22.08.2017

Sel. John Henry Newman (1801-1890), Theologe und Kardinal zum Evangelium vom 22.08.2017 = zum Ruf Christi

„Wir haben alles verlassen und sind dir gefolgt“

Wir werden nicht bloß einmal gerufen, sondern viele Male; unser ganzes Leben lang ruft uns Christus. Durch die Taufe hat er uns zuerst gerufen, aber er tat es auch später. Ob wir auf seine Stimme hören oder nicht – in seiner Barmherzigkeit ruft er uns weiterhin. Wenn wir gegen unsere Taufversprechen verstoßen, ruft er uns zur Reue. Wenn wir uns Mühe geben, unserer Berufung gerecht zu werden, ruft er uns immer weiter nach vorne, von Gnade zu Gnade, von Heiligkeit zu Heiligkeit, solange uns dafür das Leben belassen ist.

Abraham war aufgerufen, sein Haus und sein Land zu verlassen (Gen 12,1); Petrus seine Netze (Mt 4,18), Matthäus seine Arbeit (Mt 9,9), Elias seinen Hof (1 Kön 19,19), Natanaël seinen Ruheplatz (Joh 1,47). Unaufhörlich werden wir gerufen, von einer Sache zur nächsten, immer weiter weg. Wir haben keinen Ort zum Ausruhen, sondern steigen weiter hinauf, dem ewigen Ruheplatz entgegen. Und indem wir einem inneren Ruf gehorchen, sind wir schon wieder bereit, auf den nächsten zu hören.

Christus ruft uns unaufhörlich, um uns unaufhörlich zu rechtfertigen. Unaufhörlich will er uns immer mehr heiligen und verherrlichen. Wir sollten das erkennen, aber nur langsam werden wir uns der großen Wahrheit bewusst, dass Christus gewissermaßen mit uns unterwegs ist und dass er uns mit seiner Hand, seinen Augen, seiner Stimme Zeichen gibt, ihm zu folgen. Wir nehmen nicht wahr, dass sein Ruf etwas ist, das in diesem Augenblick stattfindet. Wir glauben, dass es zur Apostelzeit stattfand, glauben aber nicht, dass der Ruf an uns ergeht und erwarten ihn, ehrlicherweise auch gar nicht für uns.