30.10.2017

Hl. Gregor der Große (um 540-604), Papst und Kirchenlehrer zum Evangelium vom 30.10.2015

„Frau, du bist von deinem Leiden erlöst“

Am Sabbat lehrte Jesus in einer Synagoge. Dort saß eine Frau, die seit achtzehn Jahren krank war, weil sie von einem Dämon geplagt wurde. Ihr Rücken war verkrümmt; sie konnte absolut nicht nach oben schauen. Der Sünder, der nur mit irdischen Dingen beschäftigt ist und der nicht nach den himmlischen strebt, ist nicht in der Lage, nach oben zu schauen. Da er seinen Begierden folgt, die ihn nach unten ziehen, verliert seine Seele ihre aufrechte Haltung und krümmt sich; so sieht er nur noch das, woran er ständig denkt. Gebt wieder auf euer Herz acht, geliebte Brüder, und prüft laufend die Gedanken, die unaufhörlich in eurem Kopf kreisen! Der eine denkt an Ehre, der andere an Geld, wieder ein anderer an die Mehrung seines Vermögens. Das sind allesamt profane Dinge, und wenn der Geist sich darin verliert, krümmt er sich und verliert seine aufrechte Haltung. Und weil er sich nicht wieder aufrichtet, um nach himmlischen Gütern Ausschau zu halten, gleicht er der gekrümmten Frau, die absolut nicht nach oben schauen kann [...]

Der Psalmist beschreibt unser Gekrümmtsein treffend, wenn er von sich selbst sinnbildlich für das ganze Menschengeschlecht sagt: „Ich bin gekrümmt und tief gebeugt“ (Ps 38(37),7). Er bedachte, dass der Mensch, dazu geschaffen, das Licht aus der Höhe zu betrachten, aufgrund seiner Sünden aus dem Paradies vertrieben wurde und dass seitdem in seiner Seele die Finsternis herrscht. Sie raubt ihm das Verlangen nach den himmlischen Dingen und lenkt seine ganze Aufmerksamkeit auf Irdisches [...] Verlöre der Mensch das Himmlische aus den Augen und dächte nur noch an die Erfordernisse dieser Welt, so wäre er gewiss gekrümmt und gebeugt, aber noch nicht „tief“. Da nun nicht nur ein Zwang seine Gedanken abstürzen lässt [...] sondern dazu noch die verbotene Lust ihn zu Boden drückt, ist er nicht nur gebeugt, sondern „tief gebeugt“.