequemer zu machen, sucht er nach einem Baumstumpf, auf den er seinen Mantel legt, um sich darauf zu stützen.

Johannes bleibt sitzen und beobachtet den Meister. Aber die Ruhe des Ortes, dass frische Lüftchen, die Stille und die Müdigkeit überwältigen auch ihn, und sein Kopf sinkt auf die Brust und seine Augen fallen zu. Keiner von den dreien schläft tief, sie sind nur von der sommerlichen Schläfrigkeit wie betäubt.

Doch plötzlich werden sie durch eine Lichtfülle aufgeweckt, die so lebendig erstrahlt, dass selbst die Sonne in ihr entschwindet; sie dringt bis zum Grün der Bäume und Sträucher, wo sie sich niedergelassen haben.

Erstaunt öffnen sie ihre Augen und sehen Jesus verklärt. Jesus ist genau so, wie ich ihn in den Visionen des Paradieses schaue, natürlich ohne die Wundmale und ohne das Siegeszeichen des Kreuzes. Aber die Majestät seines Antlitzes und seiner Gestalt ist dieselbe, er strahlt wie im Himmel und trägt dasselbe Gewand wie dort, dass sich aus einem dunkelroten in ein diamantenes, perlglänzendes immaterielles Gewebe verwandelt hat. Sein Antlitz ist eine Sonne, die stärker leuchtet als Sterne, und seine Augen strahlen wie Saphire. Er scheint noch stattlicher zu sein, als habe die Verklärung seine Gestalt anwachsen lassen. Ich kann nicht sagen, ob die Lichtfülle, die den ganzen Platz in phosphoreszierendes Licht taucht, ihm entströmt, oder ob sich sein eigenes Licht mit dem vermischt, dass sich vom All und vom Paradies auf seinen Herrn ausgießt. Ich weiß nur, dass es etwas Unbeschreibliches ist.

Jesus steht jetzt aufrecht da, vielmehr, er schwebt über der Erde, denn zwischen ihm und dem Grün des Bodens ist eine Lichtwolke, ein Zwischenraum aus lauter Licht, auf dem er zu stehen scheint. Doch ist es so lebendig, dass ich mich auch täuschen könnte, und das Verschwinden des Grüns unter den Füßen Jesu könnte auch hervorgerufen sein durch dieses intensive Licht, dass vibriert und wogt, wie man es oft bei großen Feuern sieht, blendend weiße Wogen. Jesus steht da, mit zum Himmel erhobenem Antlitz, und lächelt einer Vision zu, die ihn verzückt.

Die Apostel geraten beinahe in Angst und rufen ihm zu, denn er scheint ihnen nicht mehr ihr Meister zu sein, so erhaben verklärt und verwandelt ist er.

«Meister, Meister», rufen sie leise und ängstlich.

Doch er hört sie nicht.

«Er ist in Ekstase», sagt Petrus zitternd. «Was sieht er wohl?»

Die drei haben sich erhoben und möchten sich Jesus nähern, aber sie wagen es nicht.

Das Licht wird noch stärker durch zwei Flammen, die vom Himmel zu beiden Seiten Jesu herabkommen. Auf der Höhe der Ebene öffnet sich ihr Schleier, und es erscheinen zwei majestätische, strahlende Gestalten. Die eine ist älter, mit einem strengen, ernsten Blick und einem langen, zweigeteilten Bart. Von seiner Stirne gehen zwei Lichthörner aus, die ihn mir als Moses anzeigen. Die andere Gestalt ist hager, bärtig und behaart, ungefähr wie der Täufer, dem er in Gestalt, Magerkeit und Strenge des Blickes ähnlich sieht. Während das Licht von Moses weiß ist, wie das von Jesus, besonders die Strahlen, die von der Stirn ausgehen, ist das Licht, dass Elias ausströmt, sonnig, wie das einer lebendigen Flamme.

Die beiden Propheten stehen voller Ehrfurcht zu beiden Seiten ihres fleischgewordenen Gottes, und obwohl er in familiärem Ton mit ihnen spricht, verharren sie in ihrer ehrfurchtsvollen Haltung. Ich verstehe keines der gesprochenen Worte.

