26.01.2016

JESUS SENDET DIE ZWEIUNDSIEBZIG AUS, IHN ZU VERKÜNDIGEN

nach Maria Valtorta

Jesus hat nach der Mahlzeit die Armen entlassen und ist mit den Aposteln und Jüngern im Garten Maria Magdalenas zurückgeblieben. Sie setzen sich an das Ufer des ruhigen Sees, auf dem die Fischerboote dahinsegeln.

«Sie werden einen guten Fang machen», bemerkt Petrus, der sie beobachtet.

«Auch du wirst einen guten Fang machen, Simon des Jonas!» «Ich, Herr? Wann? Willst du, dass ich für die Mahlzeit von morgen zum Fischfang hinausfahre? Ich gehe sofort und...» «Wir brauchen uns in diesem Haus nicht um die Nahrung zu kümmern. Den Fang, den ich meine, wirst du in Zukunft und auf geistigem Gebiet tun. Und mit dir werden gute Fischer sein, die meisten von diesen hier.» «Nicht alle, Meister?» fragt Matthäus.

«Nicht alle! Aber sie, die ausharren und meine Priester sein werden, werden gute Fänge machen.» «Bekehrungen, nicht wahr?» fragt Jakobus des Zebedäus.

«Bekehrungen, Vergebung, Führung zu Gott. Oh, viele Dinge!» «Höre, Meister! Du hast vorhin gesagt, wenn einer den Bruder nicht anhört, nicht einmal in Gegenwart von Zeugen, dann soll er in die Synagoge gebracht werden. Wenn ich aber recht verstanden habe, was du uns sagst seit wir uns kennen, muss ich annehmen, dass die Synagoge durch die Kirche ersetzt werden wird, durch deine Gründung. Wohin werden wir dann gehen, wenn wir uns mit hartnäckigen Brüdern versöhnen wollen?» «Ihr geht zu euch selbst, denn ihr werdet meine Kirche sein. Daher kommen die Gläubigen zu euch, um sich in ihren Angelegenheiten beraten zu lassen oder andere beraten zu können. Aber ich sage euch noch mehr. Ihr werdet dann nicht nur belehren können, ihr werdet auch in meinem Namen lossprechen können. Ihr werdet aus den Ketten der Sünde befreien, und zwei, die sich lieben, trauen können, damit sie ein Fleisch seien. Und was ihr getan habt, wird gültig sein in den Augen Gottes, wie wenn Gott selbst es getan hätte. Wahrlich, ich sage euch: was ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein. Ferner sage ich euch, damit ihr die Macht meines Namens, der brüderlichen Liebe und des Gebetes begreift, wenn zwei meiner Jünger, und damit meine ich alle, die an mich glauben, sich versammeln, um eine gerechte Sache in meinem Namen zu erbitten, so wird sie ihnen von meinem Vater gegeben werden, denn das Gebet ist eine große Macht, und eine große Macht ist ebenso die brüderliche Liebe; aber eine noch größere, unendliche Macht ist mein Name und meine Gegenwart unter euch. Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen und bete mit ihnen, und der Vater wird dem nichts verweigern, der mit mir betet. Viele erhalten nichts, weil sie allein beten, weil sie um unerlaubte Dinge beten, weil sie mit Stolz oder mit einer Sünde im Herzen beten. Schafft euch ein reines Herz, damit ich bei euch sein kann, und dann betet, und ihr werdet erhört werden.» Petrus ist nachdenklich geworden. Jesus sieht es und fragt ihn nach dem Grund. Und Petrus erklärt: «Ich denke an die große Aufgabe, zu der wir berufen sind. Ich fürchte mich davor. Ich habe Angst, nicht fähig dazu zu sein.» «Tatsächlich, Simon des Jonas oder Jakobus des Alphäus oder Philippus und so weiter, ihr wäret nicht fähig dazu. Doch der Priester Petrus, der Priester Jakobus, der Priester Philippus oder der Priester Thomas wird dazu fähig sein, denn er wird zusammen mit der göttlichen Weisheit wirken.» «Und... wie oft müssen wir unseren Brüdern verzeihen? Wie oft, wenn sie gegen die Priester sündigen, und wie oft, wenn sie sich gegen Gott versündigen? Denn wenn sich nichts ändert, werden sie gegen uns sündigen, wie sie jetzt gegen dich sündigen. Sage mir, ob ich immer verzeihen muss oder nur einige Male. Siebenmal zum Beispiel, oder noch öfter?» «Ich sage dir, nicht nur siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal, eine Zahl ohne Maß! Denn auch der Vater im Himmel verzeiht euch immer wieder, euch, die ihr vollkommen sein solltet. Und wie er mit euch tut, so sollt auch ihr tun, denn ihr vertretet Gott auf Erden. Hört! Ich will euch ein Gleichnis erzählen, dass allen dienen wird.» Und Jesus, der von den Aposteln umgeben in einem Buchsbaumrondell gewesen ist, begibt sich nun zu den Jüngern, die sich respektvoll bei einem mit klarem Wasser gefüllten Becken niedergelassen haben. Das Lächeln Jesu ist wie ein Signal, dass er nun reden wird. Während er mit seinen ruhigen, langen Schritten herankommt, mit denen er in kurzer Zeit und ohne Eile einen längeren Weg zurücklegen kann, freuen sie sich wie Kinder, die sich geliebt wissen, und bilden einen Kreis, einen Kranz aufmerksamer Gesichter. Jesus lehnt sich gegen einen hohen Baum und beginnt zu reden.

«Was ich vorher zum Volk gesagt habe, dass soll jetzt für euch vervollständigt und erklärt werden, denn ihr seid die Auserwählten des Volkes. Vom Apostel Simon des Jonas wurde ich gefragt: „Wie oft soll ich verzeihen? Wem? Und warum?“ Ich habe ihm geantwortet, und ich will nun meine Antwort für euch alle wiederholen, da ihr schon jetzt wissen müßt, was gerecht ist.

Hört, warum und wie oft man verzeihen soll. Man muss verzeihen, wie Gott verzeiht, der, wenn jemand auch tausendmal sündigt und es bereut, tausendmal verzeiht; der verzeiht, wenn er nur sieht, dass der Schuldige nicht den Willen zur Sünde hat noch das Verlangen nach dem, was zur Sünde verführt, und dass die Sünde nur die Folge einer menschlichen Schwäche ist. Nur im Fall eines freiwilligen Verharrens in der Sünde kann es für die gegen das Gesetz begangenen Sünden keine Verzeihung geben. Doch soweit euch diese Verfehlungen persönlich treffen und schmerzen, verzeiht! Verzeiht immer dem, der euch Böses zufügt. Verzeiht, damit auch euch verziehen werde; denn auch ihr habt gegen Gott und die Brüder gefehlt. Die Verzeihung öffnet das Reich des Himmels sowohl dem, der Verzeihung erlangt, als auch dem, der verziehen hat. Die Verzeihung gleicht dem, was einst zwischen einem König und seinen Dienern geschah.

Ein König wollte mit seinen Dienern Abrechnung halten. Er rief also einen nach dem anderen zu sich, angefangen bei den Höchstgestellten. Es kam einer, der ihm zehntausend Talente schuldete. Aber der Schuldner konnte den Vorschuß nicht zurückzahlen, den der König ihm gegeben hatte, damit er sich Häuser und Besitz jeder Art beschaffe, denn er hatte aus vielen mehr oder weniger berechtigten Gründen das für diese Zwecke geliehene Geld nicht sorgfältig verwendet. Der König, unwillig über seine Trägheit und Wortbrüchigkeit, befahl, ihn, seine Frau, seine Kinder und alles, was er besaß, zu verkaufen, bis er seine Schuld beglichen hätte. Doch der Diener warf sich dem König zu Füßen und flehte unter Tränen: „Laß mich gehen. Habe noch etwas Geduld, und ich will dir alles zurückgeben, was ich dir schulde, bis zum letzten Denar!“ Der König erbarmte sich dieses verzweifelten Mannes – denn er war ein guter König – und gab nicht nur seinen Bitten nach, sondern erließ ihm schließlich sogar die gesamte Schuld, als er erfuhr, dass der mangelnde Fleiß auch auf Krankheiten zurückzuführen war.

Der Diener ging glücklich von dannen. Beim Hinausgehen stieß er aber auf einen anderen Diener, einen armen Untergebenen, dem er hundert Denare geliehen hatte, die er von den tausend Talenten des Königs genommen hatte. Überzeugt, in der Gunst des Königs zu stehen, glaubte er, dass ihm alles erlaubt sei; und er packte diesen Unglücklichen am Hals und sagte: „Gib mir sofort zurück, was du mir schuldig bist!“ Vergeblich weinte der Mann, warf sich zu Boden und jammerte: „Habe Erbarmen mit mir, der ich so viel Unglück hatte. Habe noch ein wenig Geduld, und ich will dir alles bis zum letzten Pfennig zurückgeben!“ Der erbarmungslose Knecht rief sofort die Soldaten herbei und ließ den Unglücklichen ins Gefängnis werfen, damit er sich entscheide, ob er bezahlen oder die Freiheit oder sogar das Leben verlieren wolle.

Die Angelegenheit kam den Freunden des Unglücklichen zu Ohren. Sie wurden alle traurig und berichteten ihrem Herrn, dem König, davon. Dieser ließ den unbarmherzigen Knecht vor sich führen, blickte ihn streng an und sagte: „Du böser Knecht. Ich habe dir geholfen, damit auch du Barmherzigkeit übest und damit du dir ein Besitztum aufbauen kannst; ich habe dir ferner geholfen, indem ich dir die Schuld nachließ, nachdem du mich so inständig um Geld gebeten hattest. Du hattest mit deinesgleichen kein Mitleid, während ich, der König, dir so viel Mitleid bezeigte. Warum hast du nicht gehandelt, wie ich gehandelt habe?“ Und er überließ ihn den Gefängniswärtern, damit sie ihn gefangen hielten, bis alles bezahlt wäre, und sagte: „Weil du kein Erbarmen gehabt hast mit einem, der dir nur wenig schuldig war, während du von mir, dem König, so viel Erbarmen erfahren hast, findest du auch jetzt bei mir kein Erbarmen mehr!“

So wird auch mein Vater mit euch verfahren, wenn ihr unbarmherzig gegen die Brüder seid; denn nachdem ihr so viel von Gott erhalten habt, seid ihr ihm mehr schuldig als ein einfacher Gläubiger. Bedenkt, dass ihr mehr als alle anderen die Pflicht habt, ohne Sünde zu sein. Bedenkt, dass Gott euch eine große Summe vorstreckt, aber auch verlangt, dass ihr Rechenschaft darüber ablegt. Denkt daran, dass niemand mehr als ihr Liebe üben und verzeihen können muss.

Seid keine Knechte, die viel für sich haben wollen, aber nichts denen abgeben, die sie darum bitten. Wie ihr tut, so wird auch euch getan werden. Und es wird von euch auch Rechenschaft gefordert über die Taten derjenigen, die durch euer Beispiel zum Guten oder zum Bösen angeleitet worden sind. Oh, wahrlich, wenn ihr andere heiligt, werdet ihr eine große Herrlichkeit im Himmel besitzen! Aber wenn ihr Verderber oder träge im Heiligen seid, werdet ihr hart bestraft werden.

Ich sage es euch noch einmal! Wenn einer von euch sich nicht bereit fühlt, Opfer seiner eigenen Mission zu sein, soll er weggehen, aber nicht gegen sie fehlen. Er lasse es weder an seiner eigenen Ausbildung noch an der der anderen fehlen, wo es sich um wahrhaft schwerwiegende Dinge handelt. Er muss sich Gott zum Freund machen, indem er in seinem Herzen immer Vergebung für die Schwachen hegt. Denn seht, jeder, der dem Nächsten zu verzeihen weiß, wird auch von seinem Vater Verzeihung erlangen.

Der Aufenthalt ist zu Ende. Das Laubhüttenfest ist nahe. Jene, zu denen ich heute in der Frühe gesprochen habe, werden morgen aufbrechen, um mir vorauszugehen und mich den Menschen anzukündigen. Die, die zurückbleiben, sollen deswegen nicht betrübt sein. Ich habe einige von ihnen aus Gründen der Vorsicht zurückbehalten, nicht weil ich sie mißachte. Sie werden bei mir bleiben, und bald will ich auch sie aussenden, wie die ersten zweiundsiebzig. Die Ernte ist groß, und der Arbeiter werden immer wenige sein, gemessen am Bedarf. Es wird also immer Arbeit für alle geben. Daher bittet ohne Eifersucht den Herrn der Ernte, dass er immer neue Arbeiter in seine Ernte sende.

Nun geht! Ich und meine Apostel haben euch in diesen Tagen über die Arbeit, die ihr zu tun habt, unterwiesen und alles wiederholt, was ich den Zwölfen gesagt habe vor ihrer Aussendung. Einer von euch hat mich gefragt: „Aber wie werde ich in deinem Namen heilen können?“ Heilt immer zuerst den Geist. Versprecht den Kranken das Reich Gottes, wenn sie an mich glauben können; und wenn ihr in ihnen Glauben seht, dann befehlt der Krankheit zu weichen; sie wird weichen. Und so macht es auch mit den Kranken im Geist! Erweckt als erstes den Glauben. Teilt ihnen mit sicherem Wort die Hoffnung mit. Ich werde alsdann das Meinige tun und in ihnen die göttliche Liebe entzünden, so wie ich sie auch euch ins Herz gelegt habe, nachdem ihr an mich geglaubt und auf meine Barmherzigkeit gehofft habt. Fürchtet weder die Menschen noch Satan. Sie werden euch nicht schaden. Hütet euch nur vor der Sinnlichkeit, dem Stolz und dem Geiz. Dann werdet ihr euch Satan und den von Satan besessenen Menschen stellen können.

Geht nun! Geht mir auf dem Weg längs des Jordan voraus. Wenn ihr Jerusalern erreicht habt, begebt euch zu den Hirten im Tal von Bethlehem und kommt mit ihnen zu dem euch bekannten Ort. Dort wollen wir zusammen das heilige Fest feiern, um dann gestärkter denn je zu unserer Mission zurückzukehren.

Geht in Frieden! Ich segne euch im heiligen Namen des Herrn!»