19.04.2016

STREITGESPRÄCH BEIM TEMPELWEIHFEST

nach Maria Valtorta

Inzwischen nähern sich viele Juden, die von allen Seiten auftauchen – aber weder ein Pharisäer noch ein Schriftgelehrter oder Priester ist unter ihnen – drängen sich um Jesus, und einer tritt vor und spricht: «Große Dinge hast du an diesem Tag getan! Wahrhaft Werke eines Propheten, eines großen Propheten. Und die Geister des Abgrundes haben große Dinge von dir gesagt. Aber ihre Worte kann man nicht annehmen, wenn dein Wort sie nicht bestätigt. Wir sind voll Staunen über diese Worte. Aber wir fürchten auch einen großen Betrug, denn wir wissen, dass Beelzebub ein Lügengeist ist. Wir möchten uns nicht täuschen und nicht getäuscht werden. Sage uns daher, wer du bist, denn du hast Worte der Wahrheit und der Gerechtigkeit.»

«Habe ich euch denn nicht schon oft gesagt, wer ich bin? Seit fast drei Jahren sage ich es euch, und vor mir haben es euch Johannes am Jordan und die Stimme Gottes vom Himmel gesagt.»

«Das ist wahr. Aber wir waren damals nicht dabei... Du, der du ein Gerechter bist, musst unsere Unruhe verstehen. Wir würden gerne an dich, als den Messias, glauben. Aber gar zu oft wurde das Volk Gottes schon von falschen Christussen getäuscht. Tröste unser Herz, dass hofft und auf ein sicheres Wort wartet, und wir werden dir huldigen.»

Jesus blickt sie streng an. Seine Augen scheinen die Körper zu durchdringen und die Herzen bloßzulegen. Dann sagt er: «Wahrlich, oft können die Menschen noch besser lügen als Satan selbst. Nein. Ihr werdet mir nicht huldigen. Nie! Was immer ich euch auch sage. Und selbst wenn ihr es tätet, wen würdet ihr dann anbeten?»

«Wen? Unseren Messias natürlich!»

«Dazu wäret ihr fähig? Wer ist denn für euch der Messias? Antwortet, damit ich weiß, was ihr wert seid.»

«Der Messias? Nun, der Messias ist der, der auf Geheiß Gottes das verstreute Volk Israels wieder sammelt und daraus ein triumphierendes Volk macht, dass die ganze Welt beherrschen wird. Weißt du denn nicht, wer der Messias ist?»

«Ich weiß es, so wie ihr es nicht wißt. Für euch ist er also ein Mensch, größer als David, Salomon und Judas Makkabäus; einer, der Israel zum König der Welt machen wird?»

«Das ist es. Gott hat es versprochen. Alle Rache, aller Ruhm, alle Genugtuung wird von dem verheißenen Messias kommen.»

«Es steht geschrieben: „Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten.“ Warum nun würdet ihr mich anbeten, wenn ihr in mir nur den menschlichen Messias sehen könntet?»

«Was sollen wir sonst in dir sehen?»

«Was? Und mit solchen Anschauungen kommt ihr mich fragen? Arglistiges und giftiges Viperngezücht und Gotteslästerer noch dazu! Denn wenn ihr in mir nichts anderes sehen könntet als den menschlichen Messias und mich anbeten würdet, wäret ihr Götzendiener. Nur Gott darf man anbeten. Und in Wahrheit sage ich euch noch einmal, dass der, der mit euch spricht, mehr ist als der Messias, den ihr euch vorstellt und mit anderen Aufgaben, Vollmachten und einer anderen Macht ausgestattet ist, als ihr euch einbildet. Der Messias kommt nicht, um seinem Volk ein Reich zu schaffen, wie ihr es glaubt. Er kommt nicht, um Rache zu üben an anderen Mächtigen. Sein Reich ist nicht von dieser Welt, und seine Macht überragt alle begrenzte Macht dieser Welt.»

«Du demütigst uns, Meister. Wenn du der Meister bist und wir unwissend sind, warum willst du uns dann nicht unterweisen?»

«Seit drei Jahren tue ich es, aber ihr geratet in immer tiefere Finsternis, da ihr das Licht zurückweist.»

«Es ist wahr. Vielleicht ist es wahr. Aber was für die Vergangenheit galt, könnte sich in der Zukunft ändern. Oder etwa nicht? Du, der du mit Zöllnern und Dirnen Erbarmen hast und die Sünder freisprichst, willst kein Erbarmen mit uns haben, nur weil wir einen harten Schädel haben und nicht so schnell begreifen, wer du bist?»

