29.09.2016

»ICH BIETE DIR, WAS ICH HABE, MEISTER, UND ICH GEBE MICH, WIE ICH BIN«

nach Maria Valtorta

Johannes klopft an die Tür des Hauses, in dem Jesus zu Gast ist. Eine Frau erscheint, und da sie Johannes erkennt, ruft sie Jesus herbei.

Jesus begrüßt Johannes mit dem Friedensgruß. Dann sagt er: »Du bist früh gekommen, Johannes.«

»Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass Simon Petrus dich bittet, nach Betsaida zu kommen. Er hat zu vielen über dich gesprochen. Wir haben diese Nacht nicht gefischt. Wir haben gebetet, so gut wir konnten, und haben auf den Verdienst verzichtet, da der Sabbat noch nicht zu Ende war. Und diesen Morgen sind wir auf die Straßen gegangen und haben von dir gesprochen. Nun möchten dich die Menschen sehen . . . Komm, Meister!«

»Ich komme. Übrigens muss ich nach Nazaret gehen, bevor ich nach Jerusalem aufbreche.«

»Petrus wird dich mit seinem Boot von Betsaida nach Tiberias bringen; das geht rascher.«

»Dann gehen wir!«

Jesus nimmt Mantel und Tasche. Doch Johannes nimmt ihm die Tasche ab. Sie verabschieden sich von der Hausbesitzerin und gehen.

Die Vision zeigt mir den Ausgang des Dorfes und den Anfang der Reise nach Betsaida. Ich höre keine Gespräche, die Vision wird unterbrochen und beginnt erst wieder bei der Ankunft der beiden in Betsaida. Ich verstehe, dass es diese Stadt ist, denn ich sehe Petrus, Andreas und Jakobus und mit ihnen Frauen, die Jesus beim Eingang eines Hauses erwarten.

»Der Friede sei mit euch! Hier bin ich.«

»Danke, Meister, unsererseits und im Namen derer, die dich erwarten! Es ist zwar nicht Sabbat; doch sprichst du nicht zu allen, die dich hören wollen?«

»Ja, Petrus; ich werde in deinem Haus sprechen.«

Petrus ist selig. »Komm herein! Dies ist meine Frau, und dies hier die Mutter des Johannes, diese deren Freundinnen. Jedoch auch andere erwarten dich: Verwandte und Freunde.«

»Sage ihnen, dass ich heute abend abreise, aber vorher mit ihnen sprechen werde.«

Ich vergaß zu sagen, dass sie am Vorabend von Kafarnaum aufgebrochen waren und ich sie am anderen Morgen hier in Betsaida ankommen sah. Vielleicht verbrachte Jesus die Nacht gewohnheitsgemäß im Gebet.

»Meister, ich bitte dich, bleibe eine Nacht in meinem Haus. Der Weg nach Jerusalem ist weit, auch wenn ich ihn dir abkürze und dich mit dem Boot nach Tiberias bringe. Mein Haus ist arm, doch ehrbar und freundlich. Bleibe bei uns diese Nacht!«

Jesus schaut umher, die anderen sind erwartungsvoll – sein Blick prüft sie. Dann lächelt er und sagt: »Ja.«

Neue Freude für Petrus.

Leute stehen an der Tür und sind neugierig. Ein Mann ruft nach Jakobus und spricht leise mit ihm, indem er mit dem Finger auf Jesus deutet. Jakobus nickt, und der Mann geht, um sich mit den anderen auf der Straße zu unterhalten.

Sie treten ins Haus des Petrus ein, in eine große, rauchige Küche. In einer Ecke Netze, Hanf und Fischkörbe. In der Mitte die Feuerstelle, breit und niedrig, doch ohne Feuer. Durch die beiden gegenüberliegenden Türen sieht man die Straße und den Garten mit den Weinreben und dem Feigenbaum. Jenseits der Straße der himmelblaue See. Der Garten wird von der dunklen Mauer eines Nachbarhauses abgegrenzt.

»Ich biete dir, was ich habe, Meister, und gebe mich, wie ich bin.«

»Besseres und mehr könntest du nicht geben, denn du bietest es mir mit Liebe an.«

Sie geben Jesus nun Wasser zur Erfrischung; dann bieten sie Brot und Oliven an. Er kostet davon ein wenig, um zu zeigen, dass er es annimmt; dann aber lehnt er dankend ab.

