20.04.2017

Hl. Franz von Sales (1567 — 1622), Kirchenlehrer zum heutigen Evangelium

Die Apostel hatten sich wie Kinder, die ihren Vater, wie Krieger, die ihren Anführer verloren haben, ganz furchtsam in ein Haus zurückgezogen; da erschien ihnen der Herr, um sie zu trösten in ihrer Trübsal und sprach zu ihnen: „Der Friede sei mit euch!” Es war, als wollte er sagen: Was seid ihr so voll Furcht und Trauer, meine Apostel? Zweifelt ihr noch an meiner Auferstehung? Friede sei mit euch, beruhigt euch, bleibet in Frieden, denn ich bin wahrhaft auferstanden; schauet nur meine

Hände und Füße, berühret meine Wunden; „Friede sei mit euch; ich bin es, fürchtet euch nicht!” Ja, einen dreifachen Frieden hat der auferstandene Heiland seinen Jüngern zum Geschenke gemacht:

 

1. Den Frieden des heiligen Evangeliums und der heiligen Kirche. Denn ohne die Beobachtung der Vorschriften des Evangeliums, außer dem Gehorsam gegen die Kirche gibt es nur Unfrieden und Unruhe. Als die Israeliten sich abwandten von den Geboten Gottes und seinem heiligen Gesetze, gab der Herr in gerechtem Zorne zur Strafe für ihren Abfall sie in die Gewalt ihrer Feinde, der Madianiter, die dann zur Zeit der Ernte kamen und ihre Früchte und Lebensmittel hinwegführten. Gleichwie aber dann nach langen Jahren des Unfriedens und der Qual der Herr sich erbarmte und den Helden Gedeon erweckte, der den gewalttätigen Feind besiegte und Israel den Frieden brachte, also erweckte er auch seinen eingeborenen Sohn aus dem Grabe, und heute tritt derselbe mit der Botschaft des Friedens in die Mitte seiner Apostel und spricht: Fürchtet euch nicht, der Kampf ist vorüber; sehet in meinen Händen und Füßen die glorreichen Zeichen des errungenen Sieges. Gehet nun aus und traget die Kunde des Friedens in alle Welt; tretet ihr in ein Haus, so sprechet: „Friede sei in diesem Hause!” Ja, das ganze Evangelium und unsere heilige Kirche sind nichts als Frieden; sie beginnen mit Frieden und endigen mit Frieden, um uns zu lehren, dass Friede das selige Erbe sei, das der Herr seinen Kindern übermacht hat, die mit willigem Gehorsam sich der Leitung ihrer seligen Mutter, der Kirche, hingeben.

 

2. Der auferstandene Heiland bringt uns ferner den Frieden mit Gott, mit dem Nächsten und mit uns selbst, wie die heiligen Väter lehren. Als Friedensopfer hat er für uns am Kreuze gehangen; dort ist er, wie der selige Paulus sagt, für uns zur Sünde geworden und hat durch seine Todesleiden uns Versöhnung und Frieden mit Gott dem Vater gebracht. Ist aber ein Kind der Kirche so unglücklich gewesen, diesen Frieden durch Schuld und Sünde zu verlieren, so ist er noch immer auf unseren Altären das Sühneopfer für unsere Verschuldung; ,,er ist unser Friede“, wie der Apostel spricht (Eph. 2, 14.). Ja, dieser Friede gehört nur den Kindern der Kirche; denn außerhalb derselben besitzt man nicht die wirksamen Sühnemittel, durch

welche uns die verlorene Gnade und Freundschaft Gottes zurückgegeben wird. – Woher kommt aber das meiste Leid und Elend in der Welt? Woher anders, als weil die Menschen untereinander durch Habsucht und Ehrgeiz, durch Neid und Feindseligkeit entzweit sind? Wohl wissend, wie sehr hier Hilfe nottat, hat daher auch unser Heiland in seinen Predigten uns nichts so sehr eingeschärft, als dass wir einander lieben sollen; und um uns zu zeigen, wie sehr er die Eintracht liebt, erscheint er nach seiner Auferstehung den Jüngern nur, wenn sie versammelt sind, und gleichwie der hl. Thomas erst seines Anblickes gewürdigt ward, nachdem er in die Versammlungen der Apostel zurückgekehrt war, so dürfen auch wir nicht hoffen, den erstandenen Heiland in seiner Herrlichkeit zu schauen, wenn wir nicht untereinander in Frieden und brüderlicher Eintracht leben. – Endlich bekämpfen sich, wie der Apostel bezeugt, unaufhörlich in uns das Fleisch und der Geist, das Gesetz der Glieder und das Gesetz Gottes (Gal. 5.). Trotz alledem aber können wir den Frieden des Geistes bewahren, können stets siegreich bleiben in diesem Kampfe, wenn nur die drei Dienstmannen des Geistes: Vernunft, Gedächtnis und Wille, uns treu bleiben; wenn nur die Vernunft unbeirrt durch die Vorspiegelungen der fleischlichen Klugheit festhält an den Wahrheiten des Glaubens, wenn nur das Gedächtnis, ohne auf den Lockruf irdischer Lüste zu achten, hoch hält das Banner der Hoffnung auf die großen Verheißungen des Herrn, und endlich der Wille, mit Beseitigung aller unnützen Interessen und Begebungen, nur das eine Notwendige im Auge behält, nämlich Gott zu lieben aus ganzem Herzen und ganzer Seele. Ja, dann wird unser Heiland auch uns heimsuchen, wird auch uns jenen heiligen Frieden verleihen, den er heute seinen Aposteln geschenkt hat. Das ist gewiss: die wahren Freunde Gottes sind ruhig, trotz aller Widerwärtigkeiten, und immer wissen sie den Frieden zu bewahren, den der Herr ihnen durch seinen Tod erworben hat.

 

3. Haben wir dann mitten im Kampfe, in den Stürmen, Verfolgungen, Demütigungen, Prüfungen, Leiden und Trübsalen des Lebens den rechten Frieden des Herzens bewahrt, so wird uns Gott einst auch zum Lohne jene ewige Ruhe, jenen vollendeten Frieden geben, der dort oben das beseligende Erbteil aller treuen Kinder Gottes ist.

Amen.