«Es ist nicht, dass ihr Mühe habt zu begreifen; ihr wollt nicht verstehen. Mangelndes Begriffsvermögen wäre keine Schuld. Gott besitzt so viel Licht, dass er auch den schwächsten Geist erleuchten kann, wenn er voll guten Willens ist. Dieser aber fehlt auch. Euer Wille ist vielmehr das Gegenteil. Und daher versteht ihr nicht, wer ich bin.»

«Es wird so sein, wie du sagst. Du siehst, wie demütig wir sind. Aber wir bitten dich im Namen Gottes, antworte auf unsere Fragen. Laß uns nicht länger im Zweifel. Wie lange soll unser Geist noch im Ungewissen bleiben? Wenn du der Christ bist, dann sage es uns offen heraus.»

«Ich habe es euch gesagt. In den Häusern, auf den Plätzen, auf den Straßen, in den Dörfern, auf den Bergen, an den Flüssen, am Meer, in der Wüste, im Tempel, in den Synagogen und auf den Märkten habe ich es euch gesagt, und ihr glaubt nicht. Es gibt keinen Ort in Israel, der nicht meine Stimme gehört hätte. Selbst die Orte, die seit Jahrhunderten fälschlicherweise den Namen Israel tragen, die aber vom Tempel getrennt sind, selbst die Orte, die ihren Namen diesem unserem Land gegeben haben, die aber aus Herrschern zu Untertanen geworden sind und sich doch niemals vollständig befreit haben von ihren Irrtümern, um zur Wahrheit zu kommen, selbst Syro-Phönizien, dass die Rabbis als ein Land der Sünde meiden, alle haben sie meine Stimme gehört und mein Wesen kennengelernt.

Ich habe es euch gesagt, und ihr glaubt meinen Worten nicht. Ich habe gewirkt, aber ihr habt meine Handlungen nicht mit gutem Willen, in gutem Geist betrachtet. Wenn ihr es getan hättet in der aufrichtigen Absicht, euch über mich zu vergewissern, dann wäret ihr zum Glauben an mich gelangt; denn die Werke, die ich im Namen des Vaters vollbringe, legen Zeugnis von mir ab. Die Menschen guten Willens, die mir gefolgt sind, weil sie mich als Hirten erkannt haben, haben meinen Worten geglaubt und dem Zeugnis, dass meine Werke ablegen.

Glaubt ihr vielleicht, dass das, was ich tue, nicht auch zu eurem Nutzen ist? Zum Nutzen jedes Menschen? Täuscht euch nicht. Denkt nicht, dass der Nutzen nur in der durch meine Macht wiedererlangten Gesundheit des Einzelnen besteht, oder in der Befreiung des einen oder anderen von der Besessenheit oder der Sünde. Das ist der auf ein Individuum beschränkte Nutzen. Und er wäre viel zu gering im Hinblick auf die Macht, die verströmt aus der übernatürlichen Quelle, der mehr als übernatürlichen, der göttlichen strömenden Quelle, als dass es der einzige Nutzen sein könnte. Eine viel allgemeinere nützliche Wirkung bezwecken meine Taten. Den Unsicheren wollen sie jeden Zweifel nehmen, die Widersetzlichen wollen sie überzeugen, die Glaubenden immer mehr im Glauben bestärken.

Um dieses kollektiven Nutzens aller Menschen der Gegenwart und der Zukunft willen – denn meine Werke werden auch vor den zukünftigen Menschen von mir Zeugnis ablegen und sie von mir überzeugen – hat mir mein Vater die Macht gegeben, dass zu tun, was ich tue. Nichts geschieht ohne einen guten Zweck in den Werken Gottes. Denkt immer daran. Betrachtet diese Wahrheit!»

