23.02.2016

WORTE GEGEN DIE SCHRIFTGELEHRTEN

nach Maria Valtorta

Apostel, Jünger und Volk folgen ihm, als Jesus wieder zur ersten Umfassungsmauer zurückkehrt, die beinahe an der Tempelmauer liegt, denn dort ist es etwas kühler an diesem drückend heißen Tag. Dort ist der Boden aufgewühlt von den Hufen der Tiere und von Steinen bedeckt, die die Händler und Geldwechsler benutzen, um ihre Umzäunungen und Zelte zu befestigen. Aber die Rabbis von Israel sind dort nicht, denn sie haben zwar erlaubt, dass im Tempel Handel getrieben wird, aber sie muten es den Sohlen ihrer Sandalen nicht zu, dorthin zu gehen, wo noch die Spuren der Vierfüßler zu sehen sind, die man erst vor einigen Tagen vertrieben hat...

Jesus empfindet keinen Ekel und flüchtet sich an diesen Ort, umgeben von zahlreichen Zuhörern. Doch bevor er zu reden beginnt, ruft er seine Apostel zu sich und sagt: «Kommt und hört gut zu. Gestern wolltet ihr vieles wissen, was ich nun sagen werde, während ich es gestern nur andeuten konnte, als wir uns im Garten des Joseph ausgeruht haben. Seid also aufmerksam, denn es sind wichtige Lehren für alle, und besonders für euch, meine Stellvertreter und Nachfolger.

Hört. Auf den Lehrstuhl des Moses setzten sich zur rechten Zeit Schriftgelehrte und Pharisäer. Es waren traurige Zeiten für das Vaterland. Nachdem das Exil in Babylon zu Ende und die Nation dank der Großmut des Cyrus wieder aufgebaut war, erkannten die Führer des Volkes die Notwendigkeit, auch den Kult und die Kenntnis des Gesetzes wiederherzustellen. Denn wehe dem Volk, dem sie nicht zu seiner Verteidigung, Leitung und Stütze zur Verfügung stehen gegen die mächtigsten Feinde einer Nation, nämlich die Unmoral der Bürger, die Auflehnung gegen die Oberhäupter, die Zwietracht zwischen den verschiedenen Klassen und Parteien, die Sünden wider Gott und den Nächsten und die Religionslosigkeit, alles an sich schon zersetzende Elemente, die auch noch die Strafe des Himmels herausfordern!

So machten sich die Schriftgelehrten oder Gesetzeskundigen daran, dass Volk zu belehren, dass sich noch der chaldäischen Sprache aus der Zeit des harten Exils bediente und die in reinem Hebräisch geschriebenen Schriften nicht mehr verstand. Die Priester kamen ihnen zu Hilfe, obwohl auch ihre Zahl nicht groß genug war, um die Aufgabe zu meistern, dass Volk zu unterweisen. Somit war das zusätzliche Vorhandensein gebildeter Laien gerechtfertigt, die sich der Ehre Gottes widmeten, Kenntnis von ihm zu den Menschen und die Menschen zu ihm brachten und hierdurch viel Gutes bewirkten. Denn, merkt es euch alle, selbst Dinge, die durch die menschliche Schwäche später einen Niedergang erleben, wie es hier im Laufe der Jahrhunderte geschah, haben immer auch etwas Gutes an sich und zumindest anfänglich ihren Daseinsgrund. Und daher läßt der Allerhöchste zu, dass sie entstehen und fortbestehen, und er zerstört sie nicht, bis das Maß ihrer Verkommenheit voll ist.

Aus einer Umwandlung der Asidäer ging dann die andere Sekte, die der Pharisäer, hervor. Sie sahen ihre Aufgabe darin, durch strengste Moral und striktesten Gehorsam das Gesetz des Moses hochzuhalten und den freiheitlichen Geist des Volkes zu stärken. Denn in der Zeit des Antiochus Epiphanes hatte sich, unter Druck und durch Verführung, die hellenistische Partei gebildet. Diese Verführung ging aber bald über in die Verfolgung all derer, die dem Druck dieses Listigen nicht nachgaben, der mehr auf den Verlust des Glaubens in den Herzen als auf seine Waffen vertraute, um uns zu Knechten zu machen und unser Vaterland zu unterwerfen.