Die drei Apostel fallen zitternd auf die Knie und halten die Hände vors Gesicht. Sie möchten hinschauen, aber sie fürchten sich. Endlich sagt Petrus: «Meister, Meister, höre mich an!» Jesus wendet sich Petrus zu und lächelt, so dass dieser Mut faßt und sagt: «Es ist schön, mit dir, Moses und Elias hier zu sein. Wenn du willst, machen wir drei Zelte, für dich, für Moses und für Elias, und bleiben hier, um euch zu dienen...»

Jesus schaut ihn abermals an und lächelt noch ausdrücklicher. Dann schaut er auch Johannes und Jakobus an. Ein Blick, der die beiden mit Liebe umfängt! Auch Moses und Elias schauen die drei an und ihre Augen leuchten wie Blitze. Es müssen Strahlen sein, welche die Herzen durchdringen.

Die Apostel wagen kein Wort mehr zu sagen. Verängstigt schweigen sie und scheinen vor Verwunderung wie betäubt zu sein. Doch als ein Schleier, der weder ein Nebel, noch eine Wolke und auch kein Strahl ist, die drei Verklärten einhüllt und hinter einem noch helleren Lichtschirm verbirgt, und eine mächtige, wohlklingende Stimme die Luft erfüllt, fallen die drei zu Boden und verbergen das Antlitz im Gras.

«Das ist mein vielgeliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe. Auf ihn sollt ihr hören!»

Petrus hat, als er sich mit dem Gesicht voran zu Boden geworfen hat, ausgerufen: «Erbarmen mit mir Sünder! Die Herrlichkeit Gottes steigt herab!» Jakobus gibt keinen Laut von sich. Johannes flüstert mit einem Seufzer, als wäre er nahe daran, ohnmächtig zu werden: «Der Herr spricht!»

Keiner wagt seinen Kopf zu heben, selbst als es wieder ganz still geworden ist, und sie bemerken daher nicht, wie das natürliche Sonnenlicht zurückkehrt, in welchem Jesus in seinem roten Gewand wieder wie gewohnt erscheint. Lächelnd schreitet er auf sie zu, berührt und schüttelt sie und ruft sie beim Namen.

«Steht auf, ich bin es. Fürchtet euch nicht», sagt er, denn die drei wagen nicht, ihre Augen zu erheben und flehen um Barmherzigkeit für ihre Sünden, da sie fürchten, dass es der Engel des Herrn ist, der sie dem Allerhöchsten zeigen will.

«So erhebt euch doch. Ich gebiete es euch», wiederholt Jesus mit machtvoller Stimme. Sie schauen auf und sehen Jesus, der ihnen zulächelt.

«Oh, Meister, mein Gott!» ruft Petrus aus. «Wie wird es uns noch möglich sein, fortan an deiner Seite zu leben, da wir deine Herrlichkeit geschaut haben? Wie werden wir unter den Menschen leben können, wir sündigen Menschen, nun, da wir die Stimme Gottes gehört haben?»

«Ihr werdet an meiner Seite leben müssen und meine Herrlichkeit schauen bis zum Ende. Seid dessen würdig, denn die Zeit ist nahe. Gehorcht meinem und eurem Vater. Nun wollen wir zu den Menschen zurückkehren, denn ich bin gekommen, um unter ihnen zu sein und sie Gott zuzuführen. Laßt uns gehen. Seid im Gedenken an diese Stunde heilig, stark und treu. Ihr werdet einst teilhaben an meiner vollkommenen Herrlichkeit. Aber sprecht jetzt mit niemandem über das, was ihr gesehen habt. Auch nicht mit den Gefährten. Wenn der Menschensohn einst von den Toten auferstanden und in die Herrlichkeit des Vaters zurückgekehrt sein wird, dann werdet ihr sprechen, denn dann wird man, um an meinem Reiche teilzuhaben, glauben müssen.»

«Aber muss nicht Elias kommen, um dein Reich vorzubereiten? Die Rabbis sagen so.»

«Elias ist schon gekommen und hat die Wege des Herrn bereitet. Alles geschieht so, wie es geoffenbart worden ist. Aber jene, welche die Offenbarung lehren, kennen und begreifen sie nicht, denn sie sehen und erkennen nicht die Zeichen der Zeit und die Gesandten Gottes. Elias ist schon einmal zurückgekehrt. Ein zweites Mal wird er kommen, wenn die Endzeit angebrochen ist, um die Letzten für Gott vorzubereiten. Dieses Mal ist er gekommen, um die Ersten auf Christus vorzubereiten, und die Menschen haben ihn nicht erkennen wollen, haben ihn gepeinigt und getötet. Das gleiche werden sie mit dem Menschensohn tun, denn die Menschen wollen nicht erkennen, was zu ihrem Heil ist.»

