19.05.2017

Hl. Augustinus (354 — 430), Bischof von Hippo und Kirchenlehrer zum heutigen Evangelium

„Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander“ ... Wer dieses Gebot hört, oder vielmehr: wer es befolgt, der wird erneuert nicht durch irgendeine Liebe, sondern durch diejenige, die der Herr näherhin beschrieben hat, indem er, um sie von der rein naturhaften Zuneigung zu unterscheiden, hinzufügte: „wie ich euch geliebt habe“... Darum sorgen die Glieder füreinander, und wenn ein Glied leidet, leiden alle mit ihm, und wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle mit ihm (vgl. 1Kor 12,25-26). Sie hören wirklich dieses Wort und befolgen es: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander“, nicht wie es verdorbene Wesen tun, nicht wie Menschen einander lieben, weil sie Menschen sind. Sie lieben einander wie „die Götter“ (vgl. Ps. 81,6) und „Söhne des Höchsten“ (vgl. Lk 6,35). Um Brüder seines einzigen Sohnes zu sein, lieben sie einander mit der Liebe, mit der dieser sie geliebt hat, um sie zu dem Ziel zu führen, das ihrem Begehren entspricht, wo ihre Sehnsucht mit Gaben gesättigt wird, wenn Gott „alles in allem“ (1 Kor 15,28) ist...

Wer seinem Nächsten mit reiner und geistlicher Liebe zugetan ist, wen anderes liebte er in ihm, wenn nicht Gott? Und diese Liebe ist es, die der Herr von der rein natürlichen Zuneigung getrennt wissen will, wenn er hinzufügt: „Wie ich euch geliebt habe“. Was hat er in uns geliebt, wenn nicht Gott? Nicht jedoch Gott, wie wir ihn schon besitzen, sondern so, wie er will, dass wir ihn dort besitzen werden, wo Gott „alles in allem“ sein wird. Der Arzt liebt die Kranken, da er ihnen die Gesundheit schenken möchte, und nicht, weil sie krank sind. „Wie ich euch geliebt habe, so liebt einander.“ Darum nämlich hat er uns geliebt: damit wir unsererseits einander lieben.