03.04.2016

JESUS ERSCHEINT DEN APOSTELN MIT THOMAS

nach Maria Valtorta

Jesus sagt:

«Komm, kleiner Johannes. Wie der kleine Benjamin, dessen Vision dir so sehr gefallen hat, lege deine Hand in meine Hand, dass ich dich in meine Gärten der Gnaden führe.

Gnaden für dich und die anderen. Gaben über Gaben, denn alles, was ich dir enthülle oder dir sage, ist ein großes Geschenk. Du kannst seinen Wert nicht ermessen. Ich meine nicht den geistigen Wert, dieser ist für dich unendlich. Ich meine den kulturellen oder geschichtlichen, wenn dir dies besser gefällt. Es sind wertvolle Edelsteine, die dir in die Hände gelegt werden, und du liebst sie wie ein Kind ihrer vielfältigen Farben wegen. Aber du kannst ihnen keinen anderen Wert beimessen als den eines Geschenkes, den ihrer Schönheit, den eines Beweises meiner Liebe. Andere jedoch, die gebildeter sind als du, aber nicht so bevorzugt, betrachten sie mit großem Interesse und verlangen sie ungeduldig von dir, diese geistigen Edelsteine, die dein Jesus dir schenkt; sie verfolgen, studieren und bewerten sie auf wissenschaftlichere Weise als du, und möge ihr Wille sie dazu führen, es mit derselben Liebe zu tun wie du. Doch das ist viel schwieriger für sie, denn sie sind komplizierter. Nur Kinder verstehen, einfach, ehrlich und rein zu lieben.

Du verstehst nur zu lieben. Aber bleibe immer so. Erfreue dich an den verschiedenen Edelsteinen, die ich dir schenke, und gib sie weiter mit freudigem Großmut an alle, die darauf warten. Ich werde deine kleine Hand immer wieder mit neuen Schätzen füllen. Hab keine Angst. Gib, gib! Dein König hat unerschöpfliche Schatzkammern, um seine Kleinen zu erfreuen.»

Nun sehe ich folgendes:

Die Apostel sind im Abendmahlsaal versammelt. Sie sitzen um den Tisch, an dem das Abendmahl eingenommen wurde. Doch aus Ehrfurcht haben sie den Platz Jesu in der Mitte freigelassen.

Auch ist die Sitzordnung nicht mehr dieselbe, nun, da niemand mehr den Mittelpunkt bildet und die Plätze nach eigenem Ermessen oder aus Liebe verteilt. Petrus ist noch an seinem Platz. Aber auf dem Platz des Johannes sitzt jetzt Judas Thaddäus. Dann kommt der älteste der Apostel, Bartholomäus, dann Jakobus, der Bruder des Johannes, fast an der rechten Ecke der Tafel, von mir aus gesehen. Neben Jakobus, aber an der Schmalseite des Tisches, sitzt Johannes. Nach Petrus kommt Matthäus, und nach diesem Thomas. Dann Philippus, Andreas, Jakobus, der Bruder des Judas Thaddäus, und Simon der Zelote. Die Längsseite Petrus gegenüber ist leer, da die Apostel enger beisammensitzen als beim Ostermahl.

Die Fenster und Türen sind fest verriegelt. Die Lampe, an der nur zwei Flammen brennen, wirft ein mattes Licht auf den Tisch. Der Rest des großen Saales liegt im Halbschatten.

Johannes, hinter dem eine Anrichte steht, hat den Auftrag, den Gefährten herüberzureichen, was sie von der kargen Mahlzeit essen wollen: Fisch, der schon auf dem Tisch steht, Brot, Honig und kleine, frische Käse. Als er sich wieder zum Tisch wendet, um dem Bruder den gewünschten Käse zu geben, sieht Johannes den Herrn.

Jesus ist auf ganz eigenartige Weise erschienen. Die Wand hinter den Tischgenossen, in der es außer der kleinen Tür in der Ecke keine Öffnung gibt, hat in der Mitte, etwa einen Meter über dem Boden, sanft und phosphoreszierend zu leuchten begonnen, wie es manche Bilder im Dunkeln tun. Der fast zwei Meter hohe, ovale Lichtschein erinnert an eine Nische. Aus diesem Leuchten, wie aus schimmernden Nebelschleiern, tritt Jesus immer deutlicher hervor.