Vergeßt auch das nie: Fürchtet mehr die leichtfertigen Bündnisse und die Schmeicheleien eines Fremden als dessen Legionen. Denn wenn ihr den Gesetzen Gottes und des Vaterlandes treu seid, werdet ihr siegen, auch wenn ihr von mächtigen Heeren eingeschlossen seid. Wenn euch aber das Gift verdorben hat, dass euch der Fremde wie berauschenden Honig in geheimer Absicht einträufelt, wird Gott euch um eurer Sünden willen verlassen, und ihr werdet besiegt und unterworfen werden, auch ohne dass der falsche Kampfgenosse sich mit dem Blut eurer Heere befleckt. Wehe dem, der nicht gleich einem aufmerksamen Wachposten auf der Hut ist und sich gegen die raffinierte Bosheit eines verschlagenen und falschen Nachbarn oder Bundesgenossen oder Herrschers zur Wehr setzt. Denn dessen Herrschaft beginnt bei den Einzelnen; er betört ihre Herzen und verdirbt sie durch fremde, unheilige Sitten und Gebräuche, so dass ihnen der Herr sein Wohlwollen entzieht. Wehe! Denkt alle an die Folgen, die es für das Vaterland hatte, dass einige seiner Söhne Sitten und Gebräuche des Fremden annahmen, um sich bei ihm einzuschmeicheln und angenehm zu leben. Die Liebe zu allen ist etwas Gutes, auch zu Völkern, die nicht unseres Glaubens sind, unsere Bräuche nicht haben und uns jahrhundertelang geschadet haben. Aber die Liebe zu diesen Völkern, die trotz allem unsere Nächsten sind, darf niemals dazu führen, dass wir das Gesetz Gottes und das Vaterland verleugnen, um so einen Vorteil von ihnen zu erlangen. Nein, die Fremden verachten sogar jene, die sklavisch sind bis zur Verleugnung der heiligsten Dinge des Vaterlandes. Nicht durch Verleugnung von Vater und Mutter, von Gott und Vaterland, erlangt man Achtung und Freiheit.

Es war also gut, dass zur rechten Zeit die Pharisäer mit ihrem Werk begannen, einen Deich aufzurichten gegen die schmutzige Flut fremder Sitten und Bräuche. Ich wiederhole: Jede Sache, die entsteht und fortdauert, hat ihren Daseinsgrund. Sie muss geachtet werden um dessentwillen, was sie getan hat, wenn schon nicht um dessentwillen, was sie tut. Denn wenn sie nun auch schuldig ist, so steht es den Menschen doch nicht zu, sie zu beleidigen, und noch weniger, sie zu strafen. Das darf nur einer: Gott und der, den er gesandt hat und der das Recht und die Pflicht hat, seinen Mund zu öffnen und eure Augen zu öffnen, damit ihr die Gedanken des Allerhöchsten erkennt und danach handelt. Ich und kein anderer. Ich, denn ich spreche im Auftrag Gottes. Ich, denn ich darf sprechen. Denn in mir sind nicht die Sünden, an denen ihr bei Schriftgelehrten und Pharisäern Anstoß nehmt, die ihr aber selbst begeht, wenn ihr Gelegenheit dazu habt.»

Jesus hat langsam zu sprechen begonnen und seine Stimme nach und nach erhoben. Bei diesen letzten Worten ist sie mächtig wie ein Trompetenstoß.

Hebräer und Heiden hören gespannt und aufmerksam zu. Wenn die ersteren Beifall spenden, als Jesus vom Vaterland spricht und offen die Fremden beim Namen nennt, von denen sie unterworfen wurden und unter denen sie zu leiden hatten, so bewundern die anderen seine Redekunst und beglückwünschen sich, bei diesem Vortrag anwesend zu sein, der eines großen Redners würdig ist, wie sie sagen.

Jesus senkt nun wieder die Stimme und fährt fort: «Dies habe ich euch gesagt, um euch daran zu erinnern, weshalb es Schriftgelehrte und Pharisäer gibt, wie und weshalb sie sich auf den Lehrstuhl des Moses gesetzt haben, und wie und warum sie reden und ihre Worte nicht wertlos sind. Tut also, was sie euch sagen. Aber ahmt ihre Werke nicht nach. Denn sie sagen, dass man sich auf eine bestimmte Art verhalten soll, tun dann aber selbst nicht, was man tun muss. In der Tat, sie lehren die Gesetze der Menschlichkeit des Pentateuch, aber dann bürden sie anderen schwere, untragbare, unmenschliche Lasten auf, während sie selbst keinen Finger rühren, um diese Lasten anzufassen, geschweige denn, sie zu tragen.

