27.04.2017

Hl. Augustinus (354 — 430), Bischof von Hippo, Kirchenlehrer zur Gotteserkenntnis

Hierdurch gemahnt, zu mir selbst zurückzukehren, trat ich ein in mein Innerstes unter deiner Führung, und ich vermochte es, denn du standest mir helfend zur Seite. Ich trat ein und sah, so blöde auch das Auge meiner Seele noch war, ob diesem Auge meiner Seele, ob meinem Geiste das unwandelbare Licht, nicht dies gemeine und jedem Fleisch sichtbare, auch nicht, als wenn es größer wäre, jedoch von derselben Art und weit, weit heller noch erglänzend, alles mit seiner Größe erfüllt. Nein, nicht also, sondern anders, ganz anders und gewaltig von alledem unterschieden. Auch war es nicht also über meinem Geiste wie das Öl über dem Wasser, auch nicht wie der Himmel über der Erde, sondern weit erhabener, weil er mich selbst schuf, und ich weit tiefer, weil ich sein Geschöpf war. Wer die Wahrheit kennt, der kennt es, und wer es kennt, der kennt auch die Ewigkeit, die Liebe kennt er.

O ewige Wahrheit und wahre Liebe und liebe Ewigkeit, du bist mein Gott und Tag und Nacht seufze ich zu dir. Und da ich dich erkannte, da nahmst du mich an, auf dass ich sähe, es sei wahrhaftig, was ich sehen könnte, ich aber sei noch nicht imstande zu sehen. Du machtest die Blendung meiner geschwächten Sehkraft zunichte, da du mächtig über mir strahltest, und ich bebte vor Liebe und Schauer, und ich fand, dass ich weit entfernt sei von dir im Abstand meiner Unähnlichkeit; da war mir's, als hörte ich deine Stimme aus der Höhe, die spräche: Ich bin eine Speise der Starken; wachse und du wirst mich genießen. Nicht wirst du mich in dich wandeln, gleich der Speise deines Fleisches, du wirst gewandelt werden in mich. Und ich erkannte, wie du den Menschen züchtigst um der Sünde und wie du gleich einem zerstörten Spinngewebe meine Seele verschrumpfen ließest, und ich sprach: Ist denn die Wahrheit nichts, weil sie weder durch den endlichen noch durch den unendlichen Raum verbreitet ist? Und du riefst mir aus der Ferne: ja, sie ist; ich bin, der ich bin. Da hörte ich, wie man hört im Herzen, und der Zweifel wich von mir gänzlich. Eher hätte ich daran gezweifelt, dass ich lebe als dass es Wahrheit gäbe, die man an der Schöpfung der Welt wahrnimmt.