Die drei senken nachdenklich und traurig ihre Häupter und gehen zusammen mit Jesus den gleichen Weg bergab, auf dem sie gekommen sind.

... Wiederum ist es Petrus, der bei einer Rast auf halbem Wege sagt: «Ach Herr! Ich sage, wie deine Mutter gestern: „Warum hast du uns das angetan?“ und füge hinzu: „Warum hast du uns das gesagt?“ Deine letzten Worte haben in unseren Herzen die Freude über diese herrliche Schauung ausgelöscht. Welch ein Tag voll großer Angst! Zuerst hat uns das große Licht Furcht eingeflößt, dass du uns gezeigt hast, und das stärker war, als wenn der ganze Berg gebrannt hätte und der Mond herabgestiegen wäre, um vor unseren Augen auf dem Plateau zu erstrahlen. Dann dein Aussehen und dein Schweben über der Erde, als wolltest du entschwinden. Ich hatte gefürchtet, dass du, angeekelt von den Bosheiten Israels, vielleicht auf Befehl des Allerhöchsten zum Himmel zurückkehren würdest. Dann hatte ich Angst, als Moses erschien, den die Seinen einst nicht mehr anzuschauen vermochten, ohne dass er mit einem Schleier bedeckt war: so

sehr erstrahlte sein Antlitz vom Widerschein Gottes. Damals jedoch war er noch Mensch, während er jetzt selig und von Gottes Licht erfüllt ist. Und Elias... Göttliche Barmherzigkeit! Ich glaubte schon, meine letzte Stunde sei gekommen, und mit einem Male erinnerte ich mich aller Sünden meines Lebens, von der ersten, da ich als Kind Obst aus der Kammer stahl, bis zur letzten vor einigen Tagen, da ich dir einen schlechten Rat gab. Mit welcher Furcht habe ich alles bereut! Dann hatte ich das Gefühl, dass die beiden Gerechten mich liebten... und wagte zu sprechen. Doch selbst ihre Liebe flößte mir Angst ein, denn ich verdiene die Liebe solcher Geister nicht. Und dann... dann! ... Die Angst der Ängste! Die Stimme Gottes! ... Jahwe hat gesprochen! Zu uns! Er hat zu uns gesagt: „Auf ihn sollt ihr hören!“ Auf dich! Und er hat dich seinen „geliebten Sohn, an dem er sein Wohlgefallen hat“, genannt. Welch eine Furcht! Jahwe! ... zu uns! ... Sicher hat uns nur deine Macht am Leben erhalten! ... Als du uns berührtest – deine Finger brannten wie Feuer – bin ich zum letzten Mal erschrocken. Ich glaubte, die Stunde des Gerichtes wäre gekommen, und der Engel habe mich berührt, um meine Seele zu nehmen und sie zum Allerhöchsten zu bringen... Wie hat nur deine Mutter es vermocht, zu sehen und zu hören... ich will sagen, jene Stunde, von der du uns gestern erzählt hast, zu überleben? Sie, die allein war, noch so jung und ohne dich...»

«Maria, die Makellose, konnte gar keine Angst vor Gott haben. Auch Eva hatte keine Angst vor ihm, solange sie unschuldig war. Ich, der Vater und der Heilige Geist waren zugegen, wir, die wir im Himmel, auf Erden und an jedem Ort gegenwärtig sind und unser Zelt im Herzen Marias aufgeschlagen hatten», sagt Jesus sanft.

«Was! Was! ... Aber danach hast du vom Tod gesprochen... und alle Freude war zu Ende... Aber warum ist gerade uns dreien all dies geschehen? Wäre es nicht besser gewesen, wenn alle Menschen deine Herrlichkeit geschaut hätten?»

«Gerade, weil ihr euch so betroffen fühlt, wenn ihr vom qualvollen Tod des Menschensohnes reden hört, habe ich, der Gottmensch, euch für diese Stunde und für immer stärken wollen mit der Vorauskenntnis dessen, was ich nach dem Tode sein werde. Erinnert euch stets daran, damit ihr es zu seiner Zeit verkündigen könnt... Habt ihr verstanden?»...

