19.02.2016

ZUM UMGANG MIT FEINDEN

nach Maria Valtorta

Der alte Spruch: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, der nicht in den zehn Geboten steht, aber gesagt wurde, weil der Mensch ohne Gnade ein für nichts anderes als für die Rache zugänglicher Unmensch ist, wird nun ungültig und entkräftet durch das neue Wort: „Liebe den, der dich haßt; bete für den, der dich verfolgt; sei nachsichtig mit dem, der dich verleumdet; segne den, der dich verflucht; tue Gutes dem, der dir Schaden zufügt; sei friedfertig mit dem Streitsüchtigen, nachgiebig mit dem Lästigen; hilf gerne dem, der dich um Hilfe bittet, und treibe keinen Wucher; kritisiere und richte nicht.“ Ihr könnt die äußerste Not, die einen Menschen zu gewissen Handlungen treibt, nicht ermessen. In allen Hilfeleistungen seid großzügig, seid barmherzig. Je mehr ihr gebt, um so mehr wird euch gegeben werden. Ein volles Maß wird Gott in den Schoß dessen ausschütten, der großherzig gewesen ist. Gott wird euch nicht nur in dem Maße geben, in dem ihr gegeben habt, sondern viel mehr. Bemüht euch, zu lieben, um selbst liebenswert zu sein. Streitigkeiten kommen teurer zu stehen als freundschaftliche Übereinkunft, und die Liebenswürdigkeit ist wie Honig, dessen Süße lange auf der Zunge bleibt.

Liebt, liebt! Liebt die Freunde und die Feinde, um euerem Vater ähnlich zu sein, der über Gute und Böse regnen und die Sonne über Gerechte und Ungerechte aufgehen läßt, der es sich aber vorbehält, mit ewiger Sonne und ewigem Tau, mit höllischem Feuer und höllischem Hagel zu vergelten, wenn die Guten wie erlesene Ähren unter den Erntegarben ausgewählt werden. Es genügt nicht, jene zu lieben, die euch lieben und von denen ihr euch eine Gegenleistung erhofft. Das ist kein Verdienst. Es ist vielmehr eine Freude, und auch die von Natur aus ehrbaren Menschen können es tun. Auch die Zöllner und die Heiden handeln so. Aber ihr sollt wie Gott und aus Ehrfurcht vor Gott lieben, denn er ist auch der Schöpfer jener, die sich euch gegenüber feindselig oder nicht gerade liebenswürdig benehmen. Ich verlange von euch die vollkommene Liebe und sage deshalb: „Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“

So groß ist das Gebot der Nächstenliebe, die Vervollkommnung des Gebotes der Nächstenliebe, dass ich nicht mehr sage, wie euch geboten wurde: „Ihr sollt nicht töten“ denn wer tötet, wird durch die Menschen verurteilt werden. Ich sage euch vielmehr: „Laßt keinen Zorn in euch aufkommen“, denn ein weit höheres Gericht steht über euch und erwägt auch die verborgenen Taten. Wer den Bruder beleidigt, wird vom Hohen Rat verurteilt. Wer ihn aber einen Narren nennt und dadurch schädigt, wird von Gott verurteilt. Vergebens ist es, am Altar zu opfern, wenn man nicht vorher im Inneren seines Herzens aus Liebe zu Gott seinen Groll zum Opfer gebracht und den heiligsten Akt des Verzeihens vollzogen hat. Wenn du also Gott ein Opfer darbringen willst und dich erinnerst, dass du gegen deinen Bruder gefehlt hast oder dass du ihm wegen einer Schuld seinerseits grollst, dann lasse deine Gabe vor dem Altar, opfere zuerst deine Eigenliebe und versöhne dich mit deinem Bruder. Dann komm zum Altar, und dann, erst dann, wird dein Opfer heilig sein. Ein gutes Einvernehmen ist immer die beste Lösung. Fragwürdig ist das Urteil des Menschen und wer hartnäckig einen Rechtsstreit herausfordert, könnte den Prozeß verlieren und dem Gegner alles bis zum letzten Heller bezahlen oder im Gefängnis schmachten müssen.

Erhebt in allen Dingen den Blick zum Himmel. Fragt euch: „Habe ich das Recht zu tun, was Gott nicht mit mir tut?“ Denn Gott ist nicht so unerbittlich und unnachgiebig, wie ihr es seid. Wehe euch, wenn er es wäre! Kein einziger würde gerettet werden. Diese Überlegung führe euch zu sanftmütigen, demütigen, barmherzigen Gefühlen. So wird die Vergeltung Gottes hier auf Erden und im Himmel nicht ausbleiben.