19.09.2016

IHR HABT DIE AUFGABE, AN DEN WAHREN GOTT ZU ERINNERN; IHR MÜSST DAS LICHT GOTTES IN EUCH TRAGEN

nach Maria Valtorta

»Ihr seid das Licht der Welt. Ihr seid wie dieser Berggipfel, auf den noch die letzten Strahlen der Sonne fallen und der sich als erster mit dem silbernen Schein des Mondes kleidet. Was in der Höhe ist, leuchtet und wird gesehen, denn selbst das Auge des gedankenlosen Menschen blickt manchmal nach oben. Ich würde sagen, das natürliche Auge, das man den Spiegel der Seele nennt, spiegelt die Sehnsucht der Seele wider: die Sehnsucht, die oft nicht wahrge-

nommen, doch stets lebendig ist, solange der Mensch kein Dämon geworden ist, die Sehnsucht nach dem Himmel, wo der Verstand instinktiv dem Allmächtigen seinen Platz zuweist und zu dem man, wenn man den Himmel sucht, wenigstens hin und wieder im Leben die Augen erhebt.

Ich bitte euch, erinnert euch, was wir seit unserer Kindheit beim Betreten Jerusalems tun. Wohin eilen unsere Blicke? Zum Berg Morija, gekrönt im Triumph mit seinem Tempel aus Marmor und Gold. Was tun wir, wenn wir im Vorhof stehen? Die kostbaren Kuppeln betrachten wir, die in der Sonne glänzen. Wie schön ist das Innere der heiligen Einfriedungsmauer mit ihren Säulenhallen, Torbögen und prächtigen Höfen! Doch unser Auge blickt nach oben.

Weiter bitte ich euch, erinnert euch auch an die Zeit unterwegs. Wohin richtet sich unser Auge, um die lange Wegstrecke, die Eintönigkeit, die Müdigkeit, die Hitze oder den Schmutz vergessen zu lassen? Zu den Gipfeln, auch wenn sie nicht so hoch und weit entfernt sind! Mit welcher Erleichterung sehen wir sie auftauchen, wenn wir uns im eintönigen Flachland befinden. Ist hier unten Schmutz? Dort ist Sauberkeit. Ist hier Schwüle und Hitze? Dort ist Frische. Ist die Sicht hier begrenzt? Dort ist die Weite. Schon allein das Betrachten läßt uns den Tag weniger heiß, den Staub weniger lästig, das Gehen weniger beschwerlich erscheinen, und wenn dann noch eine Stadt von der Höhe eines Berges grüßt, dann gibt es kein Auge, das sich nicht daran erfreuen würde. Man könnte sagen, dass auch ein unscheinbarer Ort schöner wirkt, wenn er auf dem Kamm eines Berges liegt. Aus diesem Grunde haben die wahren, wie auch die falschen Religionen, nach Möglichkeit ihre Tempel auf Anhöhen errichtet. Wenn es in der Gegend weder einen Hügel noch einen Berg gibt, dann stellt man in mühsamer Handarbeit einen Unterbau aus Stein, eine Erhöhung her, auf der man dann den Tempel errichtet. Warum tut man das? Weil man will, dass der Tempel gesehen wird, um durch seinen Anblick einen Gedanken an Gott zu wecken.

Ebenso habe ich euch gesagt, dass ihr ein Licht seid. Wenn jemand am Abend in einem Haus eine Lampe anzündet, wohin stellt er sie? In das Loch unter dem Herd? In die Höhle, die ihm als Keller dient? In eine geschlossene Truhe? Oder verbirgt man ihr Leuchten, indem man sie unter den Scheffel stellt? Nein, denn dann wäre es sinnlos, das Licht anzuzünden. Vielmehr stellt man das Licht auf eine Konsole oder auf einen Leuchter, so dass es von der Höhe herab den ganzen Raum erhellt und alle Bewohner in sein Licht taucht. Doch gerade weil das, was hoch steht, die Aufgabe hat, zu leuchten und an Gott zu erinnern, muss es seiner Aufgabe gewachsen sein.

Ihr habt die Aufgabe, an den wahren Gott zu erinnern. Handelt also so, dass in euch nicht das siebenfache Heidentum sei, sonst würdet ihr sein wie die Stätten der Götzendiener mit ihren Hainen, die diesem oder jenem Gott geweiht sind, und mit eurem Heidentum würdet ihr jene verführen, die in euch Tempel Gottes sehen. Ihr müßt das Licht Gottes in euch tragen. Ein schmutziger Docht, oder ein Docht ohne Öl, qualmt und gibt kein Licht, er stinkt und leuchtet nicht. Eine Flamme hinter einem schmutzigen Kristall verbreitet nicht die frohe Helligkeit, nicht das leuchtende Spiel des Lichtes, das aus einem klaren Glas erstrahlen kann. Sie flimmert nur schwach durch den schwarzen Rauchschleier, der den funkelnden Schutz trübt.