Ich weiß nicht, ob ich es richtig erkläre. Es sieht aus, als würde sein Körper durch die Wand fließen. Denn sie öffnet sich nicht, sie bleibt kompakt. Doch der Körper kommt trotzdem durch die Wand. Das Licht scheint dem Körper vorauszugehen, um seine Nähe anzukündigen. Der Körper besteht zuerst nur aus leuchtenden Umrissen, so wie ich den Vater im Himmel und die heiligen Engel sehe: unkörperlich. Dann materialisiert er sich immer stärker und hat schließlich das Aussehen eines wirklichen Körpers. Seines verherrlichten Körpers.

Ich habe lange gebraucht, um es zu beschreiben, aber das Ganze hat sich in wenigen Augenblicken abgespielt.

Jesus ist weiß gekleidet, so wie er bei der Auferstehung war und seiner Mutter erschienen ist. Er ist wunderschön, liebevoll und lächelt. Die Arme hält er gerade an den Seiten, in geringem Abstand vom Körper, die Fingerspitzen zeigen auf den Boden und die Handflächen sind den Aposteln zugekehrt. Die beiden Wunden der Hände gleichen diamantenen Sternen, von denen zwei außerordentlich helle Strahlen ausgehen. Die Wunden der Füße und der Seite sehe ich nicht, da sie unter dem Gewand verborgen sind. Aber durch den Stoff seines unirdischen Kleides schimmert Licht an den Stellen, wo es die göttlichen Wunden verbirgt. Zuerst scheint es, als sei Jesus ein Körper aus leuchtendem Mondlicht, dann, als er sich verdichtet und aus dem Schein heraustritt, nehmen Haar, Augen und Haut ihre natürliche Farbe an. Und er ist Jesus, der Gottmensch, aber um vieles feierlicher, nun, nach seiner Auferstehung.

Johannes bemerkt ihn, als er schon so aussieht. Kein anderer hat die Erscheinung wahrgenommen. Johannes springt auf, läßt den Teller mit dem runden Käse auf den Tisch fallen, stützt die Hände auf den Rand des Tisches, neigt sich leicht schräg, wie von einem Magnet angezogen, etwas über den Tisch und stößt ein leises, aber inbrünstiges «Oh!» aus.

Die anderen, die beim Klirren des Käsetellers und Aufspringen des Johannes die Köpfe von ihren Tellern erhoben haben, sehen ihn überrascht an, als sie seine ekstatische Haltung bemerken und folgen seiner Blickrichtung. Sie drehen die Köpfe oder wenden sich ganz um, je nachdem, wo sie sitzen, und erblicken Jesus. Sie stehen gerührt und selig auf und eilen zu ihm, der noch mehr lächelt und auf sie zukommt. Dabei geht er nun wie ein gewöhnlicher Mensch auf dem Boden.

Jesus, der zuerst nur Johannes angesehen hat – und ich glaube, dass die Liebkosung dieses Blickes Johannes veranlaßt hat, sich umzudrehen – schaut nun alle an und sagt: «Der Friede sei mit euch.»

Nun umringen ihn alle, die einen auf den Knien zu seinen Füßen, und unter diesen sind Petrus und Johannes – Johannes küßt den Saum seines Gewandes und drückt ihn an seine Wange, wie um von ihm liebkost zu werden – die anderen stehen etwas weiter hinten, doch ehrfurchtsvoll und tief verneigt.

Petrus ist, um schneller beim Meister zu sein, mit einem Satz über den Sitz gesprungen, ohne abzuwarten, dass Matthäus ihn als erster verläßt und Platz macht. Ich muss zur Erklärung hinzufügen, dass es Sitze für zwei Personen sind.

Der einzige, der verlegen etwas abseits bleibt, ist Thomas. Er ist am Tisch niedergekniet, wagt nicht näherzukommen, und es sieht vielmehr so aus, als wolle er sich hinter dem Tisch verbergen.

