17.01.2016

JESUS AUF DER HOCHZEIT VON KANA

nach Maria Valtorta

Jesus geht an der Seite der Mutter nach oben, die Jünger und die Gastgeber folgen. Sie gehen in den Saal, wo die Frauen damit beschäftigt sind, Sitzgelegenheiten und Geschirr für die drei Gäste herbeizuschaffen, die nicht erwartet waren, wie mir scheint. Man hat den Eindruck, dass das Kommen Jesu ungewiss, dass seiner Gefährten aber absolut unvorhergesehen war.

Ich höre die schöne, männliche und warme Stimme des Meisters beim Betreten des Saales sagen: „Der Friede sei in diesem Haus, und der Segen Gottes über euch allen!” Ein Gruß an alle, voller Erhabenheit.

Jesus überragt durch sein Aussehen und seine Gestalt alle anderen. Er ist zwar zufälliger Gast; dennoch scheint er der König des Festmahls zu sein, mehr als der Bräutigam oder der Hausherr. So sehr er auch demütig und entgegenkommend ist, er übertrifft alle.

Jesus nimmt an der mittleren Tafel Platz zusammen mit dem Bräutigam, der Braut, den Eltern des Bräutigams und den einflussreichen Freunden. Die Jünger werden aus Rücksicht auf den Meister an denselben Tisch gesetzt.

Jesus sitzt mit dem Rücken zu der Wand, an welcher die Krüge aufgestellt sind und die Anrichte sich befindet. Ich sehe sie jedoch nicht; auch nicht die Geschäftigkeit des Tafelmeisters, der mit den Platten voller Braten beschäftigt ist, die durch eine kleine Tür bei der Anrichte gereicht werden.

Mir fällt auf, dass außer den Müttern der Brautleute und Maria keine andere Frau an diesem Tisch Platz genommen hat. Alle Frauen sitzen an dem anderen Tisch, bei der Wand, und machen Lärm für hundert. Sie werden erst nach den Brautleuten und den vornehmen Gästen bedient. Jesus sitzt neben dem Hausherrn, Maria gegenüber, die neben der Braut sitzt.

Die Mahlzeit beginnt. Ich kann euch versichern, der Appetit und auch der Durst fehlen nicht. Die einzigen, die wenig essen und trinken, sind Jesus und Maria; letztere spricht auch sehr wenig, Jesus etwas mehr. Wenn er auch wortkarg ist, so ist er doch nicht abweisend oder stolz. Er ist ein höflicher Mensch, doch kein Schmeichler. Auf Fragen antwortet er; wenn mit ihm geredet wird, zeigt er Interesse und gibt seine Meinung kund; doch dann zieht er sich in sich selbst zurück, wie jemand, der gewohnt ist, zu meditieren. Er lächelt, doch lacht er nie. Und wenn er einen etwas gewagten Scherz hört, dann tut er, als hätte er ihn nicht gehört. Maria „nährt” sich vom Anblick ihres Jesus, und ebenso Johannes, der am Ende der Tafel sitzt und an den Lippen seines Meisters hängt.

Maria bemerkt, dass die Diener mit dem Tafelmeister tuscheln und dass letzterer sehr verlegen ist. Sie erfasst die peinliche Situation. „Sohn”, sagt sie leise und sucht auf diese Weise die Aufmerksamkeit Jesu aus sich zu lenken. „Sohn, sie haben keinen Wein mehr.”

„Frau, was habe ich nunmehr mit dir zu schaffen?” Jesus lächelt Maria bei diesen Worten noch liebevoller an, und Maria lächelt zurück, wie zwei, die eine Wahrheit kennen, die ihr freudvolles Geheimnis ist und die sonst niemand kennt.

Maria sagt zu den Dienern: „Tut, was er euch sagen wird!” In den Augen des Sohnes hat sie die Zusage gelesen, doch verschleiert – eine große Lehre für alle „Berufenen”.

Jesus sagt zu den Dienern: „Füllt die Krüge mit Wasser!”

Ich sehe, wie die Diener die Krüge mit Wasser aus dem Brunnen füllen. Ich höre das Rasseln der Kette, mittels der die triefenden Wassereimer heraufgezogen und dann wieder hinuntergelassen werden. Ich sehe, wie der Tafelmeister ein wenig von dieser Flüssigkeit schöpft, sie mit erstaunten Augen betrachtet, dann mit noch größerer Verwunderung davon kostet und schließlich mit dem Hausherrn und dem Bräutigam (die in der Nähe sind) spricht.

Maria schaut den Sohn noch einmal lächelnd an; dann fängt sie ein Lächeln von ihm auf, neigt das Haupt und errötet leicht. Sie ist glücklich.

Ein Raunen geht durch den Saal. Die Köpfe wenden sich alle Jesus und Maria zu. Einige stehen auf, um besser sehen zu können; andere begeben sich zu den Krügen. Zuerst herrscht großes Schweigen, dann ertönt ein Chor des Lobes für Jesus.

Er erhebt sich und sagt nur: „Bedankt euch bei Maria!” und entzieht sich hierauf dem Festmahl. Die Jünger folgen ihm. Auf der Schwelle wiederholt er: „Friede sei diesem Haus und der Segen Gottes über euch!” Und fügt hinzu: „Mutter, leb wohl!”

Die Vision ist zu Ende.