«O ja, Herr! Es ist nicht möglich, dies zu vergessen, und es wäre unnütz, darüber zu berichten. Sie würden uns für betrunken halten.»

Sie kehren zurück ins Tal. Aber als sie eine bestimmte Stelle erreicht haben, biegt Jesus in einen abschüssigen Pfad ein, der nach Endor führt, also auf die entgegengesetzte Seite, auf der er die Jünger zurückgelassen hat.

«Wir werden sie nicht mehr finden», sagt Jakobus. «Die Sonne beginnt unterzugehen. Sie werden sich an dem Ort versammeln, an dem du sie zurückgelassen hast.»

206

«Komm und mach dir keine dummen Gedanken.»

Tatsächlich erblicken sie beim Verlassen des Waldes, als sie über leicht abfallende Wiesen die Hauptstraße erreichen, die vielen Jünger am Fuß des Berges, sowie neugierige Wanderer und Schriftgelehrte, die wer weiß woher gekommen sind.

«O weh, Schriftgelehrte! ... sie disputieren schon!» sagt Petrus auf sie zeigend und geht das letzte Stück Weges schweren Herzens hinab.

Aber auch die unten haben sie gesehen und deuten nun auf sie. Dann beginnen sie auf Jesus zuzulaufen und schreien: «Wieso kommst du von dieser Seite, Meister? Wir waren dabei, zur verabredeten Stelle zurückzukehren, aber die Schriftgelehrten mit ihren Streitfragen und ein gequälter Vater mit seinen Bitten haben uns aufgehalten.»

«Worüber habt ihr gestritten?»

«Es ging um einen Besessenen. Die Schriftgelehrten haben uns verspottet, weil wir ihn nicht befreien konnten. Judas von Kerioth hat es dann noch einmal versucht, weil er sich durch ihre Worte getroffen fühlte. Aber es war nutzlos. Da haben wir gesagt: „Versucht ihr es doch“, und sie haben geantwortet: „Wir sind keine Exorzisten.“ Zufällig sind einige aus Caslot-Tabor vorbeigekommen, und unter ihnen waren zwei Exorzisten. Doch auch sie haben nichts erreicht. Da ist der Vater, der kommt, um dich um etwas zu bitten. Höre ihn an.»

Tatsächlich kommt ein Mann daher und kniet flehend vor Jesus nieder, der auf dem Wiesenhang etwa drei Meter über der Straße stehengeblieben, und daher für alle gut zu sehen ist.

«Meister», sagt der Mann zu ihm, «ich bin mit meinem Sohn nach Kapharnaum gegangen, um dich zu suchen. Ich wollte dir meinen unglücklichen Sohn bringen, damit du ihn befreist, du, der du die Dämonen austreibst und alle Krankheiten heilst. Er ist oft von einem stummen Geist besessen. Jedesmal wenn er ihn überfällt, kann er nur noch rauhe Schreie ausstoßen, wie ein erstickendes Tier. Der Geist wirft ihn zu Boden, und dann wälzt er sich, knirscht mit den Zähnen und schäumt wie ein Pferd, dass in den Zügel beißt, und verletzt sich oder läuft Gefahr zu ertrinken, zu verbrennen oder sich den Hals zu brechen, denn der Geist hat ihn mehr als einmal ins Wasser, ins Feuer und die Treppe hinuntergeworfen. Deine Jünger haben alles versucht, jedoch nichts gegen ihn vermocht. O gütiger Herr! Hab Erbarmen mit mir und meinem Knaben!»

Jesus flammt vor Macht, während er ausruft: «O verderbtes Geschlecht! O satanische Horde, aufrührerische Legion, ungläubiges und grausames Volk der Hölle, wie lange werde ich noch mit dir zusammen sein müssen? Wie lange werde ich dich noch zu ertragen haben?» Sein Auftreten ist so eindrucksvoll, dass plötzlich völliges Schweigen herrscht und auch das höhnische Grinsen der Schriftgelehrten aufhört.

Jesus sagt zum Vater: «Steh auf und bring deinen Sohn zu mir.»