Kinder blicken vom Garten und von der Straße herein. Ich weiß jedoch nicht, ob es Kinder des Petrus sind. Ich sehe nur, dass er ihnen warnende Blicke zuwirft, um die Neugierigen zurückzuhalten. Jesus lächelt und sagt: »Laß sie nur gewähren!«

»Meister, möchtest du dich ausruhen? Hier ist mein Raum, dort der des Andreas. Du kannst wählen. Wir werden keinen Lärm machen, während du ruhst.«

»Du hast bestimmt auch eine Terrasse.«

»Ja, und auch eine Laube. Die Reben haben zwar noch wenig Blätter, doch etwas Schatten geben sie schon.«

»Begleite mich dorthin! Ich möchte mich dort ausruhen, nachdenken und beten.«

»Wie du willst. Komm!«

Vom Gärtchen führt eine Stiege auf das Dach, das eine von einer niederen Mauer umgebene Terrasse bildet. Auch hier Netze und Körbe; doch wieviel Himmelslicht und Bläue vom See! Jesus setzt sich auf einen Hocker mit dem Rücken gegen die Mauer. Petrus hantiert mit einem Segel, das er aufspannt, um die Sonne abzuschirmen. Hier ist Luft und Stille. Jesus freut sich sichtlich darüber.

»Ich gehe, Meister.«

»Geh! Du und Johannes, ihr könnt gehen und sagen, dass ich hier gegen Abend sprechen werde.«

Jesus bleibt allein und betet lange. Außer zwei Tauben, die hin und her zu ihrem Nest fliegen, und einem Gezwitscher von Spatzen ist kein Geräusch oder Lebenszeichen um den betenden Jesus zu hören.

Die Stunden vergehen ruhig und friedlich. Nun erhebt sich Jesus, geht auf der Terrasse umher, schaut auf den See, blickt auf die Kinder, die auf der Straße spielen und ihn nun entdecken, und lächelt ihnen zu. Dann schaut er auf die Straße in Richtung des Platzes, der etwa hundert Meter vom Haus entfernt ist. Er geht hinunter, blickt in die Küche und sagt: »Frau, ich gehe etwas am Ufer spazieren.«

Er verläßt das Haus und geht zum Ufer, zu den spielenden Kindern. Er fragt sie: »Was macht ihr?«

»Wir wollten Krieg spielen; doch der da will nicht; so spielen wir eben Fischfang.«

„Der da“, der nicht wollte, ist ein zarter Junge mit einem schönen Antlitz. Vielleicht weiß er, zart wie er ist, dass er beim Kriegsspiel nur verlieren würde, und überredet daher zum Frieden.

Doch Jesus schickt sich an, mit diesen Kindern zu sprechen.

»Er hat recht, der Krieg ist eine Strafe Gottes für die Menschen und ein Zeichen dafür, dass der Mensch nicht mehr ein wahres Kind Gottes ist. Als der Allmächtige die Welt erschuf, machte er alles: Die Sonne, das Meer, die Sterne, die Flüsse, die Pflanzen, die Tiere, aber keine Waffen. Er schuf den Menschen und gab ihm Augen, damit er Blicke der Liebe habe, einen Mund, um Worte der Liebe zu sagen, Gehör, um sie zu hören, Hände zum Helfen und Liebhaben, Füße, um rasch dem notleidenden Bruder zu Hilfe eilen zu können, und ein Herz, das fähig ist zu lieben. Er gab dem Menschen den Verstand, die Sprache, die Gefühle, den Geschmack. Doch er gab ihm nicht den Haß. Warum? Weil der Mensch als Geschöpf Gottes Liebe sein sollte, wie Gott die Liebe ist. Wäre der Mensch so geblieben, wie Gott ihn erschaffen hat, dann wäre er in der Liebe geblieben, und die Menschen hätten Krieg und Tod nie kennenlernen müssen.«

»Aber er will nicht Krieg spielen, weil er immer verliert.« (So hatte ich also recht geraten.)

Jesus lächelt und sagt: »Man soll etwas nicht nur deshalb vermeiden, weil es uns schadet. Man soll etwas auch nicht tun, wenn es den anderen schadet. Wenn einer sagt, ich will dies nicht tun, weil ich verliere, dann ist er ein Egoist. Das gute Kind Gottes sagt: „Brüder, ich weiß, dass ich gewinnen kann; doch lassen wir es sein, weil es euch schaden könnte.“ Dieser hätte dann wahrlich das Hauptgebot verstanden. Wer kann es mir nennen?«

Im Chor sagen elf Stimmen auf: »Du sollst den Herrn deinen Gott lieben mit deinem ganzen Sein und den Nächsten wie dich selbst.«

»Ihr seid aber tüchtige Kinder. Geht ihr alle schon zur Schule?«

»Ja . . . «

»Wer ist der Tüchtigste?«

»Der da« – es ist der schmächtige Junge, der nicht Krieg spielen will.

