15.06.2016

VOM BETEN, FASTEN UND ALMOSEN GEBEN

nach Maria Valtorta

«Macht es nicht wie die Heuchler, die sich beim Beten in den Synagogen oder an den Ecken der Plätze den Menschen zur Schau stellen, um als fromme und gerechte Menschen gepriesen zu werden, während sie sich an ihrer Familie, an Gott und am Nächsten versündigen. Versteht ihr nicht, dass dies einem Meineid gleichkommt? Warum wollt ihr auf einer Unwahrheit bestehen wenn nicht um euch eine Achtung zu verschaffen, die ihr nicht verdient? Das heuchlerische Gebet soll sagen: „Wahrlich, ich bin ein Gerechter. Ich schwöre es vor den Augen aller, die mich sehen und nicht leugnen können, dass sie mich beten sehen.“ Mit dem Schleier, den ihr über eure Bosheit breitet, wird ein in solcher Absicht verrichtetes Gebet zur Gotteslästerung.

Überlaßt es Gott, euch für gerecht zu erklären, und handelt so, dass euer ganzes Leben für euch zeuge: „Seht, da ist ein Diener des Herrn.“ Doch ihr selbst, ihr sollt schweigen, zu eurem eigenen Nutzen. Macht eure Zunge, die vom Hochmut bewegt wird, nicht zum Gegenstand des Ärgernisses in den Augen der Engel. Besser wäre es, ihr würdet augenblicklich stumm, wenn ihr nicht die Kraft besitzt, dem Hochmut und der Zunge zu gebieten, die euch als gerecht und Gott wohlgefällig verkünden. Überlaßt den Hoffärtigen und den Heuchlern diese armselige Ehre! Laßt den Stolzen und den Falschen diese hinfällige Belohnung! Armselige Vergeltung! Doch diese wollen sie, und eine andere werden sie nicht erhalten; denn mehr als eine steht niemand zu. Entweder die wahre, gerechte und ewige des Himmels, oder die unechte dieser Welt, die nur so lange währt wie ein Menschenleben, vielleicht auch kürzer, und die dann im anderen Leben, weil sie ungerecht war, mit einer beschämenden Strafe gebüßt werden muss.

Hört, wie ihr beten sollt: sowohl mit der Zunge als auch mit der Arbeit und mit euerem ganzen Sein, aus Antrieb des Herzens, dass Gott liebt und in ihm den Vater erkennt und das euch stets bedenken läßt, wer der Schöpfer und was das Geschöpf ist. Dann steht der Mensch stets in ehrfurchtsvoller Liebe vor dem Angesicht Gottes, ob er nun betet oder arbeitet oder unterwegs ist, ob er sich ausruht, seinen Lebensunterhalt verdient oder Wohltaten spendet. Aus einem inneren Antrieb des Herzens, habe ich gesagt. Dies ist die erste und wesentliche Eigenschaft, denn alles kommt aus dem Herzen und wie das Herz ist, so ist der Geist, dass Wort, der Blick und das Handeln eines Menschen.

Der Gerechte schöpft aus seinem gerechten Herzen das Gute, und je mehr er daraus schöpft, desto mehr findet er; denn was er Gutes getan hat, erzeugt aufs neue Gutes, so wie das Blut, dass sich im Kreislauf durch die Adern erneuert und, angereichert mit neuen Stoffen aus Luft und Nahrung, zum Herzen zurückkehrt. Der entartete Mensch hingegen kann aus seinem finstersten Herzen voller Trug und Gift nur Trug und Gift schöpfen, und wie sich bei ihm Trug und Gift durch die zunehmenden Sünden mehren, so vermehrt sich beim guten Menschen die Gnade Gottes. Glaubt nur, wovon das Herz des Menschen voll ist, davon fließt der Mund über, und in seinen Werken findet es seinen Ausdruck.