Ihre Lebensregel ist, so zu handeln, dass sie gesehen und zur Kenntnis genommen werden und für ihre Werke Beifall erhalten; und sie tun sie so, dass sie dabei bemerkt und gelobt werden. Sie fehlen gegen das Gesetz der Liebe, denn sie ziehen es vor, sich abzusondern und verachten jene, die nicht zu ihrer Sekte gehören; sie nehmen den Titel eines Meisters für sich in Anspruch und verlangen eine Verehrung von ihren Schülern, wie sie sie nicht einmal Gott erweisen. Für Götter halten sie sich in ihrer Weisheit und Macht, wollen in den Herzen ihrer Schüler mehr gelten als Vater und Mutter, betrachten ihre Lehre als der Lehre Gottes überlegen und verlangen deren buchstabengetreue Ausführung; und dies auch, wenn es sich dabei um eine Verfälschung des wahren Gesetzes handelt, dem das ihre um so vieles unterlegen ist wie dieser Berg hier dem Großen Hermon, der ganz Palästina überragt. Und sie sind Häretiker, und wie die Heiden glauben manche von ihnen an die Seelenwanderung und an die Vorherbestimmung, während die anderen bestreiten, was die einen sagen; und so leugnen sie eigentlich, wenn auch nicht ausdrücklich das, was Gott zu glauben verlangt; der einzige Gott, dem Verehrung gebührt, und der Vater und Mutter an die zweite Stelle nach ihm gesetzt hat, denen man somit mehr Gehorsam schuldet als einem Meister, der nicht Gott ist. Wenn ich euch nun sage: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist nicht würdig, in das Reich Gottes einzugehen“, so heißt dies nicht, dass ihr die Eltern nicht lieben sollt. Ihr schuldet ihnen Achtung und Hilfe und dürft ihnen nicht die Unterstützung verweigern, indem ihr sagt: „Das Geld gehört dem Tempel“ ' oder die Wohnung, indem ihr sagt: „Mein Amt verbietet mir dies“, oder das Leben, indem ihr sagt: „Ich töte dich, weil du den Meister liebst“, sondern es heißt, dass ihr die richtige Liebe zu den Eltern haben sollt, also eine geduldige und in der Duldsamkeit starke Liebe, die zu wählen versteht zwischen meinem Gebot und dem familiären Egoismus, der familiären Bindung; eine Liebe, die sich nicht in Haß verwandelt, wenn die Eltern sündigen und Schmerz bereiten, da sie euch nicht auf dem Weg des Lebens, meinem Weg, folgen. Liebt die Eltern und gehorcht ihnen in allem, was heilig ist. Aber seid bereit zu sterben, nicht zu töten, sondern zu sterben, wenn sie euch dazu bringen wollen, eure Berufung durch Gott zu Bürgern des Reiches Gottes, dass zu gründen ich gekommen bin, zu verraten.

Ahmt nicht die Schriftgelehrten und Pharisäer nach, die untereinander uneins sind und nur so tun, als seien sie einig. Ihr, Jünger des Christus, sollt wirklich eins sein. Die Vorgesetzten seien gut zu den Untergebenen und die Untergebenen gut zu ihren Herren, eins in der Liebe und im Ziel eurer Einigkeit: mein Reich zu erwerben und zu meiner Rechten zu stehen beim letzten Gericht. Denkt daran, dass ein geteiltes Reich kein Reich mehr ist und nicht bestehen kann. Seid daher einig untereinander in der Liebe zu mir und meiner Lehre. Merkmale des Christen – denn das wird der Name meiner Untergebenen sein – seien Liebe und Einigkeit, Gleichförmigkeit in der Kleidung, gemeinsamer Besitz und Brüderlichkeit in den Herzen. Alle für einen, einer für alle.