Jesus hält eine Zeitlang inne. Er heftet seinen Blick auf einen Judäer, der mit geneigtem Haupt dasteht, und sagt dann: «Du, der du so sinnend dastehst, du in dem Gewand von der Farbe einer reifen Olive, du fragst dich, ob auch Satan zu einem guten Zweck da ist. Sei nicht so töricht, mich widerlegen und Irrtum in meinen Worten finden zu wollen. Ich antworte dir, dass Satan nicht das Werk Gottes ist, sondern das Werk des freien Willens des rebellischen Engels. Gott hatte ihn zu seinem glorreichen Diener gemacht, und so hatte er ihn zu einem guten Zweck erschaffen. Du sagst nun zu dir selbst: „Dann ist Gott töricht; denn er hat die Herrlichkeit einem künftigen Rebellen verliehen und seinen Willen einem Ungehorsamen anvertraut.“ Ich antworte dir: „Gott ist nicht töricht, sondern vollkommen in seinem Denken und Tun. Er ist der Allervollkommenste. Die Geschöpfe sind unvollkommen, auch die vollkommensten. Immer ist in ihnen etwas Mangelhaftes im Vergleich zu Gott. Aber Gott, der sie liebt, hat ihnen den freien Willen gegeben, damit das Geschöpf mit seiner Hilfe in der Vollkommenheit wachse und dadurch Gott, seinem Vater, ähnlicher werde.“ Und weiter sage ich dir, du Spötter und listig nach Sünden in meinen Worten Suchender, dass Gott auch durch das Böse, dass aus freiem Willen entstanden ist, etwas Gutes erreicht: Er gibt den Menschen die Möglichkeit, eine verdiente Herrlichkeit zu erwerben. Die Siege über das Böse sind die Krone der Auserwählten. Wenn das Böse nicht etwas Gutes in den Menschen guten Willens bewirken könnte, hätte Gott es vernichtet. Denn nichts von allem in der Schöpfung darf ganz ohne Beziehung zum Guten sein, sei es, dass es dazu anspornt oder daraus folgt.

Antwortest du nicht? Fällt es dir schwer, zugeben zu müssen, dass ich in deinem Herzen gelesen und die unrichtigen Schlußfolgerungen deiner gewundenen Gedankengänge widerlegt habe? Ich werde dich nicht zwingen, es zu tun. Im Angesicht so vieler lasse ich dir deinen Hochmut. Ich verlange nicht, dass du mich öffentlich Sieger nennst. Aber wenn du allein bist mit deinesgleichen und mit denen, die euch geschickt haben, dann bekenne, dass Jesus von Nazareth deine Gedanken gelesen und deine Einwände in der Kehle erstickt hat mit seiner einzigen Waffe: dem Wort der Wahrheit.

Aber lassen wir diese persönliche Auseinandersetzung und kehren wir zurück zu den vielen, die mir zuhören. Wenn auch nur ein einziger unter den vielen seinen Geist durch meine Worte dem Licht zuwenden würde, wäre meine Mühe, zu Steinen zu sprechen, ja zu Gräbern voller Vipern, belohnt.

Ich habe gesagt, dass jene, die mich lieben, mich an meinen Worten und meinen Werken als den Hirten erkannt haben. Aber ihr glaubt nicht, ihr könnt nicht glauben, weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört.

Was seid ihr? Ich frage es euch. Fragt es euch selbst im Inneren eures Herzens. Ihr seid nicht töricht. Ihr könnt euch erkennen als das, was ihr seid. Ihr braucht nur auf die Stimme eurer Seele zu hören, die unruhig ist und den Sohn dessen, der sie geschaffen hat, nicht länger beleidigen will. Aber obwohl ihr erkennt, was ihr seid, werdet ihr es nicht sagen. Ihr seid weder demütig noch aufrichtig. Ich jedoch sage euch, was ihr seid. Ihr seid teils Wölfe, teils wilde Ziegen. Aber keiner von euch ist ein wahres Lamm trotz des Schafspelzes, den ihr tragt, um als Lämmer zu erscheinen. Unter dem weichen, weißen Fell habt ihr alle die harten Farben, die spitzen Hörner, Tatzen und Klauen von Böcken oder wilden Tieren; und ihr wollt so bleiben, weil es euch gefällt, so zu sein, und weil ihr von Gewalt und Auflehnung träumt. Deshalb könnt ihr mich nicht lieben, mir nicht folgen und mich nicht verstehen. Wenn ihr zur Herde kommt, ist es, um zu schaden, Schmerz zu bereiten oder Verwirrung zu stiften. Meine Schafe haben Angst vor euch. Wenn sie wären wie ihr, müßten sie euch hassen. Aber sie können nicht hassen. Sie sind Schäflein des Friedensfürsten, des Meisters der Liebe, des barmherzigen Hirten. Sie kennen keinen Haß, und sie werden euch nie hassen, wie auch ich euch nie hassen werde. Ich überlasse den Haß euch, denn er ist die böse Frucht der dreifachen Begierlichkeit im entfesselten Inneren des Menschentieres, dass lebt und dabei vergißt, dass es auch eine Seele besitzt, und nicht nur den Körper. Ich behalte, was mein ist: die Liebe. Und sie gebe ich an meine Schäflein weiter und biete sie auch euch an, um euch gut zu machen.