»Wie heißt du?«

»Joël.«

»Das ist ein bedeutungsvoller Name. Joël bedeutet: „. . . der Schwache sage: Ich bin stark!“ Doch worin stark? Im Gesetz des wahren Gottes, um unter denen zu sein, die er im Tal des Gerichts als seine Heiligen bezeichnen wird. Das Gericht ist schon nahe. Nicht im Tal des Gerichts, sondern auf dem Berg der Erlösung. Dort, zwischen Sonne und Mond, die durch den Schrecken verdunkelt sind, und den Sternen, die zittern bei den Klagen um Barmherzigkeit, werden die Kinder des Lichtes von den Kindern der Finsternis getrennt. Und ganz Israel wird dann wissen, dass sein Gott gekommen ist. Glücklich, wer ihn erkannt hat! Milch und Honig und reines Wasser werden sein Herz erquicken, und die Dornen werden sich in ewige Rosen verwandeln. Wer unter euch möchte zu denen gehören, die von Gott als heilig befunden werden?«

»Ich! Ich! Ich!«

»So liebt ihr also den Messias?«

»Ja, ja . . . wir lieben dich. Wir wissen, wer du bist. Simon und Jakobus und unsere Mütter haben es uns gesagt. Nimm uns mit!«

»Ich werde euch in Wahrheit annehmen, wenn ihr brav seid. Aber ja keine bösen Worte mehr, keinen Eigensinn, keine Widerrede, keine unartigen Antworten den Eltern gegenüber! Gebet, Studium, Arbeit, Gehorsam; dann werde ich euch lieben und mit euch sein.«

Die Kinder bilden um Jesus herum einen Kreis. Es sieht aus wie ein vielfarbiger Kranz um einen dunkelblauen Blütenkelch.

Ein älterer Mann ist neugierig nähergekommen. Jesus wendet sich gerade um, ein Kind zu streicheln, das ihn am Gewand gezupft hat, als er den Mann sieht. Er blickt ihn eindringlich an. Jener grüßt errötend, sagt aber nichts.

»Komm und folge mir!«

»Ja, Meister . . . «

Jesus segnet die Kinder und kehrt an der Seite des Philippus (er nennt ihn beim Namen) ins Haus zurück. Sie setzen sich im Garten.

»Willst du mein Jünger sein?«

»Ich möchte schon, wage aber nicht zu hoffen, es zu werden . . . «

»Ich habe dich gerufen!«

»Hier bin ich!«

»Wußtest du von mir?«

»Andreas hat mir von dir erzählt und gesagt: „Der, den du erhofft hast, ist gekommen“, denn Andreas wußte, wie sehr ich auf den Messias warte.«

»Dein Warten ist belohnt. Er steht vor dir.«

»Mein Herr und mein Gott!«

»Du bist ein Israelit mit redlicher Gesinnung. Daher zeige ich mich dir. Ein anderer deiner Freunde wartet – auch er ist ein aufrichtiger Israelit. Geh und sage ihm: „Wir haben Jesus von Nazaret, den Sohn des Josef aus dem Geschlecht Davids, gefunden, ihn, von dem Mose und die Propheten gesprochen haben.“ Geh nun!«

Jesus bleibt allein, bis Philippus mit Natanaël-Bartholomäus zurückkommt.

»Sieh, ein wahrer Israelit, an dem kein Falsch ist! Der Friede sei mit dir, Natanaël!«

»Woher kennst du mich?«

»Bevor Philippus dich rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen.«

»Meister, du bist der Sohn Gottes, der König Israels!«

»Glaubst du deswegen, weil ich sagte, dass ich dich gesehen habe, während du unter dem Feigenbaum nachdachtest? Du wirst noch größere Dinge erleben als dieses. Wahrlich, ich sage euch, die Himmel werden sich öffnen, und durch euren Glauben werdet ihr die Engel niedersteigen sehen, um sich über dem Menschensohn niederzulassen: über mir, der ich zu dir spreche.«

»Meister, ich bin nicht würdig, so viel Gunst zu erfahren!«

»Glaube an mich, und du wirst des Himmels würdig sein! Willst du glauben?«

»Ich will, Meister!«

Die Vision wird unterbrochen . . . und beginnt wieder auf der Terrasse, auf welcher sich viele Menschen versammelt haben. Noch mehr Menschen befinden sich im Garten des Petrus. Jesus spricht: »Friede den Menschen, die guten Willens sind! Friede und Segen ihren Häusern, ihren Frauen, ihren Kindern! Gottes Gnade und sein Licht sei mit ihnen und in ihren Herzen!