Das Licht Gottes erstrahlt dort, wo man willig und eifrig darum bemüht ist, es von den Schlacken zu reinigen, die sich aus dem Wirken des Menschen ergeben: aus seinen Kontakten, Reaktionen und Enttäuschungen. Das Licht Gottes erstrahlt dort, wo der Docht in reichlich Öl des Gebetslebens und der Nächstenliebe getaucht ist. Das Licht Gottes leuchtet mit so unendlich vielen Strahlen, wie es Vollkommenheiten Gottes gibt, von denen jede einzelne im heiligmä-

ßigen Menschen eine heldenhaft ausgeübte Tugend erweckt, wenn der Diener Gottes den Kristall seiner Seele rein bewahrt und dem qualmenden Rauch der bösen Leidenschaften zu widerstehen vermag. Unanfechtbar soll der Kristall eurer Seele sein! Unanfechtbar! (Die donnernde Stimme Jesu widerhallt dröhnend in diesem natürlichen Amphitheater.) Nur Gott allein hat das Recht und die Macht, diesen Kristall zu ritzen und mit dem Diamanten seines Willens seinen heiligsten Namen darin einzugraben. Dann wird dieser Name zur Zierde und läßt ein Feuer übernatürlicher Schönheiten von unendlicher Vielfalt auf diesem reinsten Quarz erstrahlen.

Aber, wenn der törichte Diener des Herrn die Selbstkontrolle und den Überblick über seine Aufgabe, die einzig und allein übernatürlicher Art ist, verliert und falsche Figuren einritzen läßt, Kratzer, die keine Gravierungen, sondern geheimnisvolle, dämonische Namenszüge von den feurigen Krallen Satans sind, dann scheint die wundersame Lampe nicht mehr schön und ungetrübt. Der Kristall zerspringt, und die Flamme erlischt unter den Scherben. Oder, wenn die Lampe nicht zerspringt, entsteht ein Gewirr unverständlicher Zeichen eindeutigen Ursprungs, in denen sich der Ruß festsetzt und sie vollends unkenntlich macht.

Wehe, dreimal wehe den Lehrmeistern, welche die Weisheit Gottes verleugnen, um sich mit einer Wissenschaft zu sättigen, die der Weisheit häufig widerspricht, aber immer dem Stolz schmeichelt und oftmals teuflischer Art ist, denn sie läßt sie an ihrer Menschlichkeit festhalten, während doch jeder Mensch dazu bestimmt ist, sich zu heiligen und ein Kind Gottes zu werden. Der Lehrer, der Priester sollte in noch vermehrtem Maße einzig und allein Kind Gottes sein,

selbst wenn er vorher alle Züge der Diesseitigkeit an sich trug. Der Priester muss ein Geschöpf sein, ganz Seele und Vollkommenheit, um durch seine Ausstrahlung Jünger für Gott zu gewinnen. Fluch den Lehrern einer übernatürlichen Lehre, die zu Götzen menschlicher Gelehrtheit werden!

Wehe, siebenmal wehe den Toten im Geiste unter meinen Priestern, die in ihrer Lauheit, in ihrer weichlichen, jeder Tatkraft ent- behrenden Trägheit des Fleisches, in ihrer Schläfrigkeit trügerischen

Traumbildern nachhängen, aber ihre Gedanken nicht auf den dreieinigen Gott richten; die voller Berechnung sind, sich aber nicht bemühen, dem höheren Ziel, nämlich den Reichtum der Herzen und den Schatz Gottes zu vermehren, gerecht zu werden. Erdgebunden, engherzig und abgestumpft leben sie dahin und ziehen auch jene in ihr totes Gewässer, die ihnen nachfolgen in der Meinung, dass sie das Leben besäßen. Der Fluch Gottes komme über die Verführer meiner kleinen, geliebten Herde! Nicht jene, die durch eure Trägheit verlorengehen, ihr pflichtvergessenen Diener des Herrn, werde ich bestrafen, sondern von euch werde ich Rechenschaft fordern über jede Stunde, jeden Augenblick, jede eurer Nachlässigkeiten und ihre Folgen.

Erinnert euch dieser Worte und geht nun! Ich werde nun auf den Gipfel steigen, und ihr, geht schlafen. Morgen wird der Hirte der Herde die Weiden der Wahrheit eröffnen.«