Jesus, der den Aposteln seine Hände zum Kuß reicht – denn sie verlangen in heiligem, liebendem Eifer danach – läßt seinen Blick über die gebeugten Häupter schweifen, als suche er den elften. Aber er hat ihn vom ersten Augenblick an gesehen und will Thomas nur ein wenig Zeit lassen, Mut zu fassen und heranzukommen. Da er sieht, dass der Ungläubige sich seines Zweifels schämt und nicht wagt näherzutreten, ruft er ihn: «Thomas, komm her.»

Thomas hebt den Kopf, verwirrt und beinahe weinend, aber er hat nicht den Mut zu kommen. Er senkt den Kopf wieder. Jesus geht ein Stück auf ihn zu und sagt wiederum: «Komm her, Thomas.»

Die Stimme Jesu ist gebieterischer als beim ersten Mal. Thomas steht widerstrebend und verwirrt auf und nähert sich Jesus.

«Hier ist also der, der nicht glaubt, wenn er nicht sieht!» ruft Jesus aus.

Doch in seiner Stimme liegt ein Lächeln der Vergebung. Thomas fühlt es, wagt es, Jesus anzuschauen, und sieht, dass dieser wirklich lächelt. Da faßt er Mut und eilt zu ihm.

«Komm her, ganz nahe. Sieh! Lege einen Finger in die Wunden deines Meisters, wenn das Sehen dir nicht genügt.» Jesus streckt ihm die Hände entgegen und öffnet das Gewand über der Brust, um die Seitenwunde zu entblößen.

Nun strahlen die Wunden kein Licht mehr aus. Sie strahlen nicht mehr, seit Jesus aus dem Halo aus Mondlicht herausgetreten ist und wie ein sterblicher Mensch zu gehen begonnen hat. Die Wunden erscheinen nun in ihrer grausamen Wirklichkeit: zwei unregelmäßige Löcher, von denen das linke bis zum Daumen reicht, dass eine am Handgelenk und das andere auf der Handfläche, und ein langer, am oberen Ende nicht ganz gerader Schnitt in der Brust.

Thomas zittert, schaut und berührt die Wunden nicht. Er bewegt die Lippen, bringt jedoch kein Wort hervor.

«Gib mir deine Hand, Thomas», sagt Jesus sehr sanft. Er ergreift die rechte Hand des Apostels mit seiner Rechten, nimmt den Zeigefinger und legt diesen tief in den Schnitt seiner linken Hand, um ihm zu zeigen, dass die Handfläche durchbohrt ist. Dann führt er die Hand zur Seitenwunde. Er nimmt nun die vier Finger an ihrem Anfang, an der Mittelhand, und legt diese vier großen Finger in die Seitenwunde, nicht nur an den Rand, sondern tief in die Wunde hinein. Dabei schaut er Thomas fest an.

Ein strenger und doch gütiger Blick, während er weiterspricht: «Lege deine Finger, die Finger und, wenn du willst, auch die Hand hier in meine Seitenwunde und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!» So spricht Jesus, als er tut, was ich gerade beschrieben habe.

Thomas – es scheint, dass die Nähe des göttlichen Herzens, dass er beinahe berührt, ihm Mut eingeflößt hat – gelingt es nun endlich zu reden und einige Worte hervorzubringen; er fällt mit erhobenen Armen auf die Knie und sagt mit von Reuetränen erstickter Stimme: «Mein Herr und mein Gott!» Er weiß nichts anderes zu sagen.

Jesus verzeiht ihm. Er legt ihm die Rechte aufs Haupt und antwortet: «Thomas! Thomas! Nun glaubst du, da du gesehen hast... Selig, die an mich glauben und nicht sehen. Welcher Lohn wird diese erst erwarten, wenn ich euch belohnen muss, euch, deren Glaube das Sehen bestätigt? ...»

Dann legt Jesus Johannes einen Arm um die Schultern und nimmt Petrus bei der Hand, um sich mit ihnen zum Tisch zu begeben. Er setzt sich an seinen Platz. Nun sitzen sie wie am Abend des Ostermahles. Aber Jesus will, dass Thomas sich neben Johannes setzt.

«Eßt, Freunde», sagt Jesus.

Aber keiner hat mehr Hunger. Die Freude sättigt sie. Die Freude der Betrachtung.