Der Mann entfernt sich und kehrt bald mit anderen Männern zurück, die in ihrer Mitte einen Knaben von etwa zwölf bis vierzehn Jahren führen. Ein schöner Junge, aber mit einem verschleierten Blick, als wäre er betäubt. An der Stirn hat er eine lange, rote Wunde und etwas darunter eine helle, alte Narbe. Sobald er Jesus erblickt, der ihn mit seinen magnetischen Augen ansieht, stößt er einen heiseren Schrei aus und sein ganzer Körper wird von Krämpfen geschüttelt, während er schäumend und mit rollenden Augen zu Boden fällt und als er sich im typischen Anfall eines Epileptikers auf dem Boden wälzt, ist nur noch das Weiße der Augäpfel sichtbar.

Jesus nähert sich ihm einige Schritte und sagt: «Seit wann hat er diese Anfälle? Sprich laut, damit alle dich hören können.»

Der Mann schreit laut, während die Menschen sich um ihn drängen, und die Schriftgelehrten höher hinaufsteigen, um die Szene zu überblicken: «Von Kindheit an. Wie ich dir erzählt habe, fällt er oft ins Feuer, ins Wasser, die Treppen hinunter und von den Bäumen, denn der Geist überfällt ihn ganz plötzlich und stürzt ihn dann zu Boden, um ihn zu töten. Er ist voller Narben und Brandwunden, und es ist ein Wunder, dass er nicht schon durch das Herdfeuer erblindet ist. Kein Arzt, kein Exorzist und nicht einmal deine Jünger haben ihn heilen können. Aber wenn du etwas tun kannst, woran ich fest glaube, dann erbarme dich unser und hilf uns!»

«Wenn du so glauben kannst, ist mir alles möglich, denn alles wird dem gewährt, der glaubt.»

«O Herr! Und wie ich glaube! Aber wenn ich noch nicht genügend glaube, dann vermehre meinen Glauben, auf dass er vollendet sei und das Wunder erlange», stottert der Mann weinend, während er neben dem Sohn kniet, der sich in immer stärkeren Krämpfen windet.

Jesus richtet sich auf, geht zwei Schritte zurück, und während die Menge sich immer näher um ihn drängt, ruft er laut: «Verfluchter Geist, der du den Knaben taub und stumm machst und ihn quälst, ich befehle dir: verlasse ihn und kehre nie wieder zurück!»

Der Knabe macht jetzt, obwohl er auf dem Boden liegt, schreckliche Sprünge, indem er sich auf Kopf und Füße stützt und zu einem Bogen biegt. Er stößt unmenschliche Schreie aus, und nach einem letzten Aufbäumen, bei dem er nach vorne fällt und sich Stirn und Mund an einem im Gras liegenden Stein blutig schlägt, bleibt er reglos liegen.

«Er ist tot!» rufen viele.

«Armer Knabe!» «Armer Vater!» bemitleiden ihn die wohlmeinenden Menschen, und die Schriftgelehrten bemerken spöttisch: «Der Nazarener hat dich gut bedient!» und an Jesus gewandt: «Meister, was ist los? Dieses Mal hat Beelzebub dich blamiert...» und sie lachen höhnisch dazu.

Jesus antwortet niemandem, selbst nicht dem Vater, der den Sohn auf die Seite legt und ihm das Blut von der verletzten Stirn und den verletzten Lippen wischt, während er Jesus jammernd anfleht. Dann neigt sich der Meister nieder und nimmt den Knaben bei der Hand. Dieser öffnet mit einem tiefen Seufzer die Augen, als ob er aus einem Schlaf erwache, setzt sich auf und lächelt. Jesus läßt ihn aufstehen, zieht ihn an sich und übergibt ihn dem Vater, während das Volk vor Begeisterung schreit und die Schriftgelehrten sich, gefolgt vom Spott der Menge, davonmachen...

«Nun wollen wir gehen», sagt Jesus zu seinen Jüngern. Nachdem er sich von der Menge verabschiedet hat, geht er eine Weile am Fuß des Berges entlang und erreicht die Straße, auf der er am Morgen hergekommen ist.

Jesus sagt:

«Ich habe dich vorbereitet, meine Herrlichkeit zu betrachten. Morgen (6. August) wird die Kirche das Fest der Verklärung feiern. Doch möchte ich, dass mein kleiner Johannes sie in Wirklichkeit schaut, um sie besser zu verstehen. Ich habe dich nicht nur dazu erwählt, Traurigkeit und Leid deines Meisters kennenzulernen, denn wer fähig ist, meinen Schmerz mit mir zu teilen, soll auch an meiner Herrlichkeit teilhaben.

