14.09.2017

Hl. Bernhard von Clairvaux (1091-1153), Zisterziensermönch und Kirchenlehrer zum Evangelium vom 14.09.2017 = Fest Kreuzerhöhung

Der Prophet Jesaja beschreibt eine erhabene Vision: „Ich sah den Herrn sitzen auf einem hohen und erhöhten Thron.“ (Jes 6,1). Ein wunderbarer Anblick, meine Brüder! Selig die Augen, die es schauen durften! Wer würde nicht aus ganzer Seele danach verlangen, den Glanz einer so großen Herrlichkeit zu betrachten? ... Doch ich höre, wie derselbe Prophet eine andere Vision dieses Herrn beschreibt, die ganz anders ist: „Wir sahen ihn, und er hatte kein Aussehen und keine Schönheit, ... ein Mensch, der unter einem Unglücksschlag steht...“ (Jes 53,2 f. Vulg.)...

Wenn du also Jesus in seiner Herrlichkeit sehen möchtest, dann suche ihn zuerst in seiner Erniedrigung. Beginne damit, die Augen auf die Schlange zu richten, die in der Wüste erhöht wurde (vgl. Joh 3,14), wenn du begehrst, den König auf dem Thron sitzen zu sehen. Die erste Vision soll dich mit Demut erfüllen, damit die zweite dich aufhebt aus deiner Demütigung. Jene soll dich von deinem Hochmut heilen, bevor diese dein Verlangen stillt und dich satt macht. Siehst du den Herrn, „ganz entäußert“ (Phil 2,7)? Diese Vision soll dich betroffen machen, damit du ohne Sorge den Herrn betrachten kannst in seiner Herrlichkeit und Erhöhung.

„Du wirst Ihm ähnlich sein“, ganz sicher, wenn du Ihn sehen wirst, „wie er ist“ (vgl. 1 Joh 3,2). Sei Ihm also schon jetzt ähnlich, wenn du siehst, zu was Er geworden ist durch dich. Wenn du nicht davor zurückweichst, Ihm in seiner Erniedrigung ähnlich zu werden, wird Er dir sicherlich auch verleihen, Ihm in seiner Herrlichkeit ähnlich zu sein. Er erträgt es nicht, dass der, welcher an seinem Leiden teilgenommen hat, von der Gemeinschaft seiner Herrlichkeit ausgeschlossen bleibt. Er kann es ja sogar nicht zurückweisen, den in Sein Königreich aufzunehmen, der an Seinem Leiden teilnahm, den Schächer nämlich, weil er Ihn am Kreuz bekannt hat. Und er ist am Tag selbst mit Ihm im Paradies (vgl. Lk 23,42)... Jawohl, „wenn wir mit Ihm leiden, werden wir auch mit Ihm herrschen.“ (Röm 8,17).