Da nimmt Jesus die herumliegenden kleinen Käse, legt sie auf den Teller zurück, zerschneidet sie und teilt sie aus. Das erste Stückchen gibt er auf einem Stück Brot hinten an Johannes vorbei Thomas. Dann gießt er Wein aus dem Krug in den Kelch und reicht ihn seinen Freunden. Diesmal ist Petrus der erste. Schließlich läßt Jesus sich die Honigwaben reichen, zerbricht sie in Stücke und gibt das erste Johannes mit einem Lächeln, dass süßer ist als der blonde, flüssige Honig. Und um sie zu ermutigen, ißt auch er davon. Jesus nimmt nur Honig zu sich.

Johannes legt wie üblich seinen Kopf an die Schulter Jesu, und Jesus zieht ihn an sein Herz, hält ihn so und sagt:

«Ihr dürft nicht erschrecken, meine Freunde, wenn ich euch erscheine. Ich bin immer noch euer Meister, der mit euch die Speisen und die Ruhe geteilt hat und der euch erwählt hat, weil er euch geliebt hat. Ich liebe euch immer noch!» Jesus betont diesen letzten Satz ganz besonders.

Dann fährt er fort: «Ihr wart bei mir in den Prüfungen... Ihr werdet auch in der Herrlichkeit bei mir sein. Senkt nicht das Haupt. Am Sonntag abend, als ich das erste Mal nach meiner Auferstehung zu euch kam, habt ihr den Heiligen Geist empfangen... Auch über dich, der du abwesend warst, möge der Geist kommen... Wißt ihr nicht, dass die Ausgießung des Heiligen Geistes einer Feuertaufe gleicht, da der Geist Liebe ist und die Liebe die Sünden tilgt? Somit ist eure Sünde, mich bei meinem Tod alleingelassen zu haben, vergeben.»

Während Jesus dies sagt, küßt er Johannes aufs Haupt, der ja nicht davongelaufen ist, und Johannes weint vor Freude.

«Ich habe euch die Vollmacht gegeben, Sünden zu vergeben. Aber man kann nicht geben, was man nicht hat. Ihr müßt daher überzeugt sein, dass ich diese Macht absolut besitze und sie für euch ausübe, die ihr vollkommen rein sein müßt, um die von Sünden Befleckten zu reinigen, die zu euch kommen. Wie könnte einer richten und rein machen, der selbst eine Verurteilung verdient und unrein ist? Wie könnte einer einen anderen richten, der Balken in seinen Augen und die Last der Hölle in seinem Herzen hat? Wie könnte er sagen: „Ich spreche dich los im Namen Gottes“, wenn seiner Sünden wegen Gott nicht mit ihm ist?

Freunde, denkt an eure Würde als Priester. Bisher war ich unter den Menschen, um zu richten und zu verzeihen. Nun gehe ich zum Vater. Ich kehre in mein Reich zurück. Doch ist mir die Macht zu richten nicht genommen. Im Gegenteil, sie ist ganz in meinen Händen, denn der Vater hat sie mir übertragen. Ein furchtbares Gericht. Denn es wird kommen, wenn die Menschen nicht mehr die Möglichkeit haben werden, Vergebung zu erlangen durch Jahre der Buße auf Erden. Die Seele jedes Geschöpfes wird vor mir erscheinen, wenn es im irdischen Tod das Fleisch als wertlose Hülle zurückläßt. Und ich werde sie ein erstes Mal richten. Dann wird die Menschheit auf Befehl des Himmels und erneut mit ihrem Fleisch bekleidet, ein zweites Mal vor mir erscheinen und in zwei Teile geteilt werden. Die Schafe kommen zu ihrem Hirten, die wilden Böcke zu ihrem Henker. Aber wie viele Menschen könnten zu ihrem Hirten kommen, wenn sie nach dem Bad der Taufe niemanden mehr hätten, der ihnen in meinem Namen verzeiht?