Ich möchte, dass du deinem Jesus gegenüber, der sich dir zeigt, die gleiche Demut und Reue empfindest wie meine Apostel.

Niemals darfst du stolz sein, denn du würdest dafür bestraft werden indem du mich verlierst.

Bedenke immer, wer ich bin und wer du bist.

Denke stets an deine Fehlerhaftigkeit und an meine Vollkommenheit, um ein durch Reue gereinigtes Herz zu haben, und habe auch gleichzeitig großes Vertrauen zu mir. Ich habe gesagt: „Fürchtet euch nicht! Erhebt euch! Laßt uns unter die Menschen gehen, denn ich bin gekommen, um bei ihnen zu sein. Seid heilig, stark und treu in Erinnerung an diese Stunde.“ Dasselbe sage ich auch zu dir und zu allen meinen Auserwählten unter den Menschen, zu jenen, die mich auf besondere Weise besitzen.

Fürchtet euch nicht vor mir. Ich zeige mich, um euch zu erheben, nicht um euch zu vernichten. Erhebt euch: die Freude des Geschenkes gebe euch Kraft und stumpfe euch nicht ab zu einer weichlichen Gelassenheit, indem ihr euch des Heiles schon sicher glaubt, weil ich euch den Himmel gezeigt habe. Laßt uns zusammen unter die Menschen gehen. Ich habe euch zu übermenschlichen Werken bestimmt, mit übermenschlichen Visionen und Unterweisungen, auf dass ihr mir umso besser dienen könnt. Ich lasse euch an meinem Werk teilnehmen, doch ich habe keine Ruhe gekannt und kenne sie auch jetzt nicht; denn da das Böse nie ruht, muss das Gute stets tätig bleiben, um das Werk des Feindes nach besten Kräften zunichte zu machen. Wir werden ausruhen, wenn die Zeit erfüllt ist. Jetzt müssen wir unermüdlich vorangehen, fortwährend wirken, uns rastlos verzehren für die Ernte Gottes. Die immerwährende Vereinigung mit mir heilige euch. Meine fortwährende Lebte kräftige euch, und meine besondere Bevorzugung für euch mache euch in jeder Nachstellung standhaft. Seid nicht wie die alten Rabbis, die die Offenbarung wohl lehrten, jedoch nicht daran glaubten, so dass sie schließlich die Zeichen der Zeit und die Boten Gottes nicht mehr erkannten. Bekennt euch zu den Vorläufern Christi bei seiner zweiten Ankunft, denn die Kräfte des Antichristen wallen überall. Was viele für einen Sieg über den Anticliristen halten, für einen scheinbaren Frieden, ist nichts anderes als eine Pause, die den Feinden Christi Zeit läßt, ihre Kräfte zu sammeln, ihre Wunden zu heilen und ihr Heer für eine noch grausamere Schlacht vorzubereiten.

Erkennt, ihr „Stimmen“ eures Jesu, des Königs der Könige, des Getreuen und Wahrhaftigen, der richtet und kämpft in Gerechtigkeit und Sieger über das Tier, seine Diener und Propheten sein wird: erkennt, was zu eurem Besten ist und verwirklicht es stets.

Kein trügerischer Anschein verführe euch, und keine Verfolgung werfe euch nieder. Eure „Stimme“ wiederhole meine Worte. Euer Leben sei diesem Werk geweiht, und wenn ihr auf Erden das gleiche Schicksal wie Jesus Christus, sein Vorläufer und Elias erfahren solltet und körperliche oder seelische Leiden ertragen müßt, so freut euch über euer künftiges Leben, dass ihr mit Christus, mit seinem Vorläufer und dem Propheten gemein haben werdet.

Wie in der Arbeit, so auch in den Leiden und in der Verherrlichung bin ich Meister und Vorbild! Dort bin ich Lohn und König! Mich zu besitzen, wird eure Glückseligkeit sein und euch den Schmerz vergessen lassen. Keine Offenbarung kann euch ganz begreifen lassen, wie es sein wird, denn die Seligkeit des künftigen Lebens übersteigt alle Vorstellungskraft eines Geschöpfes, welches noch mit dem Fleisch umhüllt ist.»