Ihr habt danach verlangt, mich zu hören. Das Wort spricht. Es spricht zu den Ehrbaren mit Freude, zu den Ehrlosen mit Schmerz, zu den Heiligen und Reinen mit Liebe und zu den Sündern mit Erbarmen. Es entzieht sich euch nicht. Es ist gekommen, um sich wie ein Strom auszubreiten, um die nach Wasser lechzende Erde zu tränken und sie zu erfrischen und zu nähren.

Ihr wollt wissen, was notwendig ist, um Jünger des Wortes Gottes zu werden, des Messias, der kommt, um Israel zu vereinigen, damit es die Worte des heiligen und unveränderlichen Dekalogs wieder höre und sich in ihnen reinige, um rein zu sein – soweit der Mensch dazu fähig ist – für die Stunde der Erlösung und des Reiches Gottes?

Ich sage den Tauben, den Blinden, den Stummen, den Aussätzigen, den Lahmen, den Toten: „Steht auf, seid geheilt! Erhebt euch und geht! Es sollen sich in euchdie Ströme des Lichtes, der Töne und des Wortes öffnen, damit ihr sehen, hören und von mir sprechen könnt.“ Doch mehr als an eure Leiber wende ich mich an eure Seelen. Ihr Menschen guten Willens, kommt ohne Furcht zu mir!

Wenn euer Geist schwach ist, ich werde ihn kräftigen. Wer krank ist,

den werde ich heilen. Wer tot ist, den werde ich auferwecken. Ich

verlange nur euren guten Willen!

Ist es schwer, was ich von euch verlange? Nein. Ich belaste euch nicht mit Hunderten von Gesetzen, wie die Rabbis es tun. Ich sage euch: folgt den Zehn Geboten! Sie sind das unveränderliche Gesetz. Viele Jahrhunderte sind vergangen seit der Stunde, da es euch schön, rein und frisch gegeben wurde; wie eine frisch erblühte Rose. Es ist einfach, klar und leicht zu befolgen. Im Lauf der Jahrhunderte haben Schuld und Bosheit es kompliziert gemacht mit Gesetzen und Gesetzlein, mit Belastungen und Verkürzungen, mit zu vielen schwerfälligen Klauseln. Ich bringe euch das Gesetz zurück, so wie der Allerhöchste es euch gegeben hat. Doch ich bitte euch um eurer selbst willen: nehmt es aufrichtigen Herzens an, wie die echten Israeliten von damals!

Ihr murrt mehr in euren Herzen als mit den Lippen darüber, dass die Schuld nicht so sehr bei euch Kleinen als bei den Großen liegt. Ich weiß es. Im Deuteronomium wird alles gesagt, was zu tun ist, mehr ist nicht nötig. Doch verurteilt nicht jene, die alles auf die anderen beziehen, nicht aber selbst tun. Tut das, was Gott sagt! Vor allem, bemüht euch, vollkommen zu sein in den beiden Hauptgeboten! Wenn ihr Gott mit all euren Kräften liebt, dann könnt ihr nicht

sündigen; denn die Sünde ist ein Gott zugefügter Schmerz. Wer liebt, will keinen Schmerz bereiten. Wenn ihr den Nächsten liebt wie euch selbst, dann seid ihr gehorsame Kinder eurer Eltern, treue Ehegatten, ehrbare Händler, friedfertig gegen Feinde, aufrichtig beim Reden, ohne Neid gegen den Wohlhabenden und ohne Verlangen nach dem Weib eines anderen. Dann wollt ihr den anderen nicht antun, was ihr selbst nicht wollt, dass es euch angetan werde. Ihr werdet nicht stehlen, nicht morden, nicht verleumden und werdet nicht wie ein Kuckuck in das Nest eines anderen gehen. Doch ich sage euch: Bemüht euch um Vollkommenheit in der Beachtung der beiden Gebote der Liebe und liebt auch eure Feinde!

Oh, wie wird euch der Allmächtige lieben, der die Menschen so sehr liebt, die ihm durch die Erbsünde und die persönlichen Sünden zu Feinden geworden sind! Er sendet ihnen den Erlöser, das Lamm, das sein eigener Sohn ist; mich, der zu euch spricht; den verheißenenen Messias, der euch von jeder Schuld erlösen will, wenn ihr so zu lieben versteht wie er. Liebt also, und die Liebe wird die Leiter sein, auf der ihr gleich Engeln bis zum Himmel emporsteigen könnt, wie Jakob dies gesehen hat; und ihr werdet den Vater zu jedem von euch sagen hören:

„Ich werde dich beschützen, wohin du auch gehst, und dich in dieses Land zurückführen: in den Himmel, das ewige Reich.“

Der Friede sei mit euch!«

Die Leute stimmen bewegt zu und entfernen sich langsam. Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes, Philippus und Bartholomäus bleiben.