Und deshalb setze ich die Priester ein. Um die durch mein Blut Erlösten zu retten. Mein Blut rettet. Doch die Menschen fallen fortwährend in den Tod, fallen in den Tod zurück. Es braucht jemanden, der die Macht hat, sie immer wieder mit meinem Blut zu waschen, siebzigmal und siebzigmal siebenmal, damit sie nicht dem Tod anheimfallen. Ihr werdet dies tun, und eure Nachfolger. Daher spreche ich euch los von allen euren Sünden; denn ihr müßt imstande sein zu sehen, und die Sünde macht blind, da sie dem Geist das Licht raubt, dass Gott ist; denn ihr müßt imstande sein zu verstehen, und die Schuld macht töricht, da sie dem Geist die Intelligenz nimmt, die Gott ist; denn ihr habt die Aufgabe, zu reinigen, und die Sünde befleckt, da sie der Seele die Reinheit nimmt, die Gott ist.

Ein hohes Amt ist das eure, in meinem Namen zu richten und loszusprechen. Wenn ihr für euch das Brot und den Wein opfert und in mein Fleisch und mein Blut verwandelt, werdet ihr ein großes, übernatürlich großes und erhabenes Werk vollbringen. Um es würdig zu vollbringen, müßt ihr rein sein, denn ihr berührt den, der rein ist, und ihr nährt euch mit dem Fleisch eines Gottes. Reinen Herzens, reinen Geistes und reinen Leibes müßt ihr sein und reine Lippen haben, denn mit dem Herzen müßt ihr die Eucharistie lieben, und neben dieser himmlischen Liebe darf es keine profane Liebe, die ein Sakrileg wäre, geben. Reinen Geistes müßt ihr sein, denn ihr müßt an dieses Mysterium der Liebe glauben und es verstehen. Unreine Gedanken töten den Glauben und den Intellekt; die Wissenschaft der Welt bleibt, aber die Weisheit Gottes in euch stirbt. Reinen Leibes müßt ihr sein, denn das Wort wird in euch herabsteigen, wie es einst durch die Liebe in den Schoß Marias herabgestiegen ist.

Ihr habt ein lebendiges Beispiel dafür, wie ein Leib sein muss, der das fleischgewordene Wort aufnimmt. Das Beispiel ist die Frau ohne Erbsünde und ohne eigene Sünde, die mich getragen hat. Schaut, wie rein der Gipfel des Hermon ist, den noch der Schleier des winterlichen Schnees verhüllt. Vom Ölberg aus gleicht er den Blütenblättern der Lilien oder dem Schaum des Meeres, und wie ein Opfer erhebt er sich zu den weißen Wolken, die der Aprilwind über die azurblauen Gefilde des Himmels trägt. Betrachtet eine Lilie, die ihre Blüte zu einem duftenden Lächeln öffnet. Und doch gleicht weder die eine noch die andere Reinheit der Reinheit des Schoßes, der mir Mutterschoß war. Die Winde haben Staub auf den Schnee des Gipfels und auf die Seide der Blüte geweht. Er ist so fein, dass das menschliche Auge ihn nicht sieht, aber er ist da und trübt die Reinheit. Mehr noch: Betrachtet die reinste Perle, geboren in einer Muschel und dem Meer geraubt, um das Szepter eines Königs zu zieren. Sie ist vollkommen in ihrem Schimmer, den keine Berührung durch ein Fleisch entweiht hat, der entstanden ist in der perlmutternen Höhlung der Auster, allein im flüssigen Saphir der Tiefe. Und doch ist diese Perle weniger rein als der Schoß, der mich getragen hat. In ihrem Innern ist ein Sandkörnchen, ein winziges, aber dennoch irdisches Körnchen. In ihr, der Perle des Meeres, ist nicht das geringste Körnchen der Sünde, nicht einmal der Widerschein einer Sünde. Sie ist die Perle, die im Ozean der Dreifaltigkeit geboren wurde, um die Zweite Person in die Welt zu bringen, und vollkommen und fest umschließt sie ihren inneren Kern, der nicht der Same irdischer Lust, sondern der Funke der göttlichen Liebe ist. Der Funke, der in ihr seine Entsprechung fand und die Wirbel des göttlichen Meteors zeugte, der nun die Kinder Gottes ruft und anzieht: mich, Christus, den Morgenstern. Diese unversehrte Reinheit gebe ich euch als Beispiel.