Wenn ihr gut würdet, würdet ihr mich verstehen und zu meiner Herde kommen, gleich den anderen, die zu ihr gehören. Wir würden uns lieben. Ich und meine Schafe, wir lieben uns. Sie hören auf mich und kennen meine Stimme. Ihr versteht nicht, was es in Wahrheit bedeutet, meine Stimme zu kennen. Es bedeutet, keinen Zweifel zu haben an ihrem Ursprung und sie von den tausend anderen Stimmen der falschen Propheten als wahre Stimme vom Himmel unterscheiden zu können. Jetzt und immer wird es selbst unter denen, die sich für Anhänger der Weisheit halten und es teilweise auch sind, viele geben, die meine Stimme nicht unterscheiden können von anderen Stimmen, die mit mehr oder weniger Gerechtigkeit von Gott sprechen, die aber alle geringwertiger sind als meine Stimme...»

«Du sagst immer, dass du bald fortgehst; und dann willst du behaupten, dass du immer sprechen wirst? Wenn du fortgegangen bist, wirst du nicht mehr sprechen?» entgegnet ihm ein Jude in dem verächtlichen Ton, in dem er wahrscheinlich mit einem Schwachsinnigen sprechen würde.

Jesus antwortet wieder in seinem geduldigen und betrübten Ton, der nur zu Anfang, als er zu den Juden gesprochen, und danach, als er auf die innerlichen Einwände des Juden geantwortet hat, streng geworden ist: «Ich werde immer sprechen, damit die Welt nicht ganz dem Götzendienst verfalle. Und ich werde zu den Meinen sprechen, die dazu erwählt sind, euch meine Worte zu wiederholen. Der Geist Gottes wird sprechen, und sie werden verstehen, was selbst die Gebildeten nicht verstehen können. Denn die Gelehrten werden das Wort, den Satz, die Art, den Ort, dass Wie und das Werkzeug studieren, durch das das Wort spricht, während meine Auserwählten sich nicht in diesen unnützen Studien verlieren, sondern zuhören werden, verloren in meiner Liebe. Und sie werden verstehen, denn es wird die Liebe sein, die zu ihnen spricht. Sie werden die verzierten Blätter der Gelehrten und die Lügenblätter der falschen Propheten und der heuchlerischen Rabbis, die unreine Lehren verbreiten oder lehren, was sie selbst nicht praktizieren, zu unterscheiden wissen von den einfachen, wahren und tiefen Worten, die von mir kommen. Aber die Welt wird sie dafür hassen, denn die Welt haßt mich, dass Licht, und sie haßt auch die Kinder des Lichtes; die finstere Welt liebt die Finsternis, die ihre Sünden begünstigt. Meine Schafe kennen mich und werden mich kennen, und sie werden mir immer folgen, auch auf den Wegen des Blutes und des Schmerzes, die ich als erster gehe und die sie nach mir gehen werden. Die Wege, die die Seelen zur Weisheit führen. Die Wege, die das Blut und die Tränen der als Lehrer der Gerechtigkeit Verfolgten lichtvoll machen, da sie sie von dem finsteren Rauch der Welt und Satans befreien, damit sie seien wie Sternenbahnen und alle führen, die den Weg, die Wahrheit und das Leben suchen und niemanden finden, der sie führt. Denn dies brauchen die Seelen: Einen, der sie zum Leben, zur Wahrheit und auf den richtigen Weg führt. Gott ist erbarmungsvoll mit den Seelen, die suchen und nicht finden, nicht aus eigener Schuld, sondern wegen der Trägheit ihrer götzendienerischen Hirten. Gott erbarmt sich der Seelen, die sich selbst überlassen, umherirren und aufgefangen werden von Dienern Luzifers, die immer bereit sind, die Verirrten zu sammeln und Anhänger ihrer Lehren aus ihnen zu machen. Gott erbarmt sich derer, die der Täuschung nur anheimfallen, weil die Rabbis Gottes, die sogenannten Rabbis Gottes, sich nicht um sie kümmern. Gott erbarmt sich all dieser, die der Mutlosigkeit, der Finsternis, dem Tod anheimfallen durch die Schuld der falschen Meister, die von Meistern nichts haben als das Gewand und den Stolz, so genannt zu werden. Und wie er für sein Volk die Propheten gesandt hat und wie er mich für die ganze Welt gesandt hat, so wird er später, nach mir, für diese armen Seelen Diener des Wortes, der Wahrheit und der Liebe senden, damit sie meine Worte wiederholen. Denn meine Worte sind es, die das Leben geben. So werden meine Schafe von heute und von morgen das Leben haben, dass ich ihnen durch mein Wort gebe und das ewiges Leben für den ist, der es aufnimmt; und sie werden nie umkommen, und niemand wird sie meinen Händen entreißen können.»