»Willst du morgen abreisen, Meister?«

»Morgen beim Morgengrauen, wenn es dir recht ist.«

»Ich bedaure, dass du gehst. Doch die Zeit ist mir recht, sogar willkommen.«

»Wirst du fischen?«

»Heute nacht beim Mondschein.«

»Du tatest gut daran, letzte Nacht nicht zu fischen. Der Sabbat war noch nicht zu Ende. Nehemia verlangte in seiner Reform, dass in Juda der Sabbat respektiert werde. Zu viele Menschen dreschen am Sabbat, tragen Lasten, befördern Wein und Obst, kaufen und verkaufen Fische und Lämmer. Sechs Tage habt ihr für die Arbeit, der Sabbat gehört dem Herrn. Nur eines ist auch am Sabbat erlaubt: gut zum Nächsten zu sein! Doch es darf dabei absolut kein Gewinn erzielt werden. Wer um des Gewinnes willen den Sabbat schändet, verdient die Strafe Gottes. Ist das nützlich? Er wird den Gewinn in den nächsten sechs Tagen wieder verlieren. Überdies hat er unnütz seinen Körper ermüdet und ihm nicht die Ruhe gewährt, welche die Weisheit vorgesehen hatte; dazu kommt noch, dass er im Geist zornig darüber ist, unnütz gearbeitet zu haben. Der Tag des Herrn muss verbracht werden im Gebet, in der Liebe und in Vereinigung mit Gott! Man muss in allem treu sein!«

»Aber . . . die Schriftgelehrten und Pharisäer, die so streng mit uns sind . . . sie arbeiten am Sabbat nicht und geben nicht einmal einem Hungernden ein Stück Brot, um sich nicht zu ermüden, wenn sie es ihm reichen . . . doch Wucher treiben sie auch am Sabbat. Darf man dies denn auch am Sabbat, da es sich um keine materielle Arbeit handelt?«

»Nein, niemals! Weder am Sabbat noch an einem anderen Tag. Wer Wucher treibt, ist unredlich und grausam.«

»Die Schriftgelehrten und Pharisäer sind also . . . «

»Simon, nicht richten . . . du sollst es nicht tun!«

»Aber ich habe Augen, um zu sehen.«

»Gibt es nur das Böse zu sehen, Simon?«

»Nein, Meister.«

»Warum blickst du nur nach dem Bösen?«

»Du hast recht, Meister.«

»Ich werde also beim Morgengrauen mit Johannes abreisen.«

»Meister!«

»Was ist, Simon?«

»Meister, willst du wirklich nach Jerusalem gehen?«

»Du weißt es.«

»Auch ich werde an Ostern hingehen, mit Andreas und Jakobus.«

»Und? . . . Willst du damit sagen, dass du mit mir kommen willst? Und der Fischfang? Und der Verdienst? Du sagtest doch zu mir, dass du es liebst, Geld zu verdienen; und ich werde lange abwesend sein. Zuerst gehe ich zur Mutter und auf dem Rückweg ebenfalls. Ich werde mich dort aufhalten, um zu predigen. Was willst du tun?«

Petrus ist unschlüssig, er kämpft mit sich. Dann entscheidet er:

»Was mich betrifft, ich komme! Ich ziehe dich dem Geld vor.«

»Auch ich komme.«

»Auch ich.«

»Auch wir, nicht wahr, Philippus?«

»So kommt also; ihr werdet mir helfen.«

»Oh!« . . . Petrus ist begeistert von der Idee, Jesus eine Hilfe zu sein. »Aber wie werden wir dir helfen können?«

»Ich werde es euch sagen; ihr habt nur zu tun, was ich euch sagen werde, um gut zu handeln. Der Gehorsame macht es immer richtig. Nun wollen wir beten, dann geht ihr alle nach Hause.«

»Was wirst du tun, Meister?«

»Ich werde nochmals beten. Ich bin das Licht der Welt, aber auch der Menschensohn. Ich muss also immer im Licht bleiben, um der Mensch sein zu können, welcher die Menschen erlöst. Laßt uns beten!«

Jesus betet einen Psalm, den, der so beginnt: »Wer im Schutz des Allerhöchsten wohnt, lebt im Schutz Gottes, der im Himmel ist. Er sagt zum Herrn: „Du bist mein Helfer und meine Zuflucht. Du bist mein Gott, in dir liegt meine Hoffnung. Er befreit mich aus der Schlinge der Jäger . . . „«

Die Vision endet damit.