Wer hat, soll demütig geben. Wer nichts hat, soll demütig nehmen und demütig seine Bedürfnisse den Brüdern mitteilen. Die Brüder sollen liebevoll die Bedürfnisse der Brüder anhören und sich wirklich als Brüder fühlen. Erinnert euch, dass euer Meister oft Hunger, Kälte und tausend andere Nöte und Unannehmlichkeiten erleiden musste und sie demütig den Menschen genannt hat, er, dass Wort Gottes. Erinnert euch, dass der Barmherzige belohnt wird, sogar für einen Schluck Wasser. Erinnert euch, geben ist seliger denn nehmen. In diesen drei Erinnerungen soll der Arme die Kraft finden, zu bitten, ohne sich gedemütigt zu fühlen, da er weiß, dass ich es vor ihm getan habe; und zu verzeihen, wenn er abgewiesen wird, da er weiß, dass dem Menschensohn oft der Platz und die Speise verweigert wurden, die man dem Wachthund der Herde gibt. Der Reiche soll großmütig werden und seine Reichtümer verschenken, wenn er daran denkt, dass das schnöde Geld, der verabscheuenswerte, ihm von Satan eingeflüsterte Mammon, der die Ursache von neun Zehnteln allen Unglücks in der Welt ist, sich in eine unsterbliche Perle des Paradieses wandelt, wenn er mit Liebe gegeben wird.

Bekleidet euch mit euren Tugenden. Sie sollen groß, aber nur Gott allein bekannt sein. Macht es nicht wie die Pharisäer. Sie machen ihre Gebetsriemen breit und ihre Mantelquasten lang. Sie lieben die ersten Sitze in den Synagogen und die Begrüßungen auf den Marktplätzen und dass sie von den Leuten Rabbi genannt werden. Einer nur ist der Meister: Christus. Ihr, die ihr die neuen Lehrer der Zukunft sein werdet... ich meine euch, meine Apostel und Jünger – denkt daran, dass ich allein euer Meister bin. Ich werde es sein, auch wenn ich nicht mehr unter euch bin, denn nur die Weisheit kann belehren. Laßt euch daher nicht Meister nennen, denn ihr selbst werdet immer Schüler sein.

Verlangt nicht und gebt nicht den Namen Vater irgend jemandem auf der Welt, denn nur einer ist der Vater aller: euer Vater, der im Himmel ist. Diese Wahrheit soll euch weise machen, so dass ihr euch wahrhaft als Brüder fühlt, sowohl jene, die führen, als auch jene, die geführt werden, und euch als gute Brüder liebt. Auch soll sich keiner von den Führenden Lehrer nennen lassen, denn ihr habt nur einen, der euch alle lehrt: Christus. Der Größte unter euch soll euer Diener sein. Es ist keine Demütigung, Diener der Diener Gottes zu sein, sondern es bedeutet mich nachzuahmen, der ich sanft und demütig war und immer bereit, meine Brüder im Fleisch Adams zu lieben und ihnen mit meiner Macht als Gott zu helfen. Ich habe das Göttliche nicht gedemütigt, weil ich den Menschen gedient habe. Denn der wahre König ist, wer nicht so sehr die Menschen, sondern vielmehr die Leidenschaften der Menschen beherrscht, vor allem den törichten Stolz. Denkt daran: Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden, und wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden.

Die Frau, von der der Herr in der Genesis spricht, die Jungfrau, von der Isaias spricht, die Jungfrau – die Jungfrau-Mutter des Emmanuel – hat diese Wahrheit der neuen Zeit prophezeit und gesungen: „Der Herr hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Niedrigen erhöht.“ Die Weisheit Gottes sprach durch den Mund jener, die die Mutter der Gnade und der Sitz der Weisheit war. Und ich wiederhole die inspirierten Worte, die mich mit dem Vater und dem Heiligen Geist in unseren wunderbaren Werken priesen, als ich, der Mensch, mich im Schoß der unversehrten Jungfrau bildete, ohne dabei aufzuhören, Gott zu sein. Sie sollen Norm für alle sein, die Christus in ihren Herzen tragen und ins Himmelreich gelangen wollen. Es wird keinen Jesus und Erlöser, keinen Christus und Herrn und kein Reich des Himmels für jene geben, die stolz, unzüchtig und Götzendiener sind und sich selbst und ihren Willen anbeten.