Aber wenn ihr dann, wie Winzer an einem Fasse, eure Hände in das Meer meines Blutes taucht und daraus schöpft, um die verdorbenen Gewänder der armen Sünder zu waschen, müßt ihr nicht nur rein, sondern vollkommen sein, um euch nicht mit einer noch größeren Sünde, oder sogar mehreren Sünden zu beflecken, indem ihr sakrilegisch das Blut eines Gottes berührt und ausgießt oder gegen Liebe und Gerechtigkeit sündigt, indem ihr beides verweigert oder nur mit einer Strenge gewährt, die der Art des Christus nicht entspricht. Denn er war gut zu den Übeltätern, um sie an sein Herz zu ziehen, und dreimal gut zu den Schwachen, um sie im Vertrauen zu stärken. Ihr sollt solche Strenge nicht gegen meinen Willen, meine Lehre und meine Gerechtigkeit dreimal unwürdig üben. Wie kann man streng mit den Lämmern verfahren, wenn man selbst ein götzendienerischer Hirte ist?

O meine Auserwählten, meine Freunde, die ich auf die Wege der Welt sende, um das Werk fortzuführen, dass ich begonnen habe und das fortdauern wird, solange die Zeit dauert, denkt an meine Worte. Ich sage sie euch, damit ihr sie jenen sagt, die ihr zu dem Dienst weiht, zu dem ich euch geweiht habe.

Ich sehe... ich schaue in die Jahrhunderte. Die Zeit und die zahllosen Scharen der zukünftigen Menschen ziehen vor meinem Blick vorüber... Ich sehe... Katastrophen und Kriege, falschen Frieden und schrecklichen Völkermord, Haß und Diebstahl, Leidenschaft und Hochmut. Ab und zu eine grüne Oase: eine Zeit der Rückkehr zum Kreuz. Wie ein Obelisk, der eine reine Quelle im trockenen Wüstensand anzeigt, so wird mein Kreuz mit Liebe aufgerichtet werden, nachdem das Gift des Bösen die Menschen tollwütig gemacht hat; und rings um das Kreuz, an den Ufern der heilenden Wasser, werden die Palmen einer Zeit der Güte und des Friedens in der Welt erblühen. Wie Hirsche und Gazellen, wie Schwalben und Tauben werden die Seelen zu dieser friedvollen, frischen, erquickenden Zufluchtsstätte kommen, um von ihren Schmerzen geheilt zu werden und erneut zu hoffen. Und die Palmen werden ihre Zweige wie eine Kuppel ineinanderschlingen, um vor Gewittern und Sonnenglut zu schützen, und Schlangen und Raubtiere werden ferngehalten werden durch das Zeichen, dass den Bösen in die Flucht schlägt. So wird es sein, solange die Menschen es wollen.

Ich sehe... Menschen und wieder Menschen... Frauen, Greise, Kinder, Krieger, Gelehrte, Doktoren, Bauern... Alle kommen und ziehen mit ihrer Last der Hoffnung und der Leiden vorüber. Und ich sehe viele, die wanken, denn der Schmerz ist zu groß, und als erstes von ihrer schweren Bürde, ihrer zu schweren Bürde, haben sie die Hoffnung verloren, und sie ist am Boden zerschellt... Und ich sehe viele, die am Wegrand zusammenbrechen, weil andere, die stärker sind, stärker oder glücklicher, weil ihre Last nur leicht ist, sie zur Seite stoßen. Und viele sehe ich, die sich von den Vorübergehenden verlassen oder gar getreten sehen, die sich sterben fühlen und schließlich hassen und verfluchen.

Arme Kinder! Unter diese vom Leben geplagten Menschen, die vorübergehen oder fallen, hat meine Liebe bewusst die barmherzigen Samariter, die guten Ärzte, die Leuchten in der Nacht und die Stimmen in der Stille geschickt, damit die Schwachen, die zusammenbrechen, Hilfe finden, wieder ein Licht sehen und die Stimme vernehmen, die sagt: „Hoffe, denn du bist nicht allein. Über dir ist Gott. Jesus ist mit dir.“ Ich habe diese barmherzigen Helfer bewusst eingesetzt, damit meine armen Kinder nicht im Geist sterben und die väterliche Heimat verlieren, sondern fortfahren, an mich, die Liebe, zu glauben, wenn sie in meinen Dienern meinen Widerschein sehen.