«Wir haben nie die Worte der wahren Propheten abgelehnt. Wir haben immer Johannes, den letzten Propheten, anerkannt», antwortet zornig ein Jude, und seine Gefährten stimmen ihm zu.

«Er ist zu früh gestorben, um sich bei euch unbeliebt zu machen und auch von euch verfolgt zu werden. Wenn er noch unter den Lebenden wäre, würde er sein „Es ist dir nicht erlaubt“, dass er angesichts der fleischlichen Blutschande sagte, auch euch entgegenschleudern, die ihr geistigen Ehebruch begeht, indem ihr mit Satan und gegen Gott Unzucht treibt; und ihr würdet ihn töten, so wie ihr jetzt die Absicht habt, mich zu töten.»

Wutentbrannt toben die Juden, schon jetzt bereit zuzuschlagen. Sie sind es müde, Sanftmut vortäuschen zu müssen.

Aber Jesus kümmert sich nicht darum. Er erhebt die Stimme, um das allgemeine Geschrei zu übertönen, und ruft: «Habt ihr mich nicht gefragt, wer ich bin, ihr Heuchler? Habt ihr nicht gesagt, dass ihr es wissen wollt, um sicher zu sein? Und jetzt sagt ihr, dass Johannes der letzte Prophet gewesen ist? Ihr bezeugt euch selbst in zweifacher Weise der Lüge. Einmal, weil ihr sagt, ihr hättet nie die Worte der wahren Propheten abgelehnt; zum anderen, weil ihr, indem ihr sagt, dass Johannes der letzte Prophet gewesen sei und dass ihr an die wahren Propheten glaubt, ausschließt, dass auch ich ein Prophet, wenigstens ein Prophet, und ein wahrer bin. Ihr Lügner und trügerischen Herzen! Ja, wahrlich, wahrlich, hier im Haus meines Vaters erkläre ich, dass ich mehr bin als ein Prophet. Ich habe, was mein Vater mir gegeben hat. Und was mein Vater mir gegeben hat, ist kostbarer als alles auf der Welt, denn der Wille und die Macht der Menschen können nicht die räuberischen Hände danach ausstrecken. Ich besitze, was Gott mir gegeben hat, und obwohl es in mir ist, ist es immer in Gott. Und niemand kann es den Händen meines Vaters und mir entreißen, denn es ist die gleiche göttliche Natur. Ich und der Vater sind eins.»

«Oh! Entsetzlich! Gotteslästerung! Anathema!» Das Geschrei der Juden hallt im Tempel wider, und noch einmal sind die Steine, die die Wechsler und Viehhändler der besseren Ordnung halber für ihre Einfriedungen benutzen, dass Arsenal für alle, die Waffen suchen, um ihn zu treffen.

Aber Jesus richtet sich mit über der Brust gekreuzten Armen auf. Er ist auf einen Steinsitz gestiegen, um höher zu stehen und besser gesehen zu werden, und von dort beherrscht er alle mit den Strahlen seiner saphirblauen Augen. Er beherrscht sie und durchbohrt sie. Seine gewaltige Majestät lähmt sie. Anstatt die Steine auf ihn zu schleudern, werfen sie sie weg oder halten sie in den Händen, aber sie haben nicht mehr den Mut, sie auf ihn zu werfen. Auch das Geschrei legt sich und ein eigenartiges Staunen tritt an seine Stelle. Es ist wirklich Gott, der in Christus aufblitzt. Und wenn Gott seine Blitze schleudert, wird auch der verwegenste Mensch klein und furchtsam.