Schafft euch ein demütiges und reines Herz, voll Liebe, Vertrauen und Aufrichtigkeit. Liebt Gott mit der scheuen Liebe, die eine Jungfrau für ihren Bräutigam empfindet. Wahrlich, ich sage euch, jede Seele ist eine Jungfrau, vermählt mit dem ewig Liebenden, unserem Herrn und Gott. Dieses irdische Leben ist die Zeit der Verlobung und der Engel, der jedem Menschen als Beschützer gegeben wurde, der geistige Brautführer. Alle Stunden des Lebens und jede Begebenheit sind ebenso viele Mägde, die die hochzeitliche Ausstattung vorbereiten. Die Stunde des Todes ist die Stunde der mit Gott vollzogenen Vermählung, danach kommt die Erkenntnis, die Umarmung und die Vereinigung. Angetan mit dem Hochzeitsgewand, kann nunmehr die mit Gott vermählte Seele ihren Schleier abnehmen und sich in die Arme Gottes werfen, und niemand kann an dieser Liebe zum Bräutigam Anstoß nehmen.

Doch zur Stunde, ihr Seelen, da sich eure Hingabe an Gott noch im Opfer der Verlobungsbande vollzieht, begeht euch, um mit Gott, dem Bräutigam zu sprechen, in die friedliche Stille eurer Wohnung, besonders aber in die friedliche Wohnung des Herzens und sprecht als Engel im Fleisch, die ihr stets euren Schutzengel zur Seite habt, zum König der Engel. Sprecht zu eurem Vater in der Verborgenheit eures Herzens und eurer inneren Kammer und laßt alles weltliche draußen, sowohl den Drang, bemerkt zu werden und erbaulich zu wirken, als auch die Bedenken, ob lange wortreiche Gebete mit vielen lauen und schalen Worten der Liebe. O nein, nichts von alledem! Befreit euch davon, im Gebet Maßstäbe anzusetzen. Tatsächlich gibt es Menschen, die Stunde um Stunde in einem sich wiederholenden Monolog, einem bloßen Lippen- und Selbstgespräch verschwenden, denn nicht einmal der Schutzengel hört zu. Er versucht, dass leere Geplapper wieder gutzumachen, indem er sich selbst, anstelle seines törichten Schützlings, in ein glühendes Gebet versenkt.

Es gibt wahrlich solche, die diese Stunden nicht anders verbringen würden, auch wenn ihnen Gott persönlich erschiene und sagte: „Das Heil der Welt hängt davon ab, dass du diese seelenlose Art zu beten aufgibst, um vielleicht einfach an einem Brunnen Wasser zu schöpfen und damit aus Liebe zu mir und deinem Mitmenschen die Erde zu begießen.“ In Wahrheit, es gibt Leute, die ihr Selbstgespräch höher einschätzen als die Höflichkeitspflicht, einen Besucher zu empfangen oder in Nächstenliebe einem Notleidenden zu helfen. Es sind Seelen, die dem Götzendienst des Gebets verfallen sind.

Das Gebet ist ein Akt der Liebe. Und lieben kann man, wenn man betet und wenn man Brot bäckt, wenn man betrachtet, wenn man einem Gebrechlichen beisteht, wenn man zum Tempel pilgert, wenn man sich der Familie widmet, wenn man ein Lämmlein darbringt, oder wenn man, um sich im Herrn zu sammeln, die eigenen selbstgerechten Wünsche opfert. Es genügt, dass man sein ganzes Sein und alles, was man tut, in Liebe kleidet. Habt keine Angst! Der Vater sieht euch. Der Vater versteht euch. Der Vater hört euch an. Der Vater gibt euch. Wieviel Gnaden werden schon für einen einzigen, wahrhaftigen, vollkommenen Liebesseufzer gewährt! Welche Fülle für ein geheimes, mit Liebe dargebrachtes Opfer! Seid nicht wie die Heiden. Gott hat es nicht nötig, dass ihr ihm sagt, was er tun und geben soll, um euch zu helfen. Das können die Heiden ihren Götzen sagen, die nichts verstehen, nicht aber ihr eurem Gott, dem wahren, geistigen Gott, der nicht nur Gott und König, sondern auch euer Vater ist und weiß, was ihr braucht, noch bevor ihr ihn darum bittet.

Was ich euch über das Gebet gesagt habe, gilt auch für das Fasten. Wenn ihr fastet, dann setzt keine trübsinnige Miene auf, wie es die Heuchler tun, die kunstvoll das Gesicht verziehen, damit die Leute wissen und glauben, dass sie fasten, auch wenn es nicht wahr ist. Auch sie haben mit dem Lob der Welt ihren Lohn schon empfangen und einen anderen werden sie nicht erhalten. Ihr aber, wenn ihr fastet, nehmt eine heitere Miene an, wascht euch öfters das Gesicht, damit es sauber und frisch erscheint, salbt euch den Bart, parfümiert euer Haar und lächelt mit der Zufriedenheit des Wohlgenährten. Oh, wahrlich, es gibt keine Speise, die so sehr erquickt wie die Liebe. Wer im Geist der Liebe fastet, der nährt sich mit Liebe. Wahrlich, ich sage euch, wenn die Welt euch auch „eitel“ und „Zöllner“ nennt: euer Vater kennt euer heldenmütiges Geheimnis und wird es

euch doppelt vergelten. Er wird euch belohnen für das Fasten, und auch dafür, dass ihr deshalb nicht gerühmt worden seid.

Um jedoch das Verdienst der Liebe nicht zu vermindern, sorgt dafür, dass ihr barmherzig im übernatürlichen Sinne seid. Was ich vom Gebet und Fasten gesagt habe, dass sage ich auch über die Wohltätigkeit und über jede gute Tat, die ihr tun könnt.

Bewahrt das Gute, dass ihr tut, vor der Entheiligung durch den Geist der Welt, bewahrt es unversehrt von menschlichem Lob. Entweiht nicht die duftende Rose, dass wahre Weihrauchfaß das die dem Herrn wohlgefälligen Düfte eurer Nächstenliebe und eurer guten Werke verströmt. Der Hochmut, der Wunsch, gesehen zu werden, wenn man etwas Gutes tut, und das Streben nach Anerkennung entweihen das Gute. Dann wird die Rose der Nächstenliebe durch schleimige Schnecken vom Geifer befriedigten Hochmuts besudelt und angefressen, und ins Weihrauchfaß fallen Halme stinkenden Strohs, auf dem sich der Hochmut wie ein wohlgenährtes Tier wälzt.

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Oh, diese wohltätigen Handlungen, die nur getan werden, damit man davon spricht! Besser wäre es, sie würden unterbleiben. Wer keine Taten der Nächstenliebe vollbringt, sündigt durch Hartherzigkeit! Wer das Gute tut, aber den gespendeten Betrag und den Namen des Empfängers bekannt gibt und dafür Lob fordert, sündigt durch Hochmut, denn er sagt damit: „Seht, was ich alles tue.“ Er fehlt gegen die Liebe, weil er mit der Bekanntgabe seines Namens den Empfänger beschämt; er sündigt durch geistige Habsucht, weil er menschliches Lob einheimsen will ... ... Stroh, Stroh, nichts als Stroh! Handelt so, dass Gott euch mit seinen Engeln lobe.

Wenn ihr Almosen gebt, dann posaunt es nicht vor euch her, um die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden auf euch zu lenken und um geehrt zu werden wie die Heuchler, die den Beifall der Menschen suchen und nur dort Almosen geben, wo sie von vielen gesehen werden. Auch diese haben ihren Lohn schon empfangen und werden keinen anderen mehr von Gott erhalten. Ihr sollt nicht in den gleichen Fehler und dieselbe Überheblichkeit verfallen. Ihr sollt so Almosen geben, dass eure Rechte nicht weiß, was die Linke tut; so verborgen und verschämt soll euer Almosengeben sein. Und dann müßt ihr es vergessen. Verweilt nicht selbstgefällig bei eurem vollbrachten Werk, und bläht euch nicht auf wie eine Kröte, die sich mit ihren verschleierten Augen im Teich bewundert und sich, da sie die Bäume, die Wolken und den stehenden Wagen am Ufer widergespiegelt sieht und sich selbst daneben so klein vorkommt, bis zum Platzen mit Luft anfüllt. Eure Nächstenliebe ist ein Nichts im Vergleich zur unendlichen Barmherzigkeit Gottes, und wenn ihr ihm gleich sein wollt und eure winzig kleine Wohltätigkeit riesengroß und bedeutend sehen möchtet, um es seiner unendlichen Barmherzigkeit nachzutun, dann bläht ihr euch mit dem Wind des Stolzes auf und geht schließlich zugrunde.

Vergeßt sie, eure guten Werke! Es wird euch immer ein Licht, eine Stimme, eine Freude bleiben, die euch den Tag erhellen und euch zufrieden und glücklich machen. Das Licht ist das Lächeln Gottes, die Wonne der Seelenfrieden, der wiederum Gott ist, die Stimme die Stimme Gottvaters, die euch sagt: „Danke.“ Er sieht das geheime Böse wie auch das verborgene Gute und wird es euch vergelten. Ich...»

«Meister, du belügst dich selbst!»

Die gehässige, unvermittelte Beschimpfung kommt mitten aus der Menge. Alle wenden sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen ist. Es entsteht Verwirrung. Petrus sagt: «Ich habe es dir gesagt! Ach, wenn nur einer von denen da ist, dann geht nichts mehr gut!»

In der Menge werden Pfiffe und Gemurmel gegen den Lästerer laut. Jesus allein bleibt ruhig. Er hat die Arme über der Brust gekreuzt und steht in seinem dunkelblauen Gewande, die Sonne im Antlitz, aufrecht auf seinem Felsblock.

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Der Angreifer fährt ungeachtet der Reaktion der Menge fort: «Du bist ein schlechter Lehrer, denn du lehrst, was du selbst nicht tust und...»

«Schweig! Geh fort! Schäme dich!» schreit die Menge und weiter: «Geh zu deinen Schriftgelehrten! Uns genügt der Meister. Heuchler unter Heuchlern! Falsche Lehrer! Würger! ...» Sie würden so weiter machen, doch die Stimme Jesu donnert: «Ruhe! Laßt ihn reden!» Die Leute schreien nicht mehr: sie flüstern noch ihre Beschimpfungen unter wütenden Blicken.

«Ja, du lehrst, was du selbst nicht tust. Du sagst, man soll Almosen geben, ohne sich selbst zur Schau zu stellen, und hast gestern in Anwesenheit des ganzen Volkes zu zwei Armen gesagt: „Bleibt, ich werde euch zu essen geben.“»

«Ich habe gesagt: „Die zwei Armen sollen hier bleiben. Sie werden unsere gesegneten Gäste sein und unserem Brot Wohlgeschmack verleihen“, nichts weiter. Ich habe nicht angedeutet, dass ich ihnen zu essen geben möchte. Wo ist der Arme, der nicht wenigstens ein Stück Brot hätte? Meine Freude war es, ihnen eine wahre Freundschaft anzubieten.»

«Nun ja, du bist schlau und verstehst es, dass Lamm zu spielen...»

Der Greis steht auf, wendet sich um, hebt seinen Stock und ruft: «Höllische Zunge, die du den Heiligen beschuldigst! Glaubst du, alles zu wissen und wegen deiner Gelehrtheit anklagen zu können? So, wie du Gott verkennst und den verkennst, den du beschuldigst, so verkennst du auch seine Werke. Nur die Engel und mein jubelndes Herz wissen es. Hört, Leute, hört alle und wißt, dass Jesus kein Lügner und nicht hochmütig ist, wie dieser Auswurf des Tempels behauptet. Er...»

«Schweig, Ismael! Schweige mir zuliebe. Wenn ich dich glücklich gemacht habe, dann mache mich jetzt durch dein Schweigen glücklich!»bittet ihn Jesus.

«Ich gehorche dir, heiliger Sohn. Doch, laß mich nur dies sagen: Der Segen des alten getreuen Israeliten ist über ihm, der mich göttlich beschenkt hat, und Gott hat Lobesworte in meinen Mund gelegt, damit ich und Sara, meine neue Tochter, ihn preisen. Aber auf deinem Haupte wird kein Segen sein. Ich verfluche dich nicht. Ich verunreinige meinen Mund nicht mit einer Verwünschung, da ich im Begriff bin, zu Gott zu sagen: Nimm mich auf! Ich habe nicht einmal jene verflucht, die mich verleugnet hat, und habe schon die göttliche Belohnung erhalten. Doch wird es einen geben, der für den unschuldig Angeklagten und Ismael, den Freund Gottes, den der Herr mit Wohltaten beschenkt, eintreten wird.»

Ein Chor von Ausrufen beschließt die Rede des alten Mannes, der sich nun wieder niedersetzt, während sich ein anderer Mann, von Schmähungen gefolgt, davonmacht. Dann rufen die Leute Jesus zu: «Sprich weiter, sprich weiter, heiliger Meister! Wir wollen nur dich anhören, nicht diese verfluchten Raben, und du sollst uns anhören. Sie sind nur eifersüchtig,

weil wir dich mehr lieben als sie. Aber in dir ist Heiligkeit und in ihnen Bosheit. Sprich, sprich! Du siehst, dass wir nach nichts anderem verlangen als nach deinem Wort. Unsere Häuser? Unsere Geschäfte? Ein Nichts, wenn wir dir zuhören dürfen.»

«Ja, ich spreche. Doch ärgert euch nicht. Betet für jene Unglücklichen. Verzeiht ihnen, wie auch ich verzeihe. Denn wenn ihr den Menschen ihre Fehler verzeiht, dann wird euch auch euer Vater im Himmel eure Sünden verzeihen. Wenn ihr aber Haß in euren Herzen nährt und den Menschen nicht verzeiht, dann wird euch auch euer Vater eure Fehler nicht verzeihen. Und alle haben Verzeihung nötig.

Ich sagte euch, dass Gott euch belohnen wird, auch wenn ihr nicht um Lohn bittet für das Gute, dass ihr getan habt. Tut nicht Gutes, um dafür belohnt zu werden, um eine Garantie für morgen zu haben. Tut das Gute nicht abwägend und zurückhaltend, indem ihr sagt: „Werde ich dann für mich auch noch etwas haben? Wenn ich nichts mehr besitze, wer wird mir dann helfen? Wird jemand da sein, der mir tut, was ich getan habe? Wenn ich einmal nichts mehr geben kann, wird man mich dann immer noch lieben?“

Schaut, ich habe einflußreiche Freunde unter den Reichen und Freunde unter den Armen der Erde. Wahrlich, ich sage euch, es sind nicht die mächtigen Freunde, die ich am meisten liebe. Ich gehe zu ihnen nicht aus Eigenliebe und Eigennutz, sondern weil ich von ihnen viel für jene bekomme, die selbst nichts haben. Ich bin arm. Ich besitze nichts. Ich möchte alle Schätze der Welt haben und sie in Brot für die Hungernden umwandeln, in Häuser für die Obdachlosen, in Kleider für die Nackten und in Arznei für die Kranken. Ihr werdet sagen: „Du kannst heilen.“ Ja, dass und anderes kann ich. Aber nicht immer haben die Menschen Glauben. Und dann kann ich nicht tun, was ich tun möchte und tun würde, wenn der Glaube an mich in den Herzen der Menschen wäre. Ich möchte auch den Ungläubigen Gutes tun, und da diese den Menschensohn nicht um ein Wunder bitten, möchte ich ihnen von Mensch zu Mensch helfen. Doch ich besitze nichts. Daher halte ich dem die Hand hin, der etwas besitzt, und bitte: „Erweise mir Barmherzigkeit im Namen Gottes“; dazu habe ich Freunde in gehobenen Gesellschaftsschichten. Wenn ich dann einmal nicht mehr auf der Erde sein werde, wird es immer noch Arme geben, und ich werde keine Wunder mehr an jenen vollbringen können, die an mich glauben, und werde keine Almosen mehr geben können, um Menschen zum Glauben zu führen. Dann aber werden meine reichen Freunde von mir gelernt haben, wie man Wohltaten spenden soll, und ebenso werden meine Apostel durch das Zusammensein mit mir gelernt haben, aus Liebe zu den Brüdern um Almosen zu bitten; und so werden die Armen stets Hilfe erhalten.

Gestern habe ich von einem, der nichts hat, mehr bekommen, als von allen Vermögenden zusammen; von einem Freund, der arm ist wie ich.

Aber er hat mir etwas gegeben, was man mit keiner Münze kaufen kann und was mich glücklich gemacht hat, weil er mich dadurch in meine Kinder- und Jugendzeit mit ihren vielen heiteren Stunden zurückversetzt hat, als mir jeden Abend der Gerechte (mein Pflegevater) die Hände auflegte und ich mich unter dem Schutz seines Segens zur Ruhe legte. Gestern hat mich dieser arme Freund mit seinem Segen zum König gemacht. Ihr seht also, dass keiner meiner reichen Freunde je gegeben hat, was er mir gegeben hat. Darum seid nicht besorgt, denn auch wenn ihr die Macht des Geldes nicht mehr habt, könnt ihr den Armen, den Müden und den Traurigen doch immer noch Gutes tun, wenn euch nur Liebe und Heiligkeit bleiben.»