Aber, o Schmerz, der du die Wunde meines Herzens wieder bluten läßt wie auf Golgotha, als sie geöffnet wurde! Was sehen meine göttlichen Augen? Sind denn in den vorüberziehenden Volksmassen keine Priester? Blutet mein Herz deswegen? Sind die Seminare leer? Hören die Herzen also meine göttliche Einladung nicht mehr? Ist das menschliche Herz nicht mehr fähig, sie zu hören? Nein. Es wird in allen Jahrhunderten Seminare geben und in ihnen Leviten. Aus diesen werden Priester hervorgehen, da meine Einladung mit himmlischer Stimme an viele jugendliche Herzen ergangen sein wird und sie ihr gefolgt sein werden. Aber andere, andere, andere Stimmen werden in der Jugend und in der Reifezeit dazugekommen sein und meine Stimme in den Herzen übertönt haben. Meine Stimme, die in allen Jahrhunderten zu ihren Dienern spricht, auf dass sie immer seien, was ihr jetzt seid: Apostel in der Schule Christi. Das Gewand ist geblieben, doch der Priester ist tot. Bei allzu vielen wird dies im Laufe der Jahrhunderte geschehen. Als nutzlose, dunkle Schatten werden sie nicht der Hebel sein, der emporhebt, nicht das Seil, dass zieht, nicht der Brunnen, der den Durst stillt, nicht der Weizen, der sättigt, nicht das Herz, an dem man ausruht, nicht das Licht in der Finsternis, nicht die Stimme, die wiederholt, was der Meister ihnen sagt. Sie werden für die arme Menschheit eine anstößige Last, eine todbringende Last sein, sie werden Schmarotzer und Verderben sein. Schrecklich! Die schlimmsten Judasse der Zukunft werde ich immer wieder unter meinen Priestern haben!

Freunde: Ich bin in der Herrlichkeit, und dennoch weine ich. Ich habe Mitleid mit diesen großen Menschenscharen, mit diesen Herden ohne Hirten oder mit zu wenigen Hirten. Ein unendliches Mitleid! Nun wohl! Ich schwöre bei meiner Gottheit, ich werde ihnen Brot geben, Wasser, Licht und die Worte, die die zu diesem Dienst Erwählten nicht geben wollen. Ich werde in allen Jahrhunderten das Wunder der Brote und der Fische wiederholen. Mit wenigen, unbeachteten Fischlein und spärlichen Brotkrumen: demütigen Laienseelen, werde ich vielen zu essen geben, und sie werden satt werden, und es wird auch für die Zukünftigen etwas übrigbleiben, denn „mich erbarmt des Volkes“ und ich will nicht, dass es zugrunde geht.

Gesegnet jene, die es verdienen, solche zu sein. Nicht gesegnet, weil sie so sind, sondern weil sie es durch ihre Liebe und ihr Opfer verdient haben. Und am gesegnetsten die Priester, die es verstehen, Apostel zu bleiben: Brot, Wasser, Licht, Stimme, Ruhe und Arznei für meine armen Kinder. In einem besonderen Licht werden sie im Himmel erstrahlen. Ich schwöre es, ich, der ich die Wahrheit bin.

Erheben wir uns, Freunde, und kommt mit mir, dass ich euch noch einmal beten lehre. Das Gebet nährt die Kräfte des Apostels, denn es läßt eins werden mit Gott.»

Jesus steht auf und geht zu der kleinen Treppe.

Doch als er am Fuß der Treppe steht, wendet er sich um und schaut mich an. O Pater, er schaut mich an! Er denkt an mich! Er sucht seine kleine «Stimme», und die Freude, bei seinen Freunden zu sein, läßt ihn mich nicht vergessen! Er schaut mich an, über die Köpfe der Jünger hinweg, und lächelt mir zu. Er hebt seine Hand, segnet mich und sagt: «Der Friede sei mit dir.»

Und die Vision endet so.