Daher wehe euch, ihr Schriftgelehrten und heuchlerischen Pharisäer! Ihr glaubt, mit euren unmöglich zu befolgenden Vorschriften – die tatsächlich ein unüberwindliches Hindernis für die meisten Menschen wären, wenn sie von Gott bestätigt würden – ihr glaubt, dass Reich des Himmels vor den Menschen verschließen zu können, die ihren Geist zu ihm erheben, um in ihren leidvollen irdischen Tagen Kraft zu finden! Wehe euch, die ihr nicht hineinkommt, nicht hineinkommen wollt, da ihr das Gesetz des himmlischen Reiches nicht annehmt und die anderen nicht hineinlaßt, die vor der Türe stehen, die ihr unnachsichtig mit Schlössern verschließt, die Gott nicht angebracht hat.

Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und heuchlerischen Pharisäer! Ihr zehrt die Habe der Witwen auf und verrichtet zum Schein lange Gebete. Dafür erwartet euch ein strenges Gericht!

Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und heuchlerischen Pharisäer! Denn ihr reist über Meer und Land und verbraucht fremden Besitz, um einen einzigen Proselyten zu machen, und wenn er es geworden ist, dann macht ihr aus ihm einen Sohn der Hölle, doppelt wie ihr.

Wehe euch, blinde Führer, die ihr sagt: „Wenn einer beim Tempel schwört, dann gilt sein Eid nicht, aber wenn er auf das Gold des Tempels schwört, dann ist er durch seinen Schwur gebunden.“ Ihr Toren und Blinden! Was ist denn größer? Das Gold oder der Tempel, der das Gold heiligt? Was heißt: „Wenn einer beim Altar schwört, dann hat sein Eid keinen Wert, aber wenn er auf die Gabe schwört, die auf dem Altar liegt, dann ist sein Eid gültig und er ist seinem Eid verpflichtet.“ Ihr Blinden! Was ist denn größer? Die Gabe oder der Altar, der die Gabe heiligt? Wer also beim Altar schwört, der schwört bei ihm und allem, was darauf liegt, und wer beim Tempel schwört, der schwört bei ihm und bei dem, der darin wohnt. Und wer beim Himmel schwört, schwört beim Thron Gottes und bei dem, der darauf sitzt.

Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und heuchlerischen Pharisäer! Ihr gebt den Zehnten von Minze und Raute, von Anis und Kümmel, aber die wichtigsten Vorschriften des Gesetzes schiebt ihr beiseite: die Gerechtigkeit, die Barmherzigkeit und die Treue. Das sind die Tugenden, die man haben muss, ohne die anderen kleinen Dinge zu vernachlässigen! Ihr blinden Führer, ihr seiht die Getränke aus Furcht euch anzustecken, wenn ihr eine kleine ertrunkene Mücke verschluckt, und dann verschlingt ihr ein Kamel, ohne euch deswegen unrein zu fühlen. Wehe euch, Schriftgelehrte und heuchlerische Pharisäer! Ihr reinigt das Äußere von Becher und Schüssel, innen aber seid ihr voll Raub und Unmäßigkeit. Blinder Pharisäer, reinige zuerst, was im Becher und in der Schüssel ist, damit auch das Äußere rein werde.

Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und heuchlerischen Pharisäer! Wie Nachtvögel benutzt ihr die Finsternis für eure sündigen Werke, und im Dunkeln paktiert ihr mit Heiden, Räubern und Verrätern, um dann am Morgen, nachdem ihr die Spuren eurer verborgenen Machenschaften getilgt habt, in schönen Gewändern zum Tempel hinaufzugehen.

Wehe euch, die ihr die Gebote der Liebe und der Gerechtigkeit lehrt, die im Leviticus enthalten sind, und dann gierig, räuberisch, verlogen, verleumderisch, ungerecht, rachsüchtig und gehässig seid und sogar tötet, wenn euch jemand stört, selbst wenn es euer eigenes Blut ist; ihr verstoßt die Jungfrau, die eure Frau geworden ist, und die Kinder, die sie euch geschenkt hat, weil sie unglücklich sind. Ihr klagt eure Frau des Ehebruchs oder einer unreinen Krankheit an, weil sie euch nicht mehr gefällt und ihr euch ihrer entledigen wollt, ihr, deren unzüchtige Herzen unrein sind, auch wenn es vor den Menschen, die eure Werke nicht kennen, nicht so zu sein scheint. Ihr gleicht getünchten Gräbern, die außen schön, innen aber voll sind von Totengebein und aller Unreinheit. So auch ihr. Ja. So! Äußerlich scheint ihr gerecht, aber innerlich seid ihr übervoll von Heuchelei und Ungerechtigkeit.

Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und heuchlerischen Pharisäer! Ihr baut den Propheten prachtvolle Gräber und schmückt die Grabmäler der Gerechten und sagt: „Hätten wir in den Tagen unserer Väter gelebt, wir hätten uns nicht schuldig gemacht am Blut der Propheten.“ Und so stellt ihr euch selbst das Zeugnis aus, dass ihr Söhne der Prophetenmörder seid. Und im übrigen macht ihr das Maß eurer Väter voll... Ihr Schlangen, ihr Natterngezücht, wie wollt ihr dem Gericht der Hölle entrinnen?

Daher sage ich, dass Wort Gottes, euch: Ich, Gott, werde euch neue Propheten, Weise und Schriftgelehrte schicken. Einige von ihnen werdet ihr töten, einige kreuzigen, einige in euren Gerichtshöfen und euren Synagogen und außerhalb eurer Mauern geißeln, und einige werdet ihr von Stadt zu Stadt verfolgen, damit nicht über euch alle das gerechte Blut komme, dass auf die Erde ausgegossen wurde, vom Blut Abels, des Gerechten, bis zum Blut des Zacharias, des Sohnes des Barachias, den ihr getötet habt zwischen dem Vorhof und dem Altar, weil er euch aus Liebe zu euch eure Sünden vorgehalten hat, damit ihr sie bereut und zum Herrn zurückkehrt.

So ist es. Ihr haßt jene, die euer Bestes wollen und euch liebevoll auf die Wege Gottes zurückrufen.

Wahrlich, ich sage euch, alles wird so kommen. Sowohl das Verbrechen als auch die Folgen. Wahrlich, ich sage euch, dies alles wird über dieses Geschlecht kommen.

0 Jerusalem! Jerusalem! Jerusalem, du steinigst, die zu dir gesandt sind, und tötest deine Propheten! Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt; aber du hast nicht gewollt!

So höre, o Jerusalem! So hört, ihr alle, die ihr mich haßt und alles haßt, was von Gott kommt. So hört, ihr, die ihr mich liebt und auch mit von der Strafe betroffen sein werdet, die für die Verfolger des Messias Gottes bestimmt ist. Hört auch ihr, die ihr nicht aus diesem Volk seid, mir aber trotzdem zuhört, hört, damit ihr wißt, wer der ist, der zu euch spricht und weissagt, ohne erst den Flug und den Gesang der Vögel, die Zeichen des Himmels oder die Eingeweide geopferter Tiere, die Flamme und den Rauch der Brandopfer befragen zu müssen; denn die Zukunft ist für den, der zu euch spricht, Gegenwart. „Euer Haus wird euch verödet überlassen werden. Ich sage euch, spricht der Herr, von nun an werdet ihr mich nicht mehr sehen, bis auch ihr ruft: 'Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn.“'»

Jesus ist sichtlich müde und erhitzt. Sowohl von der Anstrengung der so langen und lauten Rede, als auch von der durch kein Lüftchen gekühlten Schwüle des Tages. Die Menge drückt ihn an die Mauer, Tausende von Augen durchbohren ihn, und er fühlt den ganzen Haß, der ihm unter den Säulengängen des Vorhofs der Heiden zuhört, und die ganze Liebe oder wenigstens Bewunderung, die ihn umgibt trotz der Sonne, die auf die Rücken und die roten, verschwitzten Gesichter brennt; er scheint wirklich erschöpft und ruhebedürftig. Und er sucht Ruhe, denn er sagt zu seinen Aposteln und den Zweiundsiebzig, die sich langsam durch die Menge gedrängt haben, nun ganz vorne stehen und eine Schranke treuer Liebe um ihn bilden: «Wir wollen den Tempel verlassen und ins Freie unter die Bäume gehen. Ich brauche Schatten, Ruhe und Kühle. Wahrlich, dieser Ort scheint schon zu brennen im Feuer des himmlischen Zorns.»