12.10.2017

Hl. Thomas von Aquin (1225-1274), Dominikaner, Theologe und Kirchenlehrer zum Evangelium vom 12.10.2017

Gemäß der Vorsehung Gottes ist allem Seienden die Möglichkeit gegeben, an das Ziel zu gelangen, das seiner Natur entspricht. Auch die Menschen haben, um das zu erlangen, was sie sich von Gott erhoffen, ein Mittel bekommen, dass der Verfasstheit des Menschen angepasst ist. Diese Verfasstheit will, dass der Mensch sich des Bittens bedient, um von einem anderen zu erhalten, was er sich erhofft, vor allem dann, wenn der, an den er sich wendet, der Überlegene ist. Deshalb wird den Menschen empfohlen zu bitten, um von Gott das zu erhalten, was sie sich erhoffen. Aber die Notwendigkeit des Bittens ist unterschiedlich: es kommt darauf an, ob man etwas von einem Menschen oder von Gott bekommen möchte.

Wenn die Bitte sich an einen Menschen richtet, muss sie vor allem den Wunsch und den Bedarf des Bittenden ausdrücken. Sie muss das Herz dessen, den man bittet, so anrühren, dass es nachgibt. Nun sind diese beiden Elemente aber nicht mehr angebracht, wenn das Gebet sich an Gott richtet. Beim Beten soll es nicht unsere Sorge sein, unsere Wünsche und Bedürfnisse vor einen Gott zu bringen, der alles weiß. Der Psalmist sagt zu Gott folgendes: „All mein Sehnen, Herr, liegt offen vor dir“ (Ps 38,10). Und im Evangelium lesen wir: „Euer Vater weiß, was ihr braucht“ (Mt 6,8). Auch handelt es sich nicht darum, den Willen Gottes durch menschliche Worte dahingehend zu beeinflussen, dass er will, was er zuerst nicht wollte; denn im Buch Numeri steht: „Gott ist kein Mensch, der lügt, kein Menschenkind, das etwas